GQ-Test Christentum

Wer war die Nr. 42?

In dem Geschichtswerk Antiquitates Judaicae von Flavius Josephus wird ein Jesus, der Sohn des Damnaeus (des Verurteilten) genannt (AJ-B20K9-200), der im Jahre 62 zum Hohepriester ernannt wird, in Jerusalem in Straßenschlägereien verwickelt ist und gleich darauf wegen ungebührlichen Verhaltens für einen "Gesalbten" wieder degradiert wird (AJ-B20K9-212-213). Im gleichen Kapitel findet sich ein Hinweis auf Jesus, der Christus genannt wurde (AJ-B20K9-200). Es bleibt aber leider offen, ob es sich bei beiden um eine Person, um Verwandte oder um verschiedene Personen handelt.

In der Kriegschronik De Bello Judaico erwähnt Josephus weiterhin mehrere Hohepriester mit Namen Jesus, die sich während des Aufstandes in Jerusalem aufhielten. Interessant ist ein Hohepriester Jesus, der kurz vor dem Sturm Jerusalems durch Mithilfe von Josephus die Stadt verlassen darf (DBJ-B6K2-114). Mit ihm ziehen 9 von ehemals 12 Söhnen berühmter Männer in das Gebiet von Gophna nahe dem verlassenen Nazareth (DBJ-B6K2-115): ein Nazarener also.

In seiner Biographie erwähnt Josephus zudem drei Freunde, die er mit der Erlaubnis von Titus in der Nähe von Thekoa (nahe Bethlehem) vom Kreuz abnehmen darf. Einer steht wieder auf, zwei sterben an den Folgen der Kreuzigung (Vita 420-421). Szene und Namen finden sich in Mt 27, 57 wieder.

Dass Auferstehungen binnen drei Tagen für einen typischen judäischen Messias nicht originär christlich sind, belegen Texte aus der Zeitenwende (Knoll 2007). Kreuzigungen von Aufständischen, die an die Nr. 41 erinnerten, wird es unter Pilatus gegeben haben, und Vorbilder für einen Propheten (Nr. 77) sowie für einen judäischen "Christus" (Nr. 42), der dem Sohn des Aaron verpflichtet war, gab es genug in den Kriegswirren.

Prophet, Messias und Hohepriester-König

Für die Flavier sollte die Stern-Prophezeiung in den Evangelien so aussehen, dass sie als Messias den weltlichen Sieg errungen hätten und nun einem Hohepriester in Jerusalem das Zepter als Vasallenkönig übergeben könnten.

Für die gebildeten Juden, die auch die Spross-Prophezeiung mit den Sohn Aarons kannten, sollten sich die Evangelien so anhören, als ob sich mit Josephus alle Prophezeiungen vollenden würden und die Hasmonäer nun mit "Gottes Willen" auf den Thron kämen.

Für die Ungebildeten und die Anhänger der Judas-Sekte mit ihren Sikariern reichte die Info, dass ein Prophet und Kämpfer wohl dagewesen wäre und ein Sohn Gottes als Gott in Menschengestalt wiederkehren würde. Dies ersparte Diskussionen um weltliche Herrscher und Gottes Willen. Sie sollten eh vom Ölbaum „abgezweigt“ werden.

Die Flavier durchschauten nicht nur das Spiel der Herodianerin Berenike, die sich als Geliebte von Titus Hoffnungen auf den römischen Thron gemacht hatte, um eine Judäa-freundliche Politik zu betreiben. Sie trauten auch dem Hasmonäerprinzen ein Doppelspiel zu, denn letztendlich war eine Freiheit Judäas nur möglich, wenn Rom unterging.

Ob sie Josephus nicht in Judäa einsetzen wollten, da sie als Pontifex Maximus sowieso in Judäa die obersten Priester waren, oder ob Josephus als Hochverräter am eigenen Volk nicht nach Judäa zurückkehren konnte, muss offen bleiben. Der Autor rechnete jedenfalls zuerst mit einigen Judäern ab, die ihm im Wege standen.

