Kommentar

Warum die Theologie keine Wissenschaft ist

Die Bedingung der Möglichkeit

Manche Theologen/innen haben eingesehen, dass sich auf Dauer der grösste Teil der theologischen Aussagen über die Wirklichkeit nicht gegen die Naturwissenschaften verteidigen lässt. Aus diesem Grund versucht man nun, die Grundlage des Glaubens in einer anderen Art der Erkenntnis zu verankern. Das Zauberwort ist "die Bedingung der Möglichkeit". Hier ein Beispiel aus dem Lehrbuch "Einführung in die Systematische Theologie" von Klaus von Stosch, S. 233): 

Gottes Geist als Erkenntnisquelle und Kraft zur Wandlung: Das Handeln Gottes im Geist ist zunächst einmal die Bedingung der Möglichkeit dafür, dass das göttliche Zusagewort im Logos überhaupt vom Menschen verstanden werden kann. Denn allein das Unbedingte selbst (Gott als Geist) kann ein Verstehen und Erkennen des Unbedingten (Gott als Logos) ermöglichen.

Der Begriff "Bedingung der Möglichkeit" wurde von Immanuel Kant eingeführt in Zusammenhang mit seiner Untersuchung, welche Vorbedingungen im menschlichen Geist gegeben sein müssen, um überhaupt zu Erkenntnissen zu kommen. Kant sah hier insbesondere die Vorstellungen von Zeit und Raum als Vorbedingungen an. Ohne Zeit gibt es keine Ereignisse und ohne die Vorstellung von Raum können wir keine räumlich ausgedehnten Dinge erkennen.Wie das obige Zitat zeigt, gilt offenbar nach Ansicht der Theologen/innen Ähnliches für die Erkenntnis von Glaubensgrundsätzen. Die Vorbedingung ist hier, dass Gottes Geist in unseren Gehirnen wirkt und nur wenn das der Fall ist, können wir sie erkennen und verstehen. Anscheinend macht Gott aber einen großen Bogen um die Gehirne der Naturwissenschaftler/innen oder aber ihnen fehlt ein wichtiges Organ im Gehirn, so eine Art "Gottesmodul".

Nach Kant ist der Mensch durchaus in der Lage, Wahrheiten zu erkennen, die außerhalb der sinnlichen Erfahrung liegen. Ein Beispiel dazu ist die Mathematik. Mit der Vorbedingung der Anschauung von Raum und Menge kann man Axiome definieren, die von unserer Vernunft als unmittelbar einsichtig eingestuft werden und daher nicht weiter begründet werden müssen. Innerhalb dieser Axiomensysteme können wir dann absolute Wahrheiten erkennen und sie in mathematische Sätze kleiden. Dies wird nun häufig als Argument von den Theologen/innen gebraucht, um darzustellen, dass unsere Vernunft nach dem gleichen Verfahren in der Lage sei, auch göttliche Wahrheiten zu erkennen. Was dabei übersehen wird, ist die Tatsache, dass sich die Wahrheiten der Mathematik ausschließlich auf das jeweilige Axiomensystem beziehen. Inwiefern diese Wahrheiten auf die Realität angewendet werden können, entscheiden die Naturwissenschaften. 

Man kann sich grundsätzlich die Realitäten der Außenwelt nicht nur einfach ausdenken, sondern man muss sie empirisch erfahren und überprüfen. Man kann sich Hypothesen bzw. Erklärungsmodelle ausdenken. Inwieweit sie zutreffen, entscheidet aber ausschließlich die Empirie. Hypothesen über die Realität die nicht überprüfbar sind (z.B. Gotteshypothesen), sind völlig wertlos, weil sie keine Aussagekraft haben. Ein nur gedachter Gott kann auf die Realitäten keinen unmittelbaren Einfluss nehmen. Die Natur bzw. die Realitäten der Außenwelt richten sich nicht nach unserer Vorstellungskraft und schon gar nicht nach unseren Wünschen. Eine so wenig anschauliche Theorie wie die Quantentheorie hätte man sich z.B. ohne den Druck der Messergebnisse unmöglich am grünen Tisch ausdenken können.

