BONN. (hpd) Der von der Tierärztin Corina Gericke verfasste Band "Was Sie schon immer über Tierversuche wissen wollten. Ein Blick hinter die Kulissen" enthält Antworten auf 80 Fragen, welche die ethische Begründung und den medizinischen Nutzen von Tierversuchen in Zweifel ziehen. Auf engem Raum werden relevante Fragen angesprochen und tragfähige Gegenargumente genannt, welche die Anhänger von Tierversuchen in Legitimationsnotwenigkeit bringen.
Die Debatte um die Frage, ob Tierversuche für die medizinische Forschung notwendig und nützlich sind, wird kontrovers und polarisiert geführt. Die Anhänger sehen solche als unabdingbar notwendig an, um die Gesundheit der Menschen zu fördern und zu schützen. Die Gegner manchen mit dramatischen Bildern darauf aufmerksam, dass Tierversuche mit Leiden, Schmerzen und Tod von Lebewesen verbunden sind. Zum Thema erschien jetzt in 3. Auflage das Buch "Was Sie schon immer über Tierversuche wissen wollten. Ein Blick hinter die Kulissen".
Die Autorin Corina Gericke ist promovierte Tierärztin und im Vorstand von "Ärzte gegen Tierversuche" tätig. Damit wird bereits deutlich, dass es sich hier nicht um ein neutrales, sondern parteiisches Buch handelt. Es enthält 80 Fragen zum Thema, die von der Autorin beantwortet werden. Dabei setzt sie sich insbesondere mit den Aussagen der Anhänger von Tierversuchen auseinander. Insofern kann man den Band auch je nach persönlicher Interessenlage wie ein Nachschlagewerk lesen.
Am Beginn stehen allgemeine Aussagen etwa zu dem Ausmaß von Tierversuchen oder der Auswahl von Tieren, zur Definition von Grundlagenforschung und den Schmerzen von Tieren. Gericke betont hierbei einen wichtigen Gesichtspunkt, nämlich den Unterschied von Mensch und Tier. Was sich etwa bei Tierversuchen als nützlich herausgestellt hat, kann sehr wohl dem Menschen schaden: "Kein Tierversuch kann den Menschen vor den Wirkungen schädlicher Stoffe schützen. Der Tierversuch täuscht eine Sicherheit vor, die es letztlich nicht gibt. (…) Die vielfältigen Bedingungen, die zur Entstehung einer Krankheit beim Menschen führen, können im Tierversuch nicht nachgeahmt werden" (S. 31). Diesen Einwand wiederholt die Autorin noch häufiger, steht damit doch der Nutzen von Tierversuchen grundsätzlich im Zweifel. Danach geht es um die ethische Frage, denn Tiere können sehr wohl Leiden und Schmerz empfinden. Darf man sie daher solchen Tests und Versuchen aussetzen? Wie lässt sich dies legitimieren – außer mit "Gewohnheit" und "Macht"?
Im folgenden Abschnitt geht Gericke erneut auf den Nutzen von Tierversuchen ein. Dazu heißt es: "Seit Jahrzehnten wird unter immensem Aufwand an Milliarden von Tieren geforscht. Das Ergebnis ist bislang eher dürftig. (…) Natürlich sind auch einzelne Fortschritte erzielt worden. Diese stehen jedoch in keinem akzeptablen Verhältnis zum jahrzehntelangen Aufwand. Vor allem sind sie aber nicht zwangsläufig auf die tierexperimentelle Forschung zurückzuführen" (S. 56). Die Leistungsbilanz in dieser Frage scheint in der Tat eher gering zu sein. Mitunter gibt es für die Autorin auch Fehlwahrnehmungen von Erfolgen, denn: "Wichtige Fortschritte in der AIDS-Forschung beruhen nicht auf Tierversuchen, sondern auf Erkenntnissen aus der Infektions- und Seuchenlehre, auf der klinischen Beobachtung von Patienten und auf Studien mit Zellkulturen" (S. 69). Gegen Ende nennt sie eine Fülle von Alternativen von bildgebende Verfahren und Computertechniken über Epidemiologie und In-vitro-Methoden bis zu Microdosing und Toxikogenomik.