Hochverrat

Die Apostelgeschichte wurde wahrscheinlich geschrieben, um ehemalige Feinde des Hasmonäers ans Messer zu liefern. Hier werden Personen und Parteien genannt sowie Strategien des Widerstandes und Zusammenhänge erklärt. Heidenmission war im ersten Jahrhundert ein wesentlicher Bestandteil der judäischen Strategie, um Puffer zu bilden und so die Schlagkraft der römischen Legionen beim Aufstand auf ganz Asia minor zu verteilen.

Die Ähnlichkeit der Reiseaktivitäten des Protagonisten Saulus/Paulus mit einem Herodianer namens Saulus ist frappierend (DBJ-B2K17-419-420). Der Romanheld Saulus hat nicht nur Kontakte zum Widerstand, er ist auch an dem Mord eines Stephanus beteiligt (Apg 8, 1; AJ-B20K5-113). Zudem scheint der Protagonist die Sonderrechte eines 00-Agenten zu besitzen, wenn er in Damaskus auf eigene Faust Christen verhaftet (Apg 9, 1-2).

Da er jedoch so nicht weiterkommt, wird Saulus zum Paulus und schleust sich in den Untergrund ein. Bei Jakobus, dem Oberbefehlshaber des Widerstandes und der Heidenmission, und bei vielen anderen Juden ist er nicht sonderlich gern gesehen (Apg 21, 18-24; Apg 23, 12-14). Ein Junge verrät ein Mordkomplott gegen ihn (Apg 23, 22) und Paulus kann sich nur durch den Schutz der Römer aus Jerusalem retten (Apg 21, 37-40; Apg 23, 19-22). Für wen waren diese Hintergrundinformationen über die Intrigen vor dem Krieg interessant?

Offenbarung

Als Domitian im Jahr 96 starb und Josephus immer noch nicht auf den Thron von Judäa beordert wurde, rechnet er in der Offenbarung auch mit den Flaviern ab. Auch sie ist als Prophezeiung zum Teil zurückdatiert, um auf die Zeit der Flavier hinzuweisen.

In ihr tritt zunächst der "Christus" (Nr. 42) auf und offenbart, was nach ihm geschehen wird. Dann übergibt er einem Johannes das Wort. Der Name erinnert an einen der beiden Führer des judäischen Aufstandes, der ebenfalls auf eine Insel verbannt wurde (Offb 1, 9; DBJ-B6K9-434).

Die Namen der Gemeinden weisen auf eine literarische Josephus-Permutation hin. Ein IQ-Test der Prometheus-Klasse, für den der sich traut. Diese sieben Gemeinden, die mit Sendschreiben versehen werden (Offb 2 + 3), kommen auch in den Antiquitates Judaicae von Flavius Josephus vor (AJ-B14K10). Marcus Antonius und Publius Dolabella schickten damals Schreiben an diese Gemeinden und sicherten ihnen Sonderrechte zu. Der Autor erinnert somit an die Freiheiten, die die Judäer wieder verloren, als sie mit den Falschen in Rom zusammenarbeiteten.

Die Beschreibung der Wesen (Offb 4) sowie das Essen der Buchrolle ist dem Buch Ezechiel entliehen (Ez 1-3). Mit diesem Jingle für Eingeweihte des Alten Testamentes erinnert der Autor daran, dass das Land Kanaan nach der Rückkehr aus der babylonischen Gefangenschaft unter den Israeliten neu aufgeteilt wurde. Wer wissen möchte, was die einzelnen Symbole bedeuten, kann im Buch Daniel nachschlagen. Hier finden sich Tiere und Hörner (Dan 7, 15ff), ein Drache (Dan 14, 23ff), ein Menschensohn (Dan 7, 13ff), das Thema Auferstehung (Dan 12), eine gejagte Jungfrau (Dan 13) sowie eine Offenbarung (Dan 10) erklärt.

