Der Heilige Geist, ein Gott zu Pfingsten?

BERLIN. (hpd) Pfingsten? Der Begriff selbst bezieht sich schlichtweg auf den fünfzigsten Tag nach Ostern. Und seine Inhalte? Ein Problem. Pfingsten soll mit dem so genannten Heiligen Geist zu tun haben. Ein entsprechendes Pfingstereignis ist im Neuen Testament geschildert (Apostelgeschichte 2, 1-41)), aber nach wie vor umstritten.

Im Glaubenssinn ist es das nicht, aber nach den Maßstäben der wissenschaftlich anerkannten Bibelkritik. Danach handelt es sich nicht um ein historisch fassbares Ereignis, sondern um eine Aussage des kirchenoffiziellen Glaubens. Sie hat zu einem eigenen Feiertag geführt. In Italien ist allerdings zumindest der Pfingstmontag als staatlich anerkannter Feiertag abgeschafft worden.

Der Heilige Geist? Das "Gespenst der Theologie" (Heinz-Werner Kubitza)? Nach der Glaubenslehre der römischen Kirche geht dieser Geist aus dem Vater und dem Sohn durch "eine einzige Hauchung" hervor. Im Unterschied zum Sohn, der durch "Zeugung" aus dem Vater hervorgeht, geht der Geist den Weg der Hauchung aus dem Vater und dem Sohn.

Haben Sie die feine Unterscheidung verstanden? Ich gehe davon aus, dass niemand außer den selbsternannten Experten das schafft. Aber Lehr- und Handbücher wiederholen bis heute unverdrossen die überkommenen Lösungsversuche und Rätsel. Daher müssen die tollsten Zusprechungen menschlicher Eigenschaften und Tätigkeiten (Anthropomorphismen) wie Zeugung und Hauchung herhalten, um etwas zu erklären, das nicht zu erklären ist. "Experten" aller Art lieben nun mal ihr Vorgehen, es schafft bei vielen noch immer eine heilige Scheu vor dem Besserwissen.

Im so genannten Alten Testament meint der Heilige Geist (wörtlich "Heiliger Atem") die wirkmächtige Gegenwart Gottes im Leben der Menschen. Diese Bezeichnung findet sich allerdings nur selten. Dagegen ist die Kombination von Geist mit dem Gottesnamen oder der Gottesanrede häufig. Im Neuen Testament erscheint der Begriff "Heiliger Geist" rund einhundert Mal. Besonders bedeutsam sind dabei die Verweise auf die Empfängnis und die Taufe des Jesus von Nazaret. Die Abschiedsreden Jesu im Johannesevangelium, der Missions- und Taufbefehl, das Pfingstereignis, wo vom Heiligen Geist die Rede ist, sind späte Zutaten, die ein besonderes Jüngerinteresse verraten. Gerade die Gründung der Kirche, ausgerechnet sie, wird mit dem Wirken des Heiligen Geistes legitimiert. Besser geht es nicht.

Und doch bleibt ein Konkurrenzkampf: Vor allem die Pfingstkirchen-Bewegungen (in Lateinamerika) scheinen heute den Heiligen Geist gepachtet zu haben, und das sehr zum Leidwesen jener Kirche, die nicht einräumen kann, dass jeder Geist weht, wo er will.

Dabei ist gerade der "Heilige Geist" von Beginn an instrumentalisiert worden – griffig und nutzbar für jedes Eigeninteresse. Er hat inflationär alles abzusegnen, eine Blasphemie sondergleichen. Es gehört nämlich zum guten Ton, bei jeder Gelegenheit so routiniert wie möglich auf das Wirken dieses Geistes zu verweisen. Alles, was sich eigentlich sehr säkular erklären ließe, bekommt auf diese Weise einen unübertrefflichen Gehalt, eine nicht zu überbietende Legitimation.

Ein immer wieder auszumachendes Beispiel? Die Wahl des römischen Papstes. Was Machtkalkül ist, wird durch eine Berufung auf den Heiligen Geist überhöht. Damit wird Gottes Geist gerade von angeblich Gottgläubigen zu einer Instanz herabgewürdigt, die im Nachhinein legitimieren soll, was handfester Eigennutz organisierte.