Auch wenn sich im Anhang erschreckende Fotos von gequälten Tieren bei Versuchen zeigen, setzt Gericke keineswegs primär auf derartige Schockwirkungen. Mit guten Gründen kann sie an dem Nutzen von Tierversuchen zweifeln und deren Sicherheitssuggestionen kritisieren. Demgegenüber finden ethische Argumente eher geringere Aufmerksamkeit, was sich aber sicherlich durch die Berufsperspektive der Autorin erklärt. Wer nach guten Argumenten gegen Tierversuche auf engem Raum sucht, der wird hier gut fündig. In der Tat sind die Einwände gegen den angeblichen Nutzen für die Auseinandersetzung sicherlich die tragfähigsten Einwände. Denn die Anhänger von Tierversuchen müssten belegen können, dass ihre für Forschungszwecke erfolgten Praktiken tatsächlich wichtige Ergebnisse gebracht haben. Daran mangelt es! Insofern stehen sie nicht nur aus ethischen Gründen in der Legitimationsnotwendigkeit. Nur kurz geht Gericke auf die Frage "Warum werden Tierversuche (trotzdem) gemacht?" ein. Hierzu hätte man gern noch etwas mehr gelesen.
Corina Gericke, Was sie schon immer über Tierversuche wissen wollten. Ein Blick hinter die Kulissen, 3. Auflage, Göttingen 2015 (Echo-Verlag), 127 S., ISBN 978–3–926914–58–3, 9,80 Euro
6 Kommentare
Kommentare
Kay Krause am Permanenter Link
Ab dem Zeitpunkt der Kenntnis, dass diese Tierversuche noch nie relevante Ergebnisse gebracht haben, handelt es sich dabei nicht mehr nur um "Macht und Gewohnheit", wie Frau Gericke in Frage stellt, sondern
meinen Unterhalt damit zu verdienen, täglich zu sogenannten Forschungszwecken Tiere zu quälen und zu töten.
Sadismus ist menschlich! Tieren ist dieses Verhalten unbekannt!
Petra Winkler am Permanenter Link
Ethischen Argumenten muss Frau Gericke in ihrem Buch keine große Aufmerksamkeit widmen; auf die Ethikfrage kann es nur eine Antwort geben.
pavlovic am Permanenter Link
Sehr schöner Artikel der zeigt wie schlimm es um die Forschungs-Nutzung von Lebewesen geht. Tierversuchsgegner könnten im privaten Bereich die Haltung von Haustieren meiden.
Lars Dittrich am Permanenter Link
Das Buch von Frau Gericke ist voller manipulativer Halbwahrheiten und nur geeignet für Leser, die keine Information, sondern die Bestätigung einer vorgefassten Meinung haben wollen.
"Natürlich sind auch einzelne Fortschritte erzielt worden. Diese stehen jedoch in keinem akzeptablen Verhältnis zum jahrzehntelangen Aufwand." Eine Plattitüde, die für den Leser völlig unüberprüfbar bleibt. Allein die Polioimpfung hat hunderttausende Menschenleben gerettet. Aids und verschiedene Krebsarten sind vom sicheren Todesurteil zu gut kontrollierbaren Krankheiten mit niedriger Sterberate geworden. Ja, Dank Tierversuchen, wie die Entwickler dieser Behandlungen höchstselbst mehrfach wiederholt haben.
"Kein Tierversuch kann den Menschen vor den Wirkungen schädlicher Stoffe schützen". Im Buch erweckt Gericke hier den Eindruck, Medikamente würden zum Verkauf zugelassen, wenn sie nur für Tiere ungiftig wären, und nennt sogar Lipobay und Vioxx als Beispiele. Das ist ein klassisches Strohmann-Argument. Denn Medikamententests in Tieren dienen lediglich dazu zu testen, ob ein Medikament ungiftig genug ist, an freiwilligen Versuchspersonen getestet zu werden. Erst nach jahrelangen Tests an Menschen kann ein neues Medikament auf den Markt kommen. Niemand käme auf die Idee, ein neues Medikament zuzulassen, nur weil die Tierversuche vielversprechend aussehen. Natürlich weiß Frau Gericke das alles. Warum werden diese Aussagen (trotzdem) gemacht? Wie bei der Frage "Warum werden Tierversuche (trotzdem) gemacht?" bleibt Frau Gericke dem Leser hier eine befriedigende Antwort schuldig.
SHbiologist am Permanenter Link
Vielen Dank Lars Dittrich. Es ist leider oft schon nicht mehr möglich über diese Themen eine halbwegs differenzierte Debatte zu führen. Vielen Dank also für den Versuch dieser Seite eine Stimme zu geben.
danneu am Permanenter Link
Wie war das doch gleich mit dem Todesfall in Frankreich?! Oder in Grossbritannien?!
Die Tiere sind NICHT unser Eigentum und wir können nicht uber sie verfügen.