Weitergehende Gedanken zur Präsidentenwahl in Österreich

Wir sind noch einmal davongekommen

parlament_wien.jpg

Das Parlamentsgebäude in Wien
Das Parlamentsgebäude in Wien

BERLIN. (hpd) Die Wahl von Alexander Van der Bellen zum österreichischen Bundespräsidenten ist ein bedeutendes Signal der Weltoffenheit, Aufklärung und der eher selten gewordenen Vernunft gegen Fremdenhass und Kleingeisterei. Mit der Zufriedenheit über dieses knappe Ergebnis ist es aber nicht getan. Der rechte Kandidat Norbert Hofer von der FPÖ hat mit fast 50 Prozent der Stimmen das rechtspopulistische Lager in Europa beflügelt.

Obwohl die AfD in Deutschland deutlich schwächer ist als deren Kumpane in anderen Ländern besteht auch hierzulande kein Grund zur falschen Beruhigung. Die Suche nach einer vernünftigen Strategie gegen den wachsenden Rechtspopulismus kommt nicht wirklich voran. Sie ähnelt oftmals mehr an Selbstbeschwörungsrituale denn an Erfolg versprechende politische Planung. Mit bisweilen doch recht abgestandenen Antifa-Parolen und einer pauschalen Stigmatisierung ganzer Bevölkerungsgruppen kommen wir jedenfalls nicht weiter. Geht es hier so weiter, drohen uns Verhältnisse wie in Österreich und Frankreich, wo die Rechte an der Schwelle zur Machtübernahme steht.

Besorgniserregend für die aktuelle Situation ist der eklatante Mangel an derartigen politischen Konzepten und das weitgehende Fehlen einer vertieften gesellschaftliche Debatten über die Lösung dieser Probleme. Statt über politische Zukunftskonzepte zu streiten, verlagert sich die Auseinandersetzung ausgerechnet auf das Gebiet der religiösen Gegensätze aus der Zeit der Kreuzzüge. Feindbilder werden dort gesucht (und gefunden), wo wir sie nach der Entwicklung vor allem in den 70er und 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts nicht mehr vermutet hätten: Aufklärung ade!

Die Parteien im Bundestag müssen konzeptionell besser arbeiten. Ein Beispiel: Wer 40 Jahre Rentenbeiträge auf der Höhe des Mindestlohns einzahlt, um dann genau so viel Rente zu bekommen wie ein lebenslang von Transferleistungen Abhängiger, ist über die Politik erbittert und sucht klare und einfache Lösungen. Die findet er in der Rumpelkammer für alte neue und alte Feindbilder. Mit dem viel beschworenen besseren "Zuhören" und der Formel von "mehr demokratischer Beteiligung" ist es hier allerdings nicht getan. Wer sich am lautesten bemerkbar macht und eigene Interessen als Gemeinwohl verkauft, ist oftmals ein eher falscher Ratgeber. Auch bestimmte basisdemokratische Illusionen stoßen hier schnell an ihre Grenzen. Mit dem Schleppnetz durch die Ortsverbände der Parteien zu wandeln und dabei die richtigen Konzepte abzufischen, wird mangels Fangmasse nicht gelingen. Das demokratische Lager muss vielmehr seine professionellen Ressourcen besser nutzen und endlich durchdachte und überzeugende Antworten finden auf die existentiellen Fragen und Nöte vieler Menschen im Lande.

Der Legitimationsverfall der alten politischen Eliten – zu denen so langsam auch die Grünen gehören – kann nur aufgehalten werden, wenn wir die Leute in ihren Sorgen und Nöten wirklich aufgreifen und mit den therapeutischen Phrasen aufhören "Wir nehmen die Besorgnisse ernst". Es muss Schluss sein mit dem unseligen Wegdefinieren von Problemen und der medialen Vernebelung bei der Bezeichnung von Ross und Reitern. Das stiftet noch mehr Misstrauen und stärkt diejenigen, die schon immer wussten, was sie unter "Recht und Ordnung" verstehen wollen.

Es sind im Übrigen auch nicht alle böse Faschisten, die ein Problem haben mit anderen Kulturen und Religionen, mit der Gleichstellung der Geschlechter und den Rechten von Minderheiten. Wir haben es oftmals mit Menschen zu tun, die sich mit ihren Familien eher mühsam durch den Alltag schlagen, Angst vor Globalisierung uns sozialem Abstieg haben und an denen die gesellschaftspolitische Entwicklung der vergangenen Jahre und Jahrzehnte vorbeigegangen ist. Da genügt es eben nicht zu sagen: "Eigentlich habt ihr nichts gegen Muslime, eigentlich wollt Ihr keine Moschee und kein Flüchtlingsheim verhindern. Euch als kleinen Leuten verheißen wir mehr soziale Gerechtigkeit und andere Wohltaten. Wir (Linken) wissen ohnehin besser als Ihr selbst, was gut für Euch ist."

Österreich hat gezeigt, dass sich Kämpfen lohnt. Der rechte Durchmarsch ist noch aufzuhalten, wenn wie als Demokraten vernünftig, überzeugt und überzeugend die Probleme angehen und den richtigen Ton in der gesellschaftspolitischen Diskussion finden. Wir müssen beharrlich für die Freiheit werben; nur so können wir sie verteidigen. Wir müssen dazu stehen, dass die Globalisierung einer Exportnation auch einige Schwierigkeiten und Unbequemlichkeiten bringt. Eine Abschottungspolitik a la Petry ginge aber gerade zu Lasten der einfachen Menschen mit ihren kleineren bis mittleren Einkommen. Sie würden verarmen und die Armen von heute würden letztlich noch ärmer. Die international verflochtenen Konzerne hingegen könnten ausweichen, sich neu aufstellen und die Reichen noch reicher machen.