"Stadtgespräch" in Garbsen

Mit Utopien von vorgestern kann man nicht die Probleme der Zukunft lösen

Meister glaubt nach wie vor, dass eine Gesellschaft ohne Gott eine ganze Menge verliere. Die evangelische Kirche sei in Deutschland im sozialen Bereich mit Abstand der stärkste Vertreter von ehrenamtlichem Engagement im sozialen Bereich. Das zeige, dass darin auch für viele Menschen ein Sinnhorizont sei: In der Kirche und mit der Kirche kann ich anderen helfen.

Podium, Runde 2

Seine zweite Fragerunde begann Speer wieder mit Zahlen: Die repräsentative Studie "Wahrnehmung und Akzeptanz religiöser Vielfalt" habe für Westdeutschland ergeben: 7% der Befragten hätten eine negative Haltung gegenüber Christen, 28% gegenüber Juden, 31% gegenüber Atheisten, und 58% gegenüber Muslimen. Von Frau Wettberg wollte er wissen, wie es um die Akzeptanz des Judentums im Alltag bestellt sei.

Frau Wettberg erklärte zunächst, was "liberale" jüdische Gemeinde bedeute: nämlich, dass Frauen und Männer in der Synagoge gleichberechtigt und nicht räumlich getrennt seien. Man wolle ein modernes, zeitgemäßes Judentum leben.

Antisemitismus funktioniere auch ohne Juden. "Der moderne Antisemit hat keine Glatze mehr, der hat Manieren. Er trauert um die Juden, die im Holocaust ums Leben kamen, und fragt gleichzeitig, warum die Überlebenden – sprich: Israel – nichts aus der Geschichte gelernt haben. Der moderne Antisemit findet ordinären Antisemitismus ordinär, bekennt sich aber zum Antizionismus. Und stört sich nicht daran, was Israel macht, sondern dass es Israel überhaupt gibt."

Die liberale jüdische Gemeinde habe 800 Mitglieder aus 18 Nationen. Eine solche Gemeinde müsse auch erst einmal zusammenwachsen. Man wolle ein offenes Haus sein und müsse gleichzeitig die Türen abschließen. Es müsse aber etwas gegen das Nichtwissen getan werden.

Herrn Faridi fragte Speer nach Diskriminierungserfahrungen kleiner Religionsgemeinschaften.

Faridi zufolge ist vor allem die jüdische Gemeinde und gelegentlich die muslimische Gemeinde von Diskriminierung betroffen, alle anderen weniger. Der Dialog der Religionen könne dazu beitragen, dass solche Dinge nach und nach verschwinden. In der Begegnung und im Gespräch sollten die Gemeinsamkeiten der Religionen hervorgehoben werden. Diese Schnittmenge sei enorm groß. Das von Bischof Meister erwähnte Beispiel – die Ableitung der Menschenwürde aus der Ebenbildlichkeit Gottes – sei bei allen Religionen relevant, vor allem bei den abrahamitischen, und aus dieser Ebenbildlichkeit lasse sich auch sehr leicht eine Schicksalsgemeinschaft aller Menschen ableiten. Denn gemeint sei damit nicht nur die Ebenbildlichkeit der Angehörigen einer bestimmten Religion, sondern aller Menschen. Das Gefühl der Schicksalsgemeinschaft sei am Wachsen und Einrichtungen wie das Haus der Religion, die Gespräche und Begegnungen ermöglichen, würden dazu noch mehr beitragen. Die Individualisierung habe zugenommen, aber gleichzeitig fände auch eine Fragmentierung der Gesellschaft statt. Es bildeten sich viele Parallelebenen. Religiös geprägte Menschen sollten die Hoffnung nicht verlieren und auf die Empathiefähigkeit der Menschen hoffen. Das sei dann viel mehr als nur Mitleid, nämlich, dass sowohl Freude als auch Leid miteinander erlebt würden. Das sei auch ein Bestandteil des Hauses der Religionen, in dem auch gemeinsam Feste gefeiert würden. "Mit Utopien von vorgestern kann man nicht die Probleme der Zukunft lösen."

Auch Herr Wiesner wurde von Sven Speer nach Diskriminierungserfahrungen gefragt. Immerhin hätten 30 Prozent der Bevölkerung Vorbehalte gegenüber Atheisten, und der Humanistische Verband Deutschlands habe gerade den Bericht "Gläserne Wände" zur Benachteiligung Nichtreligiöser herausgegeben.

