Kommentar nach den Landtagswahlen

Der Riss durch das Land ist sichtbar geworden

BERLIN. (hpd) Der Schock sitzt tief. So titelt heute morgen eine Berliner Zeitung. Politiker aller Parteien zeigen sich vom Abschneiden der "Alternative für Deutschland" (AfD) bei den gestrigen Landtagswahlen entsetzt. Dabei waren es insbesondere die Unentschlossenheit, der Streit und die Richtungslosigkeit der Regierungen in den letzten Jahren, die diesen Aufstieg erst ermöglichten.

Wo eine Seehofer-CSU von "Obergrenzen" und hermetisch abzuriegelnden Grenzen schwafelt, ist es nur ein kurzer Weg zum Schießbefehl gegen Frauen und Kinder, wie ihn die AfD-Frontfrau von Storch forderte. Wenn sich die SPD-Führung innerhalb einer Woche dreimal widerspricht, wie man auf die Flüchtlingswelle reagieren soll; wenn versucht wird, es allen Recht zu machen, dann muss man sich nicht wundern, wenn man bei einer Wahl eine solche Klatsche bekommt. Und wenn die Kandidaten der CDU für den Posten des Ministerpräsidenten sich gegen die (fast) unanfechtbare Kanzlerin stellen und einen Wahlkampf gegen die CDU-Chefin machen, auch dann wundert nicht, dass es dafür die Quittung in den Wahlkabinen gab.

Besonders erstaunlich ist, dass das gestrige Wahlergebnis den (bisherigen) Aussagen der Wahl- und Demokratieforscher entgegensteht. Hieß es doch immer: "Eine hohe Wahlbeteiligung verhindert das Erstarken von Parteien mit Aussenseiterpositionen" so wurde das gestern ad absurdum geführt. Denn bei allen drei Landtagswahlen holte die AfD vor allem auch Stimmen von den Nichtwählern. Zwar nur zwischen 4 bis 5 Prozentpunkte. Aber immerhin gelang es der rechtspopulistischen Partei, die Wahlbeteiligung – entgegen dem bundesweiten Trend – anzuheben.

Allerdings war das Abschneiden der AfD voraussehbar; wenn auch nicht in dieser Höhe und Deutlichkeit. In Sachsen-Anhalt wurden die Rechtspopulisten unter der Führung von André Poggenburg, der als "Rechtsaußen" in der AfD gilt und ein enger Vertrauter des auch in der AfD umstrittenen Hardliners Björn Höcke ist, die zweitstärkste Kraft. Daran zeigt sich auch, dass die AfD die Stimmen bei den Landtagswahlen nicht wegen ihrer Aussagen zur Landespolitik erhielten, sondern die Bundespolitik die Wahlkämpfe beherrschte. Insbesondere das Thema "Flüchtlinge" prägte die Wahlkämpfe und nun auch die Wahlergebnisse.

Nach diesen drei Landtagswahlen sind zwei Dinge festzuhalten:
1. Die Parteienlandschaft hat sich verändert. Die bisher gängigen Koalitionen werden nicht mehr wie bisher bestehen (können). Es müssen mit dem Auftreten der neuen Partei in den Landtagen neue Koalitionen gedacht werden, da die bisherigen aufgrund der herben Verluste der Juniorpartner nicht mehr möglich sind. Das zeigt sich besonders deutlich in Baden-Württemberg, wo die Grünen einen historischen Wahlsieg verbuchten und gleichzeitig der bisherige Koalitionspartner SPD mehr als 10 Prozentpunkte – und damit 16 Sitze im Landtag – verlor.
2. Es war auch vor der Wahl schon klar, dass die populistischen Parolen der AfD von einem Teil der Bevölkerung mitgetragen werden; dass die einfachen "Lösungen", die die Partei anbietet, einen Teil der Wähler erreicht. Nun jedoch läßt sich die Hoffnung auf einfache "Lösungen" auch in Zahlen ausdrücken. 15,1 Prozentpunkte in Baden-Württemberg, 12,6 in Rheinland-Pfalz und sogar 24,2 Prozentpunkte in Sachsen-Anhalt. Allerdings – und hier ist Ursula von der Leyen (gestern bei Anne Will) zuzustimmen – muss sich nun die AfD an ihren Taten und nicht mehr nur an ihren Worten messen lassen. "Die Zeiten, wo Sie sagen können, ich bin auf der Maus ausgerutscht, sind vorbei" sagte von der Leyen gestern Abend zu Beatrix von Storch. "Von jetzt ab gibt es keine 'Lügenpresse' mehr, sondern Landtagsprotokolle."

Klar ist aber auch, dass sich die Bundespolitik auf einen gemeinsamen Kurs in der Flüchtlingsfrage einigen muss. Die große Mehrheit der Bevölkerung – auch das zeigt das Wahlergebnis – möchte eine europäische Lösung des Problems; ganz so, wie es die Bundeskanzlerin anstrebt. Nur die CSU setzt auf Populismus (was die AfD stark machte, wie man den Umfragen entnehmen konnte) und fordert eine Abschottung und das Wegsehen vor dem Elend der Flüchtlinge. Die CDU wäre deshalb gut beraten, sich deutlich von der bayerischen Schwesterpartei zu distanzieren.

Interessant wird in den nächsten Wochen, welche Koalitionen sich in den drei Bundesländern ergeben werden; klar ist nur, dass keine der Parteien mit der AfD koalieren wird. Die Kanzlerin hat bislang noch keine Stellung bezogen. Doch das kennt man von ihr: sie wird erst etwas sagen, wenn alles geklärt ist.

Ergebnisse der Landtagswahlen am 13.3.2016
Ergebnisse der Landtagswahlen am 13.3.2016 (Quelle: Rosa-Luxemburg-Stiftung)