Wahlprüfsteine des Säkularen Netzwerks NRW zur Landtagswahl 2022

Haben die Parteien Antworten auf die Säkularisierung?

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Am Sonntag wird in Nordrhein-Westfalen ein neuer Landtag gewählt. Das Säkulare Netzwerk NRW hat verschiedenen Parteien vorab Fragen zu unterschiedlichen Themen zugesandt, deren Beantwortung Wähler*innen, denen die Trennung von Staat und Religion ein Anliegen ist, Orientierung bei der Wahlentscheidung bieten kann. Der hpd veröffentlicht die Antworten der Parteien im Wortlaut.

1. Ethikunterricht

Wie stehen Sie zur Einführung des Fachs Ethik/Religionskunde ab der 1. Klasse, in dem die Schüler*innen nicht übereinander, sondern miteinander über Werte sprechen (ggf. ergänzt durch freiwilligen Religionsunterricht)? Sollte dieses Fach allgemeinverbindlich für alle eingeführt werden, oder zumindest als Ersatzfach?

Antwort der CDU:

Aktuell wird in Deutschland in zehn von 16 Bundesländern der Begriff "Ethik" benutzt, in fünf in unterschiedlichen Formen der Begriff "Philosophie". Das Land Niedersachsen nutzt für das Unterrichtsfach den Begriff "Werte und Normen". Im Stellenplan der Grundschulen ist das Vorhaben des Ethikunterrichts ab der 1. Klasse nicht abgesichert und auch stellenneutral nicht umzusetzen. Neben den Themen OGS, Inklusion und Integration ergeben sich derzeit prioritärere Angelegenheiten als die Einführung eines neuen Ersatzfaches.

Antwort der SPD:

In der öffentlichen Debatte werden von verschiedenster Seite eine Vielzahl von neuen Schulfächern ins Gespräch gebracht. Hinter jedem dieser Ansinnen stehen dabei nachvollziehbare Beweggründe und Argumente. Wir werden eine Bildungskommission aus Expert:innen einrichten, um unser Bildungssystem so weiterzuentwickeln, dass es den Anforderungen einer veränderten und digitalisierten Lebens- und Berufswelt gerecht wird. Im Rahmen dieser Bildungskommission werden wir auch die aktuellen Bildungsinhalte und Lehrpläne der Schulen auf den Prüfstand stellen. Grundsätzlich sollte bei der Wahl, ob ein Kind am konfessionsgebundenen Religionsunterricht oder z.B. am Ethikunterricht teilnimmt, der Elternwille zählen. Schule ist ein Ort, wo außerhalb religiöser Institutionen Berührungen mit allen Religionen wertfrei stattfinden. Dies finden wir für einen interreligiösen Austausch, bei dem verschiedene Wertevorstellungen kennengelernt und diskutiert werden können, wichtig.

Antwort der FDP:

Um das Verständnis für andere Religionen, Weltanschauungen und Lebensweisen als Basis für unser friedliches Zusammenleben zu stärken, wollen wir in allen Kernlehrplänen für das Fach Religion den Bereich der vergleichenden Religionswissenschaften und die Werteorientierung stärken. Neben den vielfältigen Angeboten des bekenntnisorientierten Religionsunterrichts müssen gleich-berechtigt auch nicht-religiöse Überzeugungen berücksichtigt werden. Daher setzen wir uns dafür ein, dass langfristig an allen öffentlichen Schulen, also auch Grundschulen, das Fach Praktische Philosophie als Wahlalternative zum bekenntnisorientierten Religionsunterricht angeboten wird. Zahlreiche Schulen in Nordrhein-Westfalen bieten zudem schon den konfessionell-kooperativen Religionsunterricht an, in dem katholische und evangelische Inhalte zusammen unterrichtet werden. Auch dieses Angebot wollen wir weiter ausweiten. Am Ende der Sekundarstufe I soll außerdem jede Schülerin und jeder Schüler mindestens einmal eine Synagoge, eine Moschee und eine christliche Kirche besucht haben.

Antwort von Bündnis 90/Die Grünen:

Ob und was Schüler*innen in NRW glauben, wird immer vielfältiger. Deshalb ist es wichtig, dass jede*r Schüler*in von der ersten Klasse an wirklich die freie Wahl hat, am konfessionellen Religionsunterricht teilzunehmen oder nicht. Ab der ersten Klasse soll flächendeckend Unterricht in Praktischer Philosophie angeboten werden. Wir wollen den Religionsunterricht im Diskurs mit den Religionsgemeinschaften – auf Basis des Grundgesetzes, in dem dieses Fach verankert ist – zu einem kooperativ-konfessionellen Unterricht weiterentwickeln, der auch den islamischen Religionsunterricht mit einbezieht und auch im Dialog und strukturell mit dem Fach Philosophie verbunden wird, z.B. in gemeinsamen Projekttagen, -wochen.

Antwort von Die Linke:

Gesellschaftspolitische, philosophische und ethische Fragen sollten in Schulen in einem gemeinsamen Unterrichtsfach thematisiert werden. Ein solcher religionsübergreifender Unterricht wäre ein wichtiger Beitrag zur Integration. Das Verbindende und das Kennenlernen verschiedener Weltanschauungen und Religionen sollte im Mittelpunkt stehen, nicht das Trennende. Bisher ist das Schulfach "Praktische Philosophie" in der 5. bis 10. Klasse bzw. Philosophie in der Oberstufe lediglich Ersatzfach für das Pflichtfach Religion. Die geltenden Philosophie-Lehrpläne waren viel besser geeignet für einen gemeinsamen Unterricht zum Thema Ethik, Religionen und Weltanschauungen. Wir fordern LER (Lebensgestaltung, Ethik, Religionskunde) als gemeinsames Schulfach.

Antwort der Piraten:

Zu den Kernaufgaben der Schulen gehören die Vermittlung von Wissen und Ethik, die Anleitung zu kritischem Denken und die Förderung sozialer Kompetenzen. Die Vermittlung von religiösen und politischen Inhalten führt dagegen häufig zur Intoleranz gegenüber Andersdenkenden. Deshalb setzen wir uns dafür ein, den konfessionellen Religionsunterricht in NRW an allen staatlichen und staatlich geförderten Schulen durch einen gemeinsamen weltanschaulich neutralen Ethik- und Weltanschauungsunterricht zu ersetzen.

Antwort von Die Humanisten:

Wir Humanisten fordern, den verpflichtenden bekenntnisorientierten Religionsunterricht bundesweit abzuschaffen, da er kaum mit Werten wie Meinungsfreiheit, Selbstbestimmung, Gleichberechtigung, Religions- und Wissenschaftsfreiheit vereinbar ist. Stattdessen wollen wir einen gemeinsamen Ethikunterricht einführen, der ethisch-philosophische Bildung vermittelt und alle Religionen und Weltanschauungen neutral behandelt. Er kann ein starkes Instrument zur Wertevermittlung und zur Schulung von Toleranz sein.