Wiesner zufolge müssen immer noch dicke Bretter gebohrt werden. Um die Situation zu verbessern, müsse ein Interesse füreinander entwickelt werden, vielleicht auch eine gewisse Neugier. Ob es in wesentlichen Fragen überhaupt so viele trennende Elemente gebe? Wiesner sagte, man solle sich auf die Stärken konzentrieren und die Schwächen etwas vernachlässigen, um auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen. Er rief auch dazu auf, sich auf der Website des Humanistischen Verbandes zu informieren und erwähnte verschiedene Aktivitäten, darunter den kürzlich gegründeten humanistischen Chor. Die Humanisten seien seit 10 Jahren Mitglied beim Forum der Religionen. Natürlich gebe es in der Sache auch Differenzen und auch unterschiedliche Sichtweisen. Aber das Entscheidende sei, dass man sich nicht militant bekämpfe, sondern die Meinung der anderen anhöre. Benachteiligung oder Vorbehalte gegenüber Atheisten konnte Wiesner aus seiner eigenen täglichen Arbeit in Niedersachsen nicht erkennen, "im Gegenteil". Da seien wahrscheinlich Statistik und Wahrheit zweierlei Dinge. Wo Menschen seien, da menschele es. Jeder habe selbst in der Hand, wie er mit anderen Menschen umgehe. Sei man neugierig oder pauschal ablehnend aufgrund fehlender Information? Die Anwesenden am Tisch seien auf einem guten Weg, um da ein stabiles Fundament zu legen.

Von Bischof Meister wollte Speer wissen, ob es auch für evangelische Christen schwieriger geworden sei, ihren Glauben zu leben. Immerhin seien die Protestanten sind in Niedersachsen bald keine Mehrheit mehr, manche redeten auch von einem kämpferischen Atheismus. (Für den Herr Wiesner kein Vertreter sei.)

Auch Meister konnte diese Erfahrung persönlich nicht bestätigen. Allerdings binde die Frage die Schwierigkeit an die Religiosität: Du bist evangelischer Christ, hast du Schwierigkeiten in diesem Land? Die Antwort darauf sei ein eindeutiges Nein, und er kenne auch keine Fälle gegenteiligen Fälle. Allerdings würde er schon sagen, dass es an manchen Punkten schwieriger geworden sei, religiös zu argumentieren, und dafür Resonanz zu gewinnen, und dass es schwieriger geworden sei, sich mit theologischer Überzeugung öffentlich in die Debatte einzuschalten. Als Beispiel nannte Meister die Sterbehilfedebatte. In den Talkshows seien in der Regel auch immer Kirchenvertreter dabei gewesen, und es habe im Hintergrund massive Kritik gegeben, dass die Kirche an dieser Stelle so offensiv Stellung bezöge. Das gehöre sich nicht. Das, so Meister, sei ein Ton, der ein wenig irritiere in einer Staatsform, die die Religionsfreiheit garantiere, und den Öffentlichkeitsauftrag der Kirchen durch die Staatsverträge auch noch einmal garantiere. Natürlich müsse man damit rechnen, dass dann die Kirche auch das Wort ergreift. Aber ob es in irgendeiner Weise einen Nachteil durch die religiöse Identität in Deutschland gebe, da sei die Antwort „Nein“.

Allerdings müsse man nur 30 Jahre zurückgehen, um zu wissen, dass in Deutschland solche Einschränkungen zur Zerstörung von Abertausenden Biografien von Menschen in den östlichen Bundesländern geführt hätten. Heute gebe es das aber mit Sicherheit nicht.

Zuhörerbeiträge

Im Anschluss an das Podiumsgespräch wurden Zuhörerfragen entgegengenommen.

Ein Zuhörer vertrat die Auffassung, dass die Kirchen Werte und Normen nicht vorgäben, sondern nur nachzögen, z.B. beim Thema Homosexualität. Er fragte nach dem Unterschied zwischen Religion und Religiosität. Bischof Meister antwortete, viele Menschen fühlten sich religiös, wenn sie ins Fußballstadion oder in die Oper gingen. Für Meister wird eine religiöse Einstellung zur Religion, wenn sie Sinnfragen nicht nur mit den Kategorien dieser Welt beantwortet, sondern mit Bezug auf eine Gottheit. Für Ali Faridi ist derjenige religiös, der Empathie für andere Menschen empfindet, friedfertig ist und teilen kann.

