Nominierung von Amy Coney Barrett für den Supreme Court

USA: Oberstes Gericht in schlechter Verfassung

1440px-supreme_court_of_the_united_states_-_philosophical_swag.jpg

Supreme Court Building in Washington, D.C.
Supreme Court Building in Washington, D.C.

Nach dem Tod der Verfassungsrichterin Ruth Bader Ginsburg wurde am Samstag Amy Coney Barrett als ihre Nachfolgerin im Supreme Court nominiert. Für die erzkonservative Katholikin scheint jedoch die Bibel über der Verfassung zu stehen.

US-Präsident Donald Trump hat am Samstag die 48 Jahre alte Juristin Amy Coney Barrett aus New Orleans für die frei gewordene Stelle im Supreme Court der USA nominiert. Für Barrett steht der christliche Glaube, den die Bibel vorgibt, vor der Verfassung, die Menschen sich selbst gegeben haben.

Die Alliance for Justice (AFJ), die sich in den USA für faire Gerichtsprozesse einsetzt, kritisierte Barrett für ihre Einstellung zum Glauben und zu den Werten der Verfassung. In ihren Aufsätzen und aufgrund ihrer Äußerungen auch als Richterin besteht Grund zur Annahme, dass Barrett im Zweifelsfall ihren persönlichen Glauben bei der Bewertung in das richterliche Urteil mit einfließen lassen würde.

Auch ihre starke Ablehnung von Abtreibungen – egal unter welchen Umständen – brachte Barrett viel Kritik ein. Aufgrund ihres christlichen Glaubens beginnt für sie das menschliche Leben bereits mit der Befruchtung der Eizelle.

Zwar ruderte sie in einem Statement zurück und bestritt, dass sie sich bei Rechtsprechungen zuerst von ihrem Glauben leiten lasse, jedoch erscheint dies vielen Juristen und der AFJ, die sich mit ihren Aussagen und Aufsätzen beschäftigt hatten, als taktisches Manöver.

Welche Folgen ihre Ansichten für ihre Tätigkeit als Verfassungsrichterin hätten, lässt sich unschwer ausmalen: Wenn eine Person – sogar eine Richterin –, die eine weltanschauliche Ideologie höher gewichtet als die Verfassung des Staates, in dem sie lebt, als Rechtsprechende in der obersten Instanz des amerikanischen Justizsystems Platz nimmt, würde das die gerade in den USA so hochbeschworene Trennung von Staat und Religion auf eine Weise aufweichen, die prominenter kaum sein könnte.

Der Wahlkampf in den USA ist schon seit längerem in der heißen Phase. Ausgerechnet in dieser Zeit ist nun der Sitz eines der neun Supreme Court-Richter neu zu besetzen. Eine Ernennung erfolgt auf Lebenszeit. Durch die Auswahl eines Kandidaten aus einer bestimmten politischen Richtung kann der Präsident dem Land auch weit über seine Amtszeit hinaus einen entscheidenden Stempel aufdrücken.

Dem Senat obliegt es nun, Amy Coney Barrett als Richterin zu bestätigen oder abzulehnen. Da die Republikaner noch die Senatsmehrheit stellen, drängen sie auf eine zügige Neubesetzung des Amtes, bevor die Wahlen im November ihnen einen Strich durch die Rechnung machen könnten. Donald Trump fiel zuvor schon die Auswahl eines Kadidaten für ein Verfassungsrichteramt zu, welches er mit Brett Kavanaugh kontrovers besetzte.

Die Befürchtung der Demokraten ist nun, dass es endgültig einen Überschuss an Konservatismus im Gericht geben wird, der die Rechtsprechung in den USA noch lange begleiten würde. Eine Supreme Court-Richterin, welche die Doktrin ihrer eigenen Weltanschauung über die eigentliche Verfassung stellt, wäre in einem derart entscheidenden Amt mehr als nur eine leichte Fehlbesetzung.

Die verstorbene Ruth Bader Ginsburg war im Kreis der neun Richter als progressiv bekannt und setzte sich für Frauenrechte ein. Ihre Nachfolgerin wird dies vermutlich nicht mehr in dem Ausmaß tun. Die zweite im Nominierungsrennen, Barbara Lagoa, gilt ebenfalls als konservativ, hätte als Latina jedoch auch bei der demokratischen Klientel punkten können. Trump hat sich gegen sie entschieden.

Unterstützen Sie uns bei Steady!