Gott als Lückenfüller

Da wir noch nicht über eine Theorie von Allem verfügen und es insbesondere im Bereich der Quantenphysik und der Kosmologie noch viele offene Fragen gibt, ergeben sich Bereiche, die im Moment nur hypothetische Erklärungen erlauben. Den Vorwurf des Füllens dieser Lücken, die erfahrungsgemäß mit fortschreitender Forschung immer kleiner werden, entgegnen die Verfechter/innen der Theologie mit dem Argument, dass es insbesondere in der physikalischen Grundlagenforschung Bereiche gibt, die nicht einfach nur Lücken sind, sondern die das Fundament der gesamten Naturwissenschaften bilden. Des Weiteren stellt sich hier die Frage, ob nicht schon jetzt die Physik im Bereich der Quantentheorie an Grenzen stößt, die prinzipiell nicht überwunden werden können. Der Astrophysiker Lawrence M.Krauss hat die Problematik mit dem folgenden Zitat auf den Punkt gebracht: "Das Fehlen von Verständnis für etwas ist kein Beweis für Gott, es ist ein Beweis für das Fehlen von Verständnis."

Der Unterschied zwischen den Naturwissenschaften und der Theologie ist, dass offene Fragen und alternative Erklärungsvorschläge in den Naturwissenschaften beantwortet und entschieden werden können. Alte Konzepte (wie z.B. der Äther in der Physik und die Lebenskraft in der Biologie) werden über Bord geworfen, wenn sie sich als untauglich erweisen. In der Theologie aber gibt es keinen wirklichen Fortschritt. Das Einzige was man notgedrungen aufgrund des enormen Druckes von Seiten der Naturwissenschaften unternimmt, ist der Versuch, sich durch geschickte Uminterpretationen der Bibel und der Glaubensgrundsätze zu immunisieren. Unsere Wissenschaftsgeschichte hat aber gezeigt, dass sich mystische Erklärungen von Naturphänomenen auf die Dauer immer als falsch herausgestellt haben. Dennoch hält die Theologie z.B. noch immer am Leib-Seele Dualismus fest, weil ansonsten ihr Menschenbild und damit ihre gesamte Grundlage in sich zusammenbrächen.

Der fehlende Bezug zur Realität und die mangelnde Überprüfbarkeit führen zu einer Beliebigkeit der Religionen. So gibt es eine Vielzahl von unterschiedlichen Religionen, von denen jede von sich behauptet, die einzig wahre zu sein. Es kann aber nur eine Wahrheit geben und daher kann nur höchstens eine Religion die einzig wahre sein. Wenn man sich nun für eine Religion entscheidet, so ist die Wahrscheinlichkeit die richtige (sofern es sie überhaupt gibt) zu treffen, der Kehrwert der Zahl der Religionen und damit äußerst gering. Gerade die Vielzahl und die Beliebigkeit der Religionen zeigen im Umkehrschluss, dass sie mit Wahrheit und Realität nichts zu tun haben können.

Fazit

Zusammenfassend können wir feststellen, dass die Theologie zwar durchaus in der Lage ist, Hypothesen über die Wirklichkeit aufzustellen, die Entscheidung aber, inwieweit diese die Wirklichkeit zutreffend beschreiben, fällen die Naturwissenschaften. Sofern sich die Vertreter/innen der Theologie den strengen Prüfkriterien der Naturwissenschaften unterwerfen, muss man ihre Beiträge durchaus ernst nehmen. Jenseits der Kriterien befindet man sich aber im Bereich der reinen Esoterik. Teile der Wirklichkeit, die den Naturwissenschaften womöglich für immer verborgen bleiben, können auch Theologie und Metaphysik nicht ergründen, denn sie verfügen nicht über andere oder gar bessere Erkenntnismethoden. Wir können also an dieser Stelle festhalten, dass die Naturwissenschaften (noch?) nicht alles erklären können, die Theologie dagegen kann überhaupt nichts erklären.

Einige Religionsvertreter/innen sehen, nicht zu unrecht, aufgrund dieser eigenen schwachen Position die wissenschaftliche Bildung generell als ernstzunehmende Gefahr für den Glauben. So sagte Kardinal Ratzinger, der spätere Papst Benedikt XVI in einer Predigt am 31.12.1979: "Der christliche Gläubige ist eine einfache Person. Aufgabe der Bischöfe ist es deshalb, den Glauben dieser kleinen Leute vor dem Einfluss der Intellektuellen zu bewahren" (zitiert nach John L.Allen, Joseph Ratzinger, 2002).  

Wer Bildung als Gefahr einstuft, hat sich als Wissenschaftler selbst disqualifiziert. Was wir an unseren Universitäten brauchen, sind die Vermittlung von Erkenntnismethoden und Wissen, aber nicht von unhaltbaren und völlig unbewiesenen Glaubensinhalten. Daher hat die Theologie nichts mehr an den Universitäten zu suchen! Daneben sollte auch die Ausbildung von Religionslehrern/innen nicht mehr vom Staat finanziert werden, denn der konfessionelle Religionsunterricht ist bestenfalls eine Märchenstunde und schlimmstenfalls religiöse Indoktrination und Erziehung zur Ab- und Ausgrenzung.