Auf die Frage, wie politisch die Kirche sein dürfe oder müsse, antwortete Bischof Meister, im Nationalsozialismus sei für die Kirche die Notwendigkeit entstanden, dezidiert öffentlich politisch zu sein, und diese Tradition trage sich in bestimmten Weisen fort. Es habe damals eine theologische Grundsatzerklärung gegeben (gemeint ist die Barmer Theologische Erklärung), die deutlich gesagt habe: Die Kirche kann nicht Staat sein, und der Staat kann nicht Kirche sein. Aber die Kirche sei aufgerufen, wenn der Staat nicht die Menschenwürde achtet – in theologischen Worten: nicht Jesus Christus folgt – zu intervenieren. Bis ins Martyrium. Dann dürfe man jemanden umbringen – den Tyrannenmord –, oder auch sich selbst in den Tod geben. Was Meister zufolge heute nicht zulässig ist, sind parteipolitische Interventionen. Er achte darauf, dass die evangelische Kirche in Niedersachsen zu Parteiprogrammen keine Stellung nehme. Und zu welchen Themen man Stellung nehme, müsse man sehr reservieren.

Ein Zuhörer berichtete von seinen Eindrücken beim Tag der offenen Moschee: Dort schienen vor allem Rentner hinzugehen. Er wollte wissen, ob es auch Gegenbesuche gibt: Ob z.B. auch Muslime in eine Kirche kommen dürften, und ob sie dann auch tatsächlich kommen würden.

Bischof Meister antwortete, das geschehe tatsächlich, wenn auch nicht in einem Maß, wie man sich es wünschen würde. Dies hinge auch damit zusammen, dass gerade die islamischen Gemeinden wenig hauptamtliches Personal hätten. Dies sei die erste Generation, die in einer Gesellschaft groß werde, die sehr deutlich von der Pluralität der Religionen beeinflusst sei, von den Konflikten, den Auseinandersetzungen, den Ängsten usw. Diese Situation sei eine völlig neue. Alle seien aufgerufen, in vielen Schritten aufeinander zuzugehen.

Zu Guido Wiesners Beispiel mit der Gedenkfeier nach dem Amoklauf in München sagte Meister, irgendwann werde es selbstverständlich sein, dass es bei einem solchen Anlass ein Miteinander von Religionen und Konfessionslosen gebe. Er selbst habe vor zwei Jahren vorgeschlagen, den ökumenischen Gottesdienst zum Tag der deutschen Einheit mit anderen Religionen zu feiern. Andere Kirchenobere hätten – zu Recht – eingewandt, dass es dann kein Gottesdienst mehr sei. Am Ende sei eine kleine Geste herausgekommen, dass nämlich am Ende des Gottesdiensts je ein Vertreter der jüdischen und einer muslimischen Gemeinde einen Friedensgruß ausgeteilt hätten. Das sei so ein winziger Schritt, und dabei könne es nicht bleiben. Es müssten Formen gesucht werden, die kennen wir alle noch nicht kennen, und die müssten eingeübt werden. Da passiere in den Ortsgemeinden schon mehr, als sich die Kirchenoberen trauen würden.

Ratsmitglied Orhan Akdag von der islamischen Gemeinde in Garbsen erinnerte daran, dass 2013 nach der Brandstiftung bei der Willehadi-Kirche Muslime bis 3 Uhr Wache gehalten hätten. Die islamische Gemeinde veranstalte seit Jahren den Tag der offenen Moschee, aber das Interesse der Mitbürger hielte sich sehr in Grenzen. Es kämen nur eine Handvoll Besucher.

Als Beispiel für den täglichen Umgang mit den Religionen erwähnte Guido Wiesner ein Pilotprojekt aus Osnabrück, wo der Humanistische Verband gemeinsam mit der katholischen und der evangelischen Kirche einmal im Monat gemeinschaftliche Trauerfeiern für Menschen ohne Angehörige oder Obdachlose durchführe. Dort gebe es kein Gegeneinander, sondern ein ausgewogenes Miteinander. In Bramsche habe der Humanistische Verband eine Begegnungsstätte mit initiiert, wo Flüchtlinge in den Dialog mit anderen Menschen aus der Gesellschaft treten könnten.

Ein Zuhörer berichtete, dass er vor einigen Jahren bei einem Stadtteilfest eine jüdische Tanzvorführung gesehen habe, das Jahr darauf aber nicht mehr. Auf Nachfrage habe er erfahren, dass die Tanzgruppe bei ihrem Auftritt derartig angegriffen worden sei, dass sie meinte, nicht wieder an dem Fest teilnehmen zu können. Frau Wettberg bestätigte den Vorfall: Vor drei Jahren sei die Tanzgruppe mit Steinen beworfen und es sei gerufen worden "Juden raus!" Es habe damals allerdings auch sehr viele positive Rückmeldungen gegeben von entsetzten Menschen, die geschrieben hätten, so etwas dürfe nicht sein. Die Tanzgruppe habe ihren Schock mittlerweile überwunden und trete auf Anfrage auch wieder bei Stadtteilfesten auf.

