KONSTANZ. (hpd) Jährlich führt der Karfreitag mit seