Initiative zur Ablösung des Reichskonkordats (1933)

bundesarchiv_bild_183-r24391_konkordatsunterzeichnung_in_rom.jpg

Konkordatsunterzeichnung in Rom (von links nach rechts): Prälat Ludwig Kaas, Vizekanzler Franz von Papen, Unterstaatssekretär Giuseppe Pizzardo, Kardinalstaatssekretär Eugenio Pacelli und Ministerialdirektor Rudolf Buttmann während des Unterzeichnungsaktes; zwischen Pacelli und Buttmann stehend: Substitut Alfredo Ottaviani.
Konkordatsunterzeichnung in Rom

Kurz nach der "Wiedervereinigung" wurden Kirchenfunktionäre tätig, um in den "jungen Bundesländern" eigene Kirchen-Staats-Verträge unterzubringen. Die meisten Deutschen wussten seinerzeit nichts über die Inhalte und Konsequenzen solcher "Konkordate". Nicht weniger traurig ist freilich, was mit dem so genannten "Reichskonkordat" geschieht oder besser nicht geschieht. Auch hierin tut Aufklärung not.

Das am 20. Juli 1933 vom "Heiligen Stuhl" und dem "Dritten Reich" geschlossene Konkordat regelte das Verhältnis zwischen dem Deutschen Reich und der römisch-katholischen Kirche. Es wird noch heute für die Bundesrepublik Deutschland als gültig betrachtet und regelmäßig aus allen Wahlkämpfen ausgeklammert, obwohl dieses Reichskonkordat das weltweit letzte noch bestehende faschistische Konkordat darstellt. Spanien hat das Konkordat mit Franco, Italien das mit Mussolini geschlossene längst abgelöst. Das mit der Hitler-Diktatur eingegangene Konkordat besteht nach wie vor. Ich halte das für einen skandalösen Zustand, aber kaum jemand scheint daran etwas ändern zu wollen. Der politische Wille fehlt fast durchgehend. Um dies zu ändern und eine Ablösung anzuregen, ergreife ich diese Initiative.

Wie ist es überhaupt zu einem solchen Konkordat gekommen? Sowohl der Heilige Stuhl als auch Politiker der katholischen Zentrumspartei hatten sich in den 1920er Jahren um den Abschluss eines umfassenden Konkordats bemüht. Konkordate waren aber nur mit Bayern (1924), Preußen (1929) und Baden (1932) geglückt. Während der Weimarer Republik scheiterten alle einschlägigen Versuche. Die Forderungen des Vatikans (Konfessionsschulen, Staatsleistungen) ließen sich nicht durchsetzen. Erst die Machtübernahme Hitlers schloss alle Türen auf. Die Zentrumspartei wurde mit dem Abschluss eines Reichskonkordats geködert, falls sie dem sogenannten Ermächtigungsgesetz zustimmte. Die deutschen Bischöfe relativierten in einer "Kundgebung" vom 28. März 1933 ihre bisherigen Warnungen vor dem Nationalsozialismus, zumal Hitler in seiner Regierungserklärung vom 23. März 1933 ein unverhofftes Angebot (Kardinal M. Faulhaber, München) gemacht hatte: Die Garantie kirchlicher Rechte und Privilegien, Bezeichnung des Christentums als "unerschütterliches Fundament des sittlichen und moralischen Lebens unseres Volkes". Bereits Anfang März 1933 hatte Papst Pius XI. Hitler in Audienzen als Vorkämpfer gegen den Bolschewismus gepriesen. Die beiden Lager, Hitler hier und da die Kirche, bewegten sich unzweifelhaft aufeinander zu. Und wir haben noch heute unter etlichen Folgen dieses Schulterschlusses zu leiden. Muss das wirklich so sein, so bleiben?

Das Reichskonkordat von 1933 im Reichsgesetzblatt, wikimedia

Das Reichskonkordat von 1933 im Reichsgesetzblatt, wikimedia

Hitler hatte großes Interesse am Abschluss eines Konkordats. Er wünschte ein generelles Verbot politischer Betätigung für Geistliche und war bereit, deswegen die schulpolitischen Forderungen des Vatikans weitgehend zu akzeptieren. Hitler wusste nicht zuletzt um die  singuläre Außenwirkung eines solchen Vertrags: Seine Machtergreifung würde völkerrechtlich anerkannt werden – und das ausgerechnet von der katholischen Kirche. Nun passte plötzlich alles, man verstand sich auffallend gut und so wurde denn auch am 20. Juli 1933 das Reichskonkordat im Vatikan feierlich unterzeichnet.

Was war damit unter anderem vereinbart? Die Freiheit des Bekenntnisses und der öffentlichen Ausübung der katholischen Religion, der Fortbestand der genannten Länderkonkordate, der Austausch von Botschaftern (noch immer ist nach dem Reichskonkordat der päpstliche Nuntius Doyen des diplomatischen Corps in Berlin!), das Recht der katholischen Kirche, innerhalb der Grenzen des für alle geltenden Gesetzes ihre Angelegenheiten selbständig zu ordnen (eine spezielle Last bis in das kirchliche Arbeitsrecht hinein), Geistliche erhalten den gleichen Schutz des Staates wie Staatsbeamte (etwa gegen Beleidigungen), Geistliche sind von der Zwangsvollstreckung in ihr Amtseinkommen ausgenommen, ihr Beichtgeheimnis und ihre seelsorgerliche Verschwiegenheit sind geschützt, der Missbrauch geistlicher Kleidung unterliegt Strafen wie beim Missbrauch militärischer Uniformen, die Diözesanumschreibung und -organisation ist garantiert, Kirchengemeinden sind Körperschaften öffentlichen Rechts, die Erhebung der Kirchensteuer ist garantiert, Bischöfe haben einen Treueid auf die Regierung zu leisten und diese auch von ihrem Klerus achten zu lassen, der Schutz von Eigentum, Rechten und Vermögen der Kirche ist zugesagt, die katholisch-theologischen Fakultäten sind garantiert, Staatsleistungen an die Kirche können nur in freundschaftlichem Einvernehmen abgeschafft werden, der katholische Religionsunterricht ist ordentliches Lehrfach, katholische Bekenntnisschulen sind beizubehalten und können neu eingerichtet werden, die Militärseelsorge wird garantiert, die Seelsorge in Krankenhäusern und Strafanstalten ist zugelassen, an Sonn- und Feiertagen ist nach dem Hauptgottesdienst für das Deutsche Reich und Volk zu beten, die Mitgliedschaft und Tätigkeit von Geistlichen in politischen Parteien ist verboten, in einem Geheimanhang zum Reichskonkordat werden Theologiestudenten vom Militärdienst befreit.

Das Fazit: Dieses Konkordat wurde und wird international zumeist als ein singulärer Prestigegewinn für Hitler beurteilt. Es stellte gerade in Form der moralischen Anerkennung den frühesten und wohl auch entscheidendsten Erfolg der nationalsozialistischen Außenpolitik dar.

Und was gilt heute? In dem sogenannten Konkordatsurteil vom 26. März 1957 stellte das Bundesverfassungsgericht fest, das Reichskonkordat sei durchaus gültig zustande gekommen. Unschädlich sei, dass das Konkordat auf der Basis des Ermächtigungsgesetzes geschlossen wurde und nicht so zustande kam, wie es die Weimarer Reichsverfassung vorgesehen hatte. Dieses Konkordat binde die Bundesrepublik Deutschland als die Rechtsnachfolgerin des Dritten Reichs. Ungeachtet der massiven Vertragsverletzungen durch die Nazis sei das Konkordat im Übrigen nie gekündigt worden.

Es sieht auch heute nicht danach aus, als beabsichtige der Vatikan eine Ablösung. Er stört sich offensichtlich nicht daran, dass es sich wie gesagt um das letzte Konkordat auf der Erde handelt, das auf einer faschistischen Basis beruht. Wichtiger scheinen dem "Heiligen Stuhl" bestimmte praktische Folgen des Hitler-Konkordats zu sein: Die Garantie der Kirchensteuer, der Treueid der Bischöfe gegenüber einer Regierung (so etwa der Eid des Kölner Erzbischofs R. M. Woelki am 18. September 2014 vor der Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen H. Kraft), die Finanzierung der Militärseelsorge aus dem Etat des Bundesverteidigungsministeriums, die Befreiung der Priesteramtskandidaten vom Grundwehrdienst.

(Für diesen Beitrag habe ich am 16. 4. 2017 den Wikipedia-Artikel zum "Reichskonkordat" abgerufen.)