Die evangelikalen Sekten, oftmals auch "Freikirchen" genannt, sind emsig bemüht neue Schäfchen in ihre Kirchengemeinden zu lotsen. Mit missionarisch ausgebildeten Kadern, Pastoren, YouTube-Predigern und religiösen Aktivisten strömen sie zur Bibelverkündung aus. Sehr beliebtes Ziel, weil leichter zu beeinflussen, sind Kinder und Jugendliche. Denn mit der Bibel oder dem "Wachtturm" in der Hand oder der Einladung zum traditionellen Gottesdienst können sie in einer überwiegend säkular eingestellten Bevölkerung keinen Blumentopf mehr gewinnen.
Sie stürzen sich als Nachhilfe-, Freizeit-, oder Betreuungsprojekt getarnt und mit kostenlosem Mittagessen, Hausaufgabenhilfe und Ausfahrten im Angebot auf die Schulhöfe, bieten Nachmittagsbetreuung an und inszenieren sich öffentlich als Retter von vernachlässigten Kindern. "Die Arche", das "christliche Kinder- und Jugendwerk" ist wohl das Bekannteste unter ihnen. Aber auch "Jumpers" mit 13 Standorten, "Crossover Skul", Projekte des evangelikalen Schuhmilliardärs Deichmann bis hin zu einzelnen evangelikalen Kirchengemeinden wie die evangelikale St. Markus Gemeinde in Bremen sind bei der Missionierung mit evangelikalen, bibeltreuen Inhalten auf den Schulhöfen dabei.
Die Angebote und Namen der Einrichtungen sind kaum überschaubar. Allein der Dachverband der deutschen Evangelikalen, die Evangelische Allianz, hat 380 Mitgliedsverbände und kooperierende Werke. Wenn es vor Ort darum geht, konkrete Angebote aufzubauen, zu finanzieren und sich als Kooperationspartner staatlicher Schulen anzubieten, Gelder einzuwerben und bei der örtlichen Presse vorstellig zu werden, macht es keinen Unterschied mehr, aus welcher evangelikalen Strömung die einzelnen Aktivisten kommen, im Ziel der Weltmission sind sie sich einig.
Eine deutschlandweite Analyse
In den von uns analysierten Projekten und Einrichtungen von "Die Arche", die über 30 Einrichtungen in 18 deutschen Städten verfügt, findet sich das komplette Spektrum der evangelikalen Szene.
Der Jugendpastor in einer evangelikalen Gemeinde, Bernd Siggelkow, machte sich auf die Suche nach Mitteln für sein missionarisches Wirken und erfand "Die Arche". Einen großen Teil des Personals seiner Einrichtungen suchte er gezielt unter Abgängern der privaten evangelikalen Hochschulen in Deutschland, in denen neben sozialpädagogischem Handwerk auch missionarisches Wirken vermittelt wird, in deren Priesterseminaren und bei nach effektiveren Methoden der Mission suchenden Nachwuchspredigern evangelikaler Sekten.
In Hamburg-Harburg agiert eine Arche-Einrichtung in den Räumen einer methodistischen Gemeinde (Christuskirche Harburg). Im dortigen Gemeindebrief hieß es: "Gott hat auf wunderbare Weise für zwei Jahre Mittel geschenkt, und seit November ist sie (eine Arche Mitarbeiterin, Anm. d. A.) 'an Bord', jeweils zur Hälfte bei der Arche und der Gemeinde beschäftigt."
Auch der ehemalige Jugendpastor einer evangelikalen Hamburger Kirchengemeinde wechselte in die Leitung der Arche Jenfeld.
In Bremerhaven wurde eine Vikarin, angehende Pastorin einer Pfingstgemeinde, zur Arche-Leiterin, die die Hausaufgabenhilfe und das Mittagessen in den Räumen der Pfingstler serviert.
Die Leiterin der Arche in Leipzig hat eine Karriere in verschiedenen evangelikalen Missionsprojekten vorzuweisen. Sie arbeitete im Kids-Projekt der "Jumpers" in Kooperation mit einer Pfingstgemeinde in Gera, wechselte zu "Crossover Skul" in Leipzig, einem Missionsprojekt an sieben Leipziger Schulen, getragen vom Marburger Kreis e.V., Mitglied in der Evangelischen Allianz, und landete schließlich bei der Arche.
Der Leiter der Arche Meißen war wie etliche seiner Arbeitskollegen Absolvent der evangelikalen Hochschule des CVJM in Kassel, die darauf spezialisiert ist, Missionspersonal mit sozialpädagogischen Kenntnissen auszustatten. Ehemaliger Leiter des CVJM ist Ulrich Parzany, der heute den ultra-bibeltreuen Kreis "Bibel und Bekenntnis" anführt, dem auch der Bremer Prediger Olaf Latzel angehört.
Eigens für die missionarische Ausrichtung der Sozialarbeit bei Kindern und Jugendlichen hat der Baptist Deichmann einen entsprechenden Lehrstuhl an der CVJM-Hochschule gesponsert.
In Berlin mit seinen sieben Arche-Standorten gibt es ebenfalls zahlreiche Überschneidungen und evangelikale Kooperationsgemeinden, so eine zur Evangelischen Allianz gehörende evangelische Kirche in Hellersdorf.
Der Leiter der Arche Stuttgart predigte vor seinem Arche-Engagement als Laienprediger in der "Christlichen Missionsgemeinde Freiburg". Die Arche Stuttgart nutzt Räumlichkeiten ehemaliger Ordensschwestern.
Positives Bild der Arche
Zahlreiche Veranstaltungen der Arche finden in den Gebäuden von Kirchengemeinden statt. Zu den evangelikalen Kirchengemeinden des Umfeldes der Arche-Standorte gibt es ausgebaute Beziehungen bei Personal und Raumnutzung und es gibt gemeinsame Aktivitäten wie Ausflüge und Freizeiten. Es ist naheliegend, dass Kinder aus den Arche-Einrichtungen eine Einladung zur Konfirmation und ähnlichem Erhalten.
Aber auch in den Arche-Standorten wird "Bibelwissen" an die Kinder vermittelt. In Düsseldorf betreibt die Arche zum Beispiel auch einen staatlich finanzierten Kindergarten.
Die Arche zeichnet in ihrer Öffentlichkeitsarbeit ein Bild als sozialer Wohltäter, welches von ihren missionarischen Zielstellungen und Aktivitäten ablenken soll. Dabei ist auffällig, dass, abgesehen von regionalen Blättern, vor allem die Sender und Zeitschriften der Bertelsmann-Gruppe wie RTL und Stern ein positives Bild der Arche wiedergeben.
Die RTL-Stiftung Wir helfen Kindern tritt auch als größter Sponsor in Erscheinung. Zahlreiche Arche-Standorte werden überwiegend von RTL als Hauptsponsor finanziert. Daneben treten ebenso Banken und Ableger amerikanischer Unternehmen, Boston Consulting sogar zweimal, Pepsi und McDonalds als Sponsoren auf. Gegen zwei Manager der Düsseldorfer Zentrale des internationalen Bankhauses von HSBC Trinkaus, Sponsor der dortigen Arche-Filiale, wurde in Sachen "Cum Ex" Anklage erhoben. Spenden für durch Bertelsmann-Medien gepushte Sozialeinrichtungen sind gut für das Image. Das weiß auch die Bankenwelt.
Zum Einwerben von Sponsoring Mitteln wird auch der Regionalleiter der Frankfurter Archen, Daniel Schröder, aktiv. Er tritt auf dem vom evangelikalen "Zentralorgan" IDEA organisierten Kongress christlicher Führungskräfte im März 2025 als Redner auf. Schröder ist bei der Arche auch für die Unternehmenskooperationen zuständig. Solch ein Kongress, bei dem sich zahlreiche einkommensstarke Personen mit missionarisch-christlichen Ambitionen tummeln, ist der ideale Ort neue Finanzen für die Arche aufzutun. Auf dem Kongress spricht auch Ralf Schuler von der rechtskonservativen Plattform NIUS, der das Führungspersonal der Arche schon interviewt hat.
Bei der Arche handelt es sich nicht um eine Sozialeinrichtung, die von christlichen Personen aus Gründen der Hilfe für Kinder aus einkommensschwachen Haushalten betrieben wird. Es ist eine missionarische Einrichtung, deren wesentliches Ziel darin besteht für die evangelikalen Sekten (Freikirchen) neue Anhänger einzusammeln. Die Zusammensetzung des Personals, insbesondere auf der Leitungsebene von der Spitze bis zu den einzelnen Einrichtungen und die Kooperation mit evangelikalen Gemeinden lässt keinen anderen Schluss zu.
Bemerkenswert sind auch die Parallelen beim Agieren der Evangelikalen mit rechten Politikern, autoritären Bewegungen und natürlich den Unternehmen, die diese Kräfte unterstützen. Diese Kooperationen sind aus den USA, Brasilien und einigen weiteren lateinamerikanischen Ländern bekannt. Auch dort wird "Sozialarbeit" als Mittel der Organisierung und Bibelverbreitung eingesetzt.
In Berlin-Hellersdorf wurde aus der Arche heraus eine evangelikale Bekenntnisschule gegründet.
Diese ist heute die "Sabine-Ball-Grundschule", eine von drei Schulen des Schulträgers "Christburg Campus" und Mitglied des Verbands Evangelischer Bekenntnisschulen.
Glaubensbasis
Die Evangelische Allianz schreibt in ihrer Erklärung zur Glaubensbasis aus dem Jahre 2018:
"Wir bekennen uns:
- Wir glauben an den dreieinen Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist. Er hat die Welt erschaffen, er liebt sie und erhält sie. Darin zeigt er seine Souveränität und Gnade;
- Der Mensch besitzt als Ebenbild Gottes eine unverwechselbare Würde. Er ist als Mann und Frau geschaffen. Er ist durch Sünde und Schuld von Gott getrennt;
- Jesus Christus wird für alle sichtbar in Macht und Herrlichkeit wiederkommen, die Lebenden und die Toten richten und das Reich Gottes vollenden. Er wird einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen;
- Die Bibel, bestehend aus den Schriften des Alten und Neuen Testaments, ist Offenbarung des dreieinen Gottes. Sie ist von Gottes Geist eingegeben, zuverlässig und höchste Autorität in allen Fragen des Glaubens und der Lebensführung; (…)" (Quelle: Glaubensbasis der Evangelischen Allianz vom 2. September 1846, überarbeitet 2018)
Die Evangelikalen beziehen sich also auf die ganze Bibel. Dazu gehören auch die blutigen Vernichtungsfeldzüge der Israeliten gegen "ungläubige" Nachbarn aus dem Alten Testament. Hier eine Kostprobe: "Heidnische Völker, die dir nicht dienen wollen, sollen umkommen, und ihr Land soll verwüstet werden." (Bibel, Jes 60,12)
Die Evangelische Allianz zu Ehe und Homosexualität (29. September 2017):
"Ehe als gute Stiftung Gottes (...)
Die Deutsche Evangelische Allianz hat sich in den vergangenen Jahren intensiv mit der Frage nach dem Verhältnis des christlichen Glaubens zur Homosexualität beschäftigt.
Die Frage nach der Bewertung von Homosexualität wollen wir – wie andere ethische und theologische Fragen – auf der Grundlage der Heiligen Schrift klären. Sie ist für uns das geschriebene Wort Gottes und verbindlicher Maßstab in allen Fragen des christlichen Glaubens und der Lebensführung.
Im Blick auf Homosexualität sind uns drei Kernpunkte wichtig:
- Menschen sind nach biblischem Zeugnis im Bild Gottes als Mann und Frau geschaffen (1. Mose 1, 26.27). Hierin liegt ihre unverwechselbare Identität und Würde. Dem entspricht die Ehe als eine gute Stiftung Gottes, in der Mann und Frau einander ganzheitlich – inklusive der geschlechtlichen Gemeinschaft – zugeordnet sind
(1. Mose 2, 24; Matthäus 19, 4–6; Epheser 5, 31.32). Die eheliche Gemeinschaft zwischen einem Mann und einer Frau ist lebenslang, exklusiv und offen für Kinder. (...)- Die in der Bibel beschriebene homosexuelle Praxis ist mit dem Willen Gottes und damit dem biblischen Ethos unvereinbar (3. Mose 18, 22; 20,13; Römer 1, 24–27; 1. Korinther 6, 9; 1. Timotheus 1, 10). (...)
Daraus ziehen wir die Schlussfolgerung, dass homosexuelle Partnerschaften der Ehe nicht gleichgestellt werden können. Mit denjenigen, die in Bezug auf Homosexualität anders denken, bleiben wir im Dialog."
In obiger Erklärung geben die Evangelikalen folgende Textstelle aus der Bibel an: "Wenn jemand bei einem Manne liegt wie bei einer Frau, so haben sie getan, was ein Gräuel ist, und sollen beide des Todes sterben." (3. Buch Mose 20,13)
9 Kommentare
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Kommentare
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Unfassbar was im 21. Jahrhundert noch für unsinniger Blödsinn geglaubt wird.
Die Kinder verdummenden Organisationen mit evangelikalen Hintergrund haben ein Ziel,
Diese Märchen aus vergangenen Zeiten werden von den Evangelischen und auch katholischen Kirchen noch heute verbreitet einzig zum Vorteil der Verkünder, die Gläubigen sind die hilflosen Opfer dieser religiösen Indoktrinationen und bleiben lebenslang
gebunden an die Lügen der Kirchen, wenn nicht endlich eine vernünftige Aufklärung stattfindet über die Hab und Machtgier aller Religionen weltweit!
Philipp Weimann am Permanenter Link
Es sind nicht nur die evangelikalen. Hier in Düren steht hinter jedem vermeintlich gemeinnützigen Zweck, verhüllt nur durch einen hauchdünnen Schleier, die katholische Kirche.
Angela H am Permanenter Link
Das zugrunde liegende Problem ist hier das Prinzip der Subsidiarität. In manchen Gegenden ist es die Evangelische Jugend, die den OGT zu verantworten hat.
A.S. am Permanenter Link
Bei den Konzepten der "Arche" erinnert mich vieles an die Gülen-Bewegung.
"Menschenfischer" sind auch nichts anderes als "Rattenfänger". Religiöse "Rattenfänger" nennt man "Missionare".
Wolfgang Kloste... am Permanenter Link
Was das NT angeht, scheinen die Leute von der Arche andere Übersetzungen zu verwenden als die mir vorliegende Lutherbibel (1912) oder die Einheitsübersetzung (2016).
Roland Fakler am Permanenter Link
Ich halte es für ein Verbrechen, Kinder mit staatlicher und kirchlicher Autorität zu ängstigen und ihnen ein völlig falsches, unrealistisches, mit Feindbildern gespicktes Weltbild einzutrichtern.
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Das siehst Du richtig lieber Roland, aber leider versucht unsere Kirchenhörige Politik diese Märchen weiterhin in die Köpfe der Kinder zu indoktrinieren und damit jeglichen Fortschritt in Richtung Meinungsfreiheit und
Rüdiger Weida am Permanenter Link
Eine hervorragende Übersicht, die sich gut nutzen lässt, wenn in unserer Gegend die Berliner Arche wieder mal über den grünen Klee gelobt wird, auch in öffentlich-rechtlichen Sendern.
Boykottierer am Permanenter Link
Deichmann, ein Unternehmen, das zwar nicht in Kirchenhand ist, aber von seinen Milliardenumsätzen mit Sicherheit einiges den Kirchen zukommen lässt.