Ein Problem sei, dass es heute kaum noch Begegnungen mit Juden gebe. Erst kürzlich habe ihr eine alte Frau gesagt – das sei eben in den Köpfen der Menschen noch drin – "Ach, Sie sind Jüdin? Dafür sehen Sie aber ganz normal aus." Die Frau habe sich dann entschuldigt und gesagt, sie kenne keine Juden. Sie habe noch den "Stürmer" vor Augen, wo die Juden mit riesigen Hakennasen dargestellt wurden und gräulich aussahen. Die jüdische Gemeinde wolle ein offenes Haus sein, aber sie brauche auch Hilfe von außen. Man könne gerne freitags zum Gottesdienst kommen – allerdings mit vorheriger Anmeldung. Obwohl es nur hunderttausend Juden in Deutschland gebe und diese sich stark zurücknähmen, müssten nur jüdische Einrichtungen derart geschützt werden. Früher hätte auf den Gemeinderundschreiben als Absender „Liberale Jüdische Gemeinde“ gestanden. Da hätten sich viele Gemeindemitglieder gemeldet und gesagt, wir möchten nicht, dass der Briefträger sieht, woher wir Post bekommen. Jetzt stünde dort nur noch "L.J.G.H.". Vielleicht werde das einmal besser, aber Frau Wettberg kann es nicht ganz glauben.

Ein pensionierter Werte-und-Normen-Lehrer, der auch Mitglied im Humanistischen Verband ist, wies darauf hin, dass es in Niedersachsen an Grundschulen keinen Werte-und-Normen-Unterricht gibt. Kinder, die keinen Religionsunterricht besuchten, würden mit Hausaufgaben beschäftigt, müssten aber während des Religionsunterrichts anwesend sein, oder sie müssten sich auf dem Flur aufhalten. Nun fordere der Fachverband Werte und Normen auch für die Grundschulen einen religionsungebundenen Ethikunterricht. Der Fragesteller wollte wissen, ob die Kirche diese Forderung unterstütze. Die Antwort von Bischof Meister war eindeutig: "Die Stimme der evangelischen Kirche in Niedersachsen für die Forderung, die ja jetzt auch in einer Petition erhoben worden ist, die haben Sie. Wir unterstützen dieses Anliegen von Ihnen."

Ein Zuhörer befürwortete Veranstaltungen wie diese, wo man miteinander rede. Er wies aber darauf hin, dass der Grund für religiöse Diskriminierung unter anderem auch bei den Religionen selbst liege. Beispielsweise gebe es im Islam die Dreiteilung von Muslimen, Dhimmis (Angehörige anderer Religionen) und Harbīs (Menschen, die gar keine Religion haben). Martin Luther habe von den Juden und ihren Lügen geschrieben. Bischof Meister habe zwar in seinem Vortrag gesagt, im Dritten Reich hätte die Kirche politisch werden müssen – damals sei die Kirche allerdings noch mitgeschwommen, und heute schwämme sie eben in die andere Richtung.

Meister entgegnete, Religionen seien lernende Religionen. Der Zuhörer habe Recht, aber die Frage sei: Wie verhält sich die Kirche heute dazu? So würde man z.B. im Zusammenhang mit dem Reformationsjubiläum keine Veröffentlichung finden, die sich intensiv mit dem Reformationsjubiläum auseinandersetze und nicht diese Schrift Martin Luthers erwähne und die klare Absage an diesen Text. Es werde im März nächsten Jahres – unter anderem auch durch Meisters Initiative – bei der Eröffnung der Woche der Brüderlichkeit noch einmal eine erneute Anerkennung des Versagens Martin Luthers in diesem Zusammenhang geben. Dazu werde eine symbolische Geste gegenüber Vertretern von jüdischen Gemeinden, nicht nur aus Deutschland, erfolgen. Wichtig sei: Wie gehen wir mit genau diesen Fehlern um? Die Kirche werde dann unglaubwürdig, wenn sie zeige, wir haben daraus nichts gelernt.

Ali Faridi wollte die Religionen insofern in Schutz nehmen, als Religionen lern- und entwicklungsfähig seien – auch das gehöre zu einer lebendigen Religion. Vielleicht sei es auch ein Zeichen der Religiosität, dass man nicht so nachtragend sein sollte. Wichtig sei, wie die Religionen jetzt zu verschiedenen Themen stünden.