Für gebildete Juden waren die Hinweise auf den Drachen mit seinen beiden Tieren daher unmissverständlich: der Zerstörer des zweiten Tempels – Titus – wird 666 Jahre (Offb 13, 18) nach der Zerstörung des ersten Jerusalemer Tempels zum Kaiser gekrönt. Als einziger römischer Herrscher, der einen Schlaganfall überlebte, wird Titus in der mystischen Umschreibung zum Tier, welches durch eine Kopfwunde tödlich verwundet und dennoch geheilt sein soll (Offb 13, 12). Titus übt seine Macht bereits unter den Augen von Vespasian aus und Domitian unter den Augen seines älteren Bruders Titus (Offb 12, 13). Zweimal Kaiser, wie "offenbart" (Offb 17, 8), war nur Domitian: einmal als Stellvertreter seines Vaters am Ende des Vierkaiserjahres 69, bis dieser im Jahr 70 aus Ägypten nach Rom kommen konnte, sowie nach dem Tode von Titus als regulärer Kaiser von 81 bis 96. Als einziger Flavier war er nicht nur Divus sondern sogar Deus, der falsche Gott der Anbetung. Als Zeitangabe nennt der Autor zusätzlich einen Feuerregen (Offb 13, 13). Für Zeitgenossen war dies das Ereignis des Jahrhunderts: der Ausbruch des Vesuv im Jahre 79. Und weil er sich gerne selbst zitiert, nennt Josephus die Namen der Könige (Offb 17, 9-11) in seiner Kriegschronik (DBJ-B6K10), denn es sind die bisherigen Eroberer Jerusalems.

Nach der Herrschaft des Drachen sollte der "Christus" des Krieges als Morgenstern wiederkehren (Offb 22, 16). Dieser Vorschlag wurde von Bar Kochba beherzigt.

Indizienbeweise?

Kirchenvertreter wussten schon immer, dass es sich bei den Evangelien um extrem widersprüchliche und in sich nicht konsistente "Zeugenaussagen" handelt. Warum wurden sie nicht künstlerisch "angeglichen"? Weil die Kirche diese IQ-Tests erhalten wollte? Weil die Schriften auf ihren Autor und dessen Absicht schließen lassen sollen?

Es sind nur Indizien, doch die Menge und die Plausibilität sind beredt. Wer hatte vor dem Krieg die Schriften für Khirbet Qumran mit den Prophezeiungen im Tempel vorliegen? Wer war in der Lage, das Neue Testament im Stil jüdischer Schriften zu verfassen? Ein Hohepriester. Wer konnte IQ-Tests und eine Permutation auf Prometheus-Niveau einbauen? Bauern und Zimmerleute wohl eher nicht. Wer wusste so detailliert über den Widerstand und die Machenschaften in Judäa Bescheid? Nur jemand, der einst im Hohen Rat war. Wer konnte die Kriegsereignisse in identischer chronologischer Reihenfolge mit wichtigen Details für die Judäer wiedergeben? Nur ein Judäer, der im römischen Generalsstab den gesamten Feldzug mitbekommen hatte. Wer hatte Grund, den Widerstand in der Apostelgeschichte zu verraten? Nur jemand, der selber in Judäa herrschen wollte. Warum wurden die Flavier so deutlich als Hauptfeinde in der Offenbarung dargestellt? Wer fühlte sich in Rom wie die israelitische Führungsschicht einst in Babylon? Es spricht einiges für Flavius Josephus als Leitautoren, denn die Schriften hatten nur einen Grund: Gerüchte zu streuen und Erwartungen zu wecken, um römische und judäische Politik zu betreiben.


Literatur
Atwill, Joseph: Das Messias Rätsel. Die Geheimsache Jesus. Allegria, Berlin 2008.
Eisenman, Robert & Wise, Michael: Jesus und die Urchristen. Die Qumran-Rollen entschlüsselt. C. Bertelsmann Verlag, München 1993.
Josephus, Flavius: Antiquitates Judaicae.
Josephus, Flavius: Contra Apionem.
Josephus, Flavius: De Bello Judaico.
Josephus, Flavius: Vita.