Die Trennung von Kirche und Staat ist ein Postulat, das wohl eine Mehrheit der schweizer Bevölkerung befürwortet. Dahinter steckt die Überzeugung, dass spirituelle und alltägliche (säkulare) Bereiche zwei verschiedene Sphären oder Welten sind, die sich nicht allzu stark überschneiden sollten. Im Alltag sieht das jedoch anders aus.
Bei der Alltagsrealität geht es darum, das Leben zu meistern und die Existenz zu sichern. Die Spiritualität betrifft religiöse, geistige und übersinnliche Phänomene. Deshalb ist es nur konsequent, dass sich der Staat nicht in unproblematische religiöse Belange einmischt. Im Gegenzug sollten sich Sekten und Glaubensgemeinschaften zurückhalten, was das säkulare Leben ihrer Anhänger und Mitglieder betrifft. Doch hier hapert es bei vielen religiösen Gruppen, die dogmatisch unterwegs sind. Ein paar Beispiele, die zeigen, dass sie sich tief in den Alltag und in die individuellen Freiheiten der Gläubigen einmischen.
In Freikirchen mussten Frauen bis in die Neuzeit hinein in "Sack und Asche" durchs Leben gehen und dunkle, lange Kleider und hochgesteckte Haare tragen. Alles, was nach Lebensfreude oder weiblicher Ausstrahlung roch, wurde abgewürgt. Zucht und Ordnung war das Lebensmotto. In abgeschwächter Form ist dies heute noch so.
Auch die orthodoxen Juden kennen strenge Dresscodes. Die Männer gehen selbst bei 35 Grad mit schwarzen Hüten und langen schwarzen Mänteln auf die Straße. Die Frauen werden vom Glauben her gezwungen, eine Perücke zu tragen. Die Männer "schmücken" sich, die Frauen müssen sich hinter künstlichen Haaren verstecken.
Kleiderzwänge in islamistischen Milieus
In islamistischen Milieus werden Kleiderzwänge heute noch in extremer Weise praktiziert. Stichworte: Burka und Niqab.
Die sexuelle Unterdrückung ist ein beliebtes Mittel, um Gläubige zu disziplinieren und indoktrinieren, obwohl die Sexualität nur am Rand mit dem Glauben zu tun hat. Vielmehr greifen dogmatische Religionsgemeinschaften im intimsten Lebensbereich in die persönlichen Freiheiten ein. Die Integrität wird massiv tangiert. Die Religionsführer ertragen es schlecht, dass die Sexualität oft eine stärkere Kraft ist als der Glaube.
In Freikirchen ist zum Beispiel Sex vor der Ehe eine Sünde, Homosexuelle werden oft als Menschen zweiter Klasse angesehen, die man "umpolen" will.
Sex nur zur Weitergabe des Lebens
Auch die katholische Kirche mischt sich massiv in die säkularen Bereiche der Gläubigen ein: Pille, Kondome, Abtreibung und Sterilisation sind quasi verboten. Außerdem leben Geschiedene und Widerverheiratete in einer "irregulären Situation" (Bischof Vitus Huonder). Sie dürfen nicht mehr an der Kommunion teilnehmen und werden für ihre säkularen Entscheide mit religiösen Sanktionen belegt.
Die katholische Kirche versucht sogar, das Sexualleben der Gläubigen zu reglementieren und einzuschränken. In der Enzyklika "Humanae vitae" heißt es, "dass jeder einzelne eheliche Akt nur dann sittlich gut ist, wenn er für die Weitergabe des Lebens offen bleibt".
Gläubige sollen nur bekehrte Partner heiraten
In Freikirchen wird sogar erwartet, dass junge Gläubige ebenfalls bekehrte Partner heiraten. Damit soll verhindert werden, dass die Gläubigen in den Einflussbereich von Ungläubigen kommen und allenfalls vom Glauben abfallen. Außerdem soll sichergestellt werden, dass die Eltern ihre Kinder im "richtigen Glauben" erziehen.
Noch radikaler sind Sekten, die den Kontaktabbruch mit Angehörigen verlangen. Scientology macht Druck auf ihre Mitglieder, wenn die Eltern oder Partner sich gegen die amerikanische Pseudokirche wehren und sie als Sekte bezeichnen. Die Zeugen Jehovas verlangen sogar, Abtrünnige zu meiden, selbst wenn es sich um einen Partner oder um die eigenen Kinder handelt.
Der Grund, weshalb sich Sekten und radikale Glaubensgemeinschaften in den säkularen Alltag der Anhänger und Gläubigen einmischen, ist einfach: Es geht um Macht und Kontrolle in allen Lebensbereichen. Um die Abhängigkeit zu verstärken, wird die Indoktrination auf das säkulare Leben ausgeweitet.
Übernahme mit freundlicher Genehmigung von watson.ch.