Ingrid Wettberg bedankte sich für den Hinweis auf Luther. Der Weg sei bereits geebnet gewesen, Hitler habe nur noch zuzugreifen brauchen. Was sie heute umtreibe, seien der Islamische Staat und die Selbstmordattentäter, die sich auf den Islam beriefen. Ihr mache Angst, sich auf eine Religion zu beziehen und mordend und tötend durch die Gegend zu laufen. Sie wisse, dass die islamischen Gemeinden hier damit absolut nichts zu tun hätten, würde aber manchmal gerne deren Stimme noch lauter hören, dass sie das völlig ablehnten.

Eine Zuhörerin, die der Bahai-Religion angehört, äußerte Verständnis für Frau Wettbergs Ängste. Sie habe selbst aus Persien fliehen müssen, ihr Großvater sei umgebracht worden.

Eine Zuhörerin fragte, ob es nicht sinnvoller sei, wenn die Kinder einen gemeinsamen Unterricht erhielten, wo sie die Religionen kennenlernen und Werte und Normen vermittelt bekommen. (Aus Zeitgründen wurde diese Frage nicht mehr beantwortet.)

Ein Zuhörer meinte, in China sei die Religionsausübung jetzt wieder erlaubt worden, weil die Politiker dort festgestellt hätten: Wenn die Gesellschaft keine Religionsausübung mehr habe, ende sie im Chaos. Es sei kein Zusammenhalt in einer Gesellschaft, wenn die Religionen verboten würden und verschwänden. Er hielt es auch für ein Versäumnis der Kirchen, dass zwar jeder, der getauft wurde, als Christ gelte, die meisten aber ein Problem hätten, ihren Glauben zu definieren. "Wenn sie dann mit einem aktiven Moslem über den Glauben reden, was glauben sie, was der von ihnen hält, wenn sie noch nicht mal ihren Glauben ausdrücken können?"

Ein Zuhörer rief dazu auf, die Wahrheit beim Namen zu nennen: Das das große Problem sei der Islam, der ein Problem mit dem Judentum und dem Christentum habe, mit Atheisten sowieso. Er selbst sei anwesend gewesen, als die Steine auf die jüdische Tanzgruppe geworfen wurden. Die Steine seien von Muslimen geworfen worden. Der Islam müsse endlich kritikfähig werden.

Es wurde auch noch auf mehrere bevorstehende verbindende Termine hingewiesen: Neben dem Tag der offenen Moschee am 3. Oktober auch das islamisches und das jüdische Neujahrsfest am 2. bzw. 3. Oktober.

Schlussworte

In seinem Schlusswort sagte Guido Wiesner, ein Gegeneinander funktioniere nicht, sondern nur ein Miteinander. Auch unbequeme Punkte müssten offensiv angesprochen werden. Toleranz zeige sich im Handeln, und dazu seien alle verpflichtet. "Die Summe unserer Mosaiksteine, die wir hier bilden, ergibt dann hoffentlich irgendwann mal ein für uns alle zufriedenstellendes Bild."

Ali Faridi schloss mit dem Hinweis, man solle nicht zu viel von den Schulen und von den Kirchen erwarten. Werteerziehung beginne in der Familie. Vieles, was in der Familie krummgebogen werde, könnten Schule und Kirchen nicht wieder geradebiegen. Deshalb sei Werteerziehung in den Familien und in der Kindheit wichtig.

Ingrid Wettberg meinte, die Zukunft müsse gemeinsam gestaltet werden. Das ginge nur im Gespräch von Mensch zu Mensch. Man müsse aufeinander zugehen, und das ginge nur im eigenen Umfeld. Man solle den anderen zu verstehen versuchen und so annehmen, wie er ist.

Bischof Meister sagte, die überzeugendsten Erzählungen seien die des eigenen Lebens. "Und das, finde ich, kann man mit großem Stolz sagen: Dass wir in den vergangenen Jahrzehnten in einem Land gelebt haben, das große Herausforderungen hatte – und im Moment auch große Herausforderungen vor sich hat – und es (…) weitestgehend schafft, dieses friedlich und gerecht in unserer Gesellschaft zu organisieren. Und deswegen bin ich nach wie vor außerordentlich optimistisch, dass wir es schaffen, im Miteinander der Religionen eine Zukunft für dieses Land zu gestalten, und im Miteinander der Religionen auch mit denen, die keine Religion haben."