Der Welttag der Suizidprävention erinnert daran, dass Suizid ein großes Gesundheitsproblem ist. Die Weltgesundheitsorganisation WHO rechnet mit jährlich 700.000 Todesfällen durch Suizid weltweit. Die Zahl der Suizidversuche ist um ein Vielfaches höher. Die wirksamen Mittel der Suizidversuchs- und Suizidprävention heißen Respekt, offene Beratung und Tabu überwinden. Offenheit gegenüber dem Thema Suizid ist ein Schlüssel dazu.
Hinter jedem Suizid(-versuch) steht eine tragische Geschichte. Ein Suizid hinterlässt Narben bei Angehörigen und weiteren Betroffenen. Und nur selten ist ein gescheiterter Suizid einfach eine gute Nachricht im Sinne eines geretteten Lebens. Oft ziehen sie gravierende gesundheitliche Schäden, manchmal mit Langzeitfolgen, nach sich. Darum macht der Verein Dignitas – Menschenwürdig leben – Menschenwürdig sterben anlässlich des Welttags der Suizidprävention auf die Bedeutung der Suizidversuchsprävention aufmerksam.
Kaum jemand läuft mit einem Schild herum, auf dem steht "Ich will mein Leiden und Leben durch Suizid beenden". Das Tabu aufgrund des religiös-konservativ tradierten Unwerturteils, Suizid sei immer etwas Schlechtes, verhindert oft, dass Menschen sich anderen mit ihren Suizidgedanken anvertrauen bevor sie handeln. Suizid ist jedoch weder etwas Gutes noch Schlechtes; er ist Tatsache und Handlungsmöglichkeit.
Um Menschen zu helfen, die aus welchen Gründen auch immer an einen Suizidversuch denken, ist eine Atmosphäre der Offenheit anzustreben. Eine solche kann beispielsweise in Alters- und Pflegeheimen sowie Kliniken umgesetzt werden. Mit jeder Person, die in eine solche Gesundheitseinrichtung eintritt, kann im Erstgespräch das Thema Suizid angesprochen werden: "Sollten Sie einmal daran denken, Ihr Leben selbst beenden zu wollen, sprechen Sie mit uns darüber, bitte".
Studien bestätigen, dass Menschen mit einer schweren Diagnose besonders suizidgefährdet sind; bei terminal Krebskranken beispielsweise steigt das Suizidrisiko um rund das Doppelte1. Die Anzahl gescheiterter Suizidversuche liegt um ein Vielfaches höher2.
Reden kann retten. Nicht umsonst heißt eine entsprechende Kampagne des Bundesamtes für Gesundheit BAG in Zusammenarbeit mit dem Kanton Zürich so.
Eine unvoreingenommene, ergebnisoffene und wertneutrale Auseinandersetzung mit allen Möglichkeiten zum Lebensende – sei es Behandlungsabbruch auf Basis einer Patientenverfügung, palliative Maßnahmen, Sterbebegleitung oder der seit 40 Jahren ärztlich unterstützte assistierte Suizid – wirkt auf Betroffene, Angehörige und Betreuende entlastend. Die bewusste Thematisierung beugt einsam-tragischen Suizidversuchen vor.
Eine Atmosphäre der Offenheit baut Angst vor Stigmatisierung oder Entmündigung ab. Erst dadurch kann ein Mensch, der einen Suizidversuch erwägt, sich für Gespräche über die Gründe öffnen, die zum Lebensbeendigungswunsch geführt haben. Das Wissen um legale, sichere und professionell begleitete Handlungsmöglichkeiten mindert das Leiden und den Druck, die durch das Gefühl der Ausweglosigkeit verursacht werden.
1https://bit.ly/3BmUjW0 und https://www.nature.com/articles/s41591-022-01745-y
2 Der Schweizer Bundesrat erklärte 2002, man müsse von bis zu 50 Mal mehr Suizidversuchen als von Todesfällen durch vollendete Suizide ausgehen. Auch die WHO weist auf die hohe Zahle der Suizidversuche hin.