Reformationstag in vier weiteren Bundesländern

Noch ein christlichen Feiertag in einer zunehmend säkularen Welt

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Seit heute gibt es erstmalig in vier weiteren Bundesländern den Reformationstag als regulären Feiertag: Schleswig-Holstein, Hamburg, Niedersachsen und Bremen. Zuvor war er – seit der Wiedervereinigung – bereits Feiertag in den neuen Bundesländern (ohne Berlin). Dort hatte das insofern eine Tradition, als es auch in Teilen der DDR bis 1966 einen solchen Feiertag gab. Hintergrund für diese Neueinführung ist die Ungleichheit der Bundesländer bei der Anzahl der Feiertage: Während es in Bayern 13 Feiertage gibt, waren es bis 2016 in Norddeutschland nur 9. Im vergangenen Jahr war der Reformationstag – anlässlich des 500. Jubiläums der Reformation – ausnahmsweise gesamtdeutscher Feiertag.

Auch wenn dem Gerechtigkeitsempfinden durch diese Neueinführung sicherlich genüge getan wurde, so fragt man sich dennoch, wieso man sich einen weiteren konfessionsgebundenen Tag ausgesucht hat. Von den neun Feiertagen waren nämlich bereits vorher sechs christlicher Natur. Problematisch ist außerdem, dass die Person Martin Luthers, dem an diesem Tage in besonderer Weise gedacht wird, mittlerweile nicht mehr ganz unumstritten ist, um es diplomatisch zu formulieren. Aber darauf soll hier nicht weiter eingegangen werden, da es dazu bereits viele Artikel und Kommentare – auch hier beim hpd – gibt. Hingewiesen sei hier nur auf viele seiner obrigkeitshörigen, antisemitischen, frauenfeindlichen und fundamentalistischen Äußerungen.

Zu einer ersten Übereinkunft der vier Bundesländer kam es am 2. Februar 2018, als die Landeschefs auf einer Sondersitzung der Konferenz Norddeutschland (KND) in Berlin, den Reformationstag in den von ihnen regierten Bundesländern als gesetzlichen Feiertag vereinbarten. Dazu war aber noch die Zustimmung der Landesparlamente notwendig.

Schaut man sich die darauffolgenden Debatten in den einzelnen Bundesländern Schleswig-Holstein, Hamburg, Niedersachsen und Bremen an, so zeichnet sich ein unterschiedliches Bild ab:

Die heftigste Debatte gab es in Niedersachsen (Stand Ende 2016: 44,9 % evangelisch, 17,1 % katholisch). Problematisiert wurde aber keinesfalls, wie es zu erwarten gewesen wäre, dass von der SPD/CDU-Landesregierung ein weiterer konfessioneller Gedenktag ausgewählt wurde. Vielmehr kam die Hauptkritik von der Katholischen Kirche, die ihre Mitglieder von dem Feiertags-Gedenken ausgeschlossen sah und eine solche Erinnerung an den Beginn der Spaltung der Kirche ablehnte. Die jüdischen Gemeinden kritisierten den Antisemitismus bei Luther, die FDP war aus marktliberalen Gründen komplett gegen einen weiteren Feiertag ("Standortnachteil", "wirtschaftlicher Schaden" …). Einzig die Grünen im Landtag – und außerparlamentarisch noch wesentlich vehementer die Linken und die Piraten – lehnten einen konfessionellen Feiertag ab. Am Ende stimmten am 19. Juni im Landtag Niedersachsen 100 der 137 Abgeordneten für den Reformationstag, 20 dagegen und 17 enthielten sich. Die alternativ vorgeschlagenen Tage Frauentag, Europatag, Tag des Grundgesetzes und Buß- und Bettag wurden mit großer Mehrheit abgelehnt. Erwähnt sei hier, dass bei der CDU und SPD die Fraktionsdisziplin ausgesetzt wurde, sodass es auch bei diesen beiden einige wenige Abweichler gab.

Bereits einen Tag später, am 20. Juni, folgte die Bremer Bürgerschaft den drei anderen Nordländern (Stand Ende 2016: 34,3 % evangelisch, 11,3 % katholisch). Der von der CDU gestellte Antrag zur Einführung des Reformationstags wurde mit 54 Für- und 16 Gegenstimmen angenommen. CDU und FDP unterstützten – trotz innerparteilicher Kritik – geschlossen den Antrag. Die Kritik in diesen beiden Parteien betraf aber auch eher wirtschaftspolitische Aspekte eines zusätzlichen Feiertags. Auch die SPD votierte weitgehend für den Reformationstag, wie auch Teile der Grünen. Hier gab es aber auch Abweichler, die zusammen mit den Linken eher einen konfessionsfreien Tag befürworteten, was aber nicht einmal ansatzweise eine Mehrheit fand.

Bereits im Frühjahr zuvor machte Schleswig-Holstein den Anfang bei der Umsetzung des neuen Feiertags. In der Sitzung vom 22. Februar wurde im Landtag ein entsprechender parteiübergreifender Antrag einstimmig bei vier Enthaltungen (1 x SPD und 3 x SSW) angenommen. M. a. W.: CDU, SPD, Grüne, FDP und AfD stimmten für einen konfessionellen Feiertag, obwohl nur 46,5 % der Einwohner evangelisch sind und gerade einmal 5,9 % katholisch (Stand Ende 2016). In der vorangegangenen Debatte gab es von mehreren Parteien zwar Bedenken gegen einen christlichen Feiertag, aber einzig der SSW (Südschleswigscher Wählerverband) lehnte diesen Feiertag ab, enthielt sich aber in der Abstimmung, da er einen zusätzlichen Feiertag nicht generell blockieren wollte.

Ebenfalls im Frühjahr folgte Hamburg (Stand Ende 2016: 26,2 % evangelisch, 10,7 % katholisch). Hier votierten am 28. Februar in der Bürgerschaft 66 der 116 anwesenden Abgeordneten in freier Abstimmung für einen gemeinsamen Antrag von SPD, CDU und Grünen zur Einführung des Reformationstags. Auch hier äußerten sich einige Grüne, vor allem aber die Linke und die FDP, aus unterschiedlichen Gründen gegen den 31. Oktober als Feiertag. Die Linken stellten alternative säkulare Tage zur Abstimmung (Weltfrauentag, Weltkriegsende 8. Mai und Grundgesetztag 23. Mai), die aber keine Mehrheit fanden. Die FDP war, wie auch in den anderen Ländern, grundsätzlich gegen einen weiteren Feiertag. Die Grünen wollten den ausschließlich christlichen Aspekt dieses Tages entschärfen und setzten sich zusammen mit Teilen der SPD mit der Bezeichnung "Tag der Reformation" statt "Reformationstag" durch, da man keinen "Luther-Gedenktag" wolle.

Wieso man in einer zunehmend säkularen Welt immer noch christlichen Feiertagen bei solchen Neueinführungen den Vorzug gibt, ist schier unbegreiflich. Einzig das nachvollziehbare Argument der Einheitlichkeit der Feiertage in den norddeutschen Ländern wurde bei den offiziellen Verlautbarungen der vier Landesregierungen immer wieder geäußert. Nun hat man aber die kuriose Situation, dass man, wenn man die A30/A2 entlang der Grenze von Niedersachsen zu Nordrhein-Westfalen fährt, abwechselnd den 31. Oktober (Reformationstag) und den 1. November (Allerheiligen) als Feiertag hat, da die Landesgrenze auf dieser Autobahn mehrfach überquert wird.

Nichtsdestoweniger kann man dennoch behaupten, dass der Reformationstag unter den konfessionellen Feiertagen noch zu den akzeptabelsten gehört, da er neben der religiösen Bedeutung auch eine historische Zäsur in der Deutschen Geschichte markiert: Das Ende der uneingeschränkten Herrschaft nur einer Kirche, und das auch noch in enger Verknüpfung mit dem Staat. Der erste Schritt zu Aufklärung und Emanzipierung des Menschen von kirchlichen Dogmen war getan. Wesentlich befremdlicher sind solche Feiertage, die reinstem Aberglauben (Fronleichnam), Legenden (Maria Himmelfahrt), Kindermärchen (Hl. Drei Könige) und Überlagerungen heidnischer Feste (Ostern, Allerheiligen und Weihnachten) entstammen. Zu den Aufgaben einer modernen aufgeklärten Regierung sollte es in einer zunehmend konfessionsfreien Gesellschaft gehören, das Feiertagskonzept grundlegend zu überprüfen und kirchliche Feiertage zugunsten zivilgesellschaftlicher oder jahreszeitlicher Feste zu ersetzen. Leider gibt es weder im Bundestag noch in den Landtagen derzeit irgendeine Partei, die sich dieser Thematik konsequent annimmt.