Journalistisches über rechtextremistische Ökos und völkische Siedler

Völkische Landnahme

Andrea Röpke und Andreas Speit, beide bekannte Fachjournalisten zum Rechtsextremismus, berichten in ihrem neuen Buch "Völkische Landnahme. Alte Sippen, junge Siedler, rechte Ökos" über die Instrumentalisierung des Naturschutzes und über völkische Siedler. Die Autoren zeichnen ein anschauliches Bild und machen mit Rückblenden immer wieder auf historische Kontinuitäten aufmerksam, wobei aber eine konkrete Einschätzung zu Bedeutung und Gefahrenpotential fehlt.

Wer im abgelegenen Ostdeutschland im ländlichen Raum unterwegs ist, kann dort mitunter ungewöhnliche Bewohner mit verwunderlichem Traditionsbewusstsein treffen. Was auf den ersten Blick wie esoterische Späthippies wirken mag, entpuppt sich dann womöglich als Familie völkischer Siedler.

Anders formuliert: Es gibt meist neonazistisch ausgerichtete Rechtsextremisten, die dort eine Art Gegengesellschaft in ihrem ideologischen Sinne etablieren wollen. Dies geht mitunter auch mit landwirtschaftlicher Arbeit einher, welche naturbelassen sein will und dabei ökologisch wirkt. Zunächst wirkt dies bei genauer Betrachtung erstaunlich, würde man derartige Phänomene doch politisch woanders verorten. Diese Fehlannahme ergibt sich dadurch, dass in Deutschland die Grünen den Umweltschutz politisch besetzt haben. Dabei handelt es sich um eine eher linke Partei. Ideengeschichtlich betrachtet war indessen die Ökologie eher ein rechtes Thema. Die Nationalsozialisten und die Naturschützer wiesen denn auch eine Reihe von Verbindungen auf.

Auf derartige Aktualitäten und Kontinuitäten machen Andrea Röpke und Andreas Speit, die beiden wohl bekanntesten Fachjournalisten zum Rechtsextremismus, aufmerksam. In ihrem neuen Buch "Völkische Landnahme. Alte Sippen, junge Siedler, rechte Ökos" gehen sie diesem Phänomen in gewohnter Weise nach. Ähnlich wie dieses Buch sind auch ihre vorherigen Bücher geprägt. Beide arbeiten die gemeinte Entwicklung anhand von konkreten Fällen auf und schildern diese in nachvollziehbarer Form und eingängiger Weise.

Die sieben Kapitel haben jeweils eigene Schwerpunkte und können insofern auch jeweils für sich zur Lektüre dienen. Darin geht es etwa um den "Freibund" als Jugendorganisation, die durch Fahrten als Freizeitangebote auf jüngere Menschen attraktiv wirkt. Auch wird an die verbotene "Heimattreue Deutsche Jugend" (HDJ) erinnert, nahm doch der heutige Brandenburger AfD-Vorsitzende Andreas Kalbitz 2007 an einem ihrer Pfingstlager teil. Fotos dokumentieren dies ebenso wie andere politischen Phänomene in diesem Zusammenhang.

Die Autoren widmen sich auch ausführlicher dem NPD-nahen Magazin "Umwelt & Aktiv", womit man auf eine Leserschaft innerhalb der Ökologiebewegung abzielt. Immerhin gelang es deren Herausgebern, bekannte Akteure aus der Natur- und Tierschutzszene dort zu veröffentlichen. Mal erklärt sich dies durch Geltungsdrang, mal durch Naivität, mal durch Unwissenheit. Es werden aber auch frühere Linke von Röpke und Speit genannt, welche dann zu Rechten über derartige Themen wurden. Außerdem  blicken sie immer wieder historisch zurück, um bestimmte Kontinuitäten hervorzuheben. So geht es in einem Kapitel um die Verstrickungen der Naturschutzbewegung mit dem Nationalsozialismus. Ob man dieses dann unbedingt "Grünes Auschwitz" überschreiben muss, ist sicherlich eine andere Frage. Aber deutlich wird bei derartigen historischen Exkursen, dass es hier entsprechende Anknüpfungspunkte und Gemeinsamkeiten gab und gibt. Darüber hinaus werden aktuelle Kontexte thematisiert, AfDler, Neue Rechte und NPDler tummeln sich hier mit.

Die Autoren erweisen sich auch in diesem Buch als gute Kenner der Materie. Bedauerlich ist aber auch hier wie ansonsten, dass die Informationen und Zitate nicht belegt werden. Dies findet wohl eine Erklärung darin, dass es sich um persönliche Eindrücke handelt, recherchieren doch Röpke und Speit häufig genug vor Ort. Beachtlich sind darüber hinaus die historischen Rückblenden, gab es die gemeinten Siedlungsbewegungen doch schon bei den Völkischen im Wilhelminischen Kaiserreich. Auch dies wird immer wieder anhand von Beispielen erläutert. Es geht auch um die Anastasia-Bewegung als neues Phänomen aus Russland. Bedauerlich ist indessen, dass die Bedeutung des Gemeinten unklar bleibt. Wie relevant sind die gemeinten Akteure? Inwiefern muss von einem Gefahrenpotential ausgegangen werden? Gibt es Einflussnahmeversuche auf die neue Klima- und Umweltbewegung? Oder handelt es sich eher um ein marginales Phänomen? Antworten auf solche Fragen wären noch wichtig gewesen.

Andrea Röpke/Andreas Speit, Völkische Landnahme. Alte Sippen, junge Siedler, rechte Ökos, Berlin 2019 (Ch. Links Verlag), 204 S., ISBN: 978-3-86153-986-5, 18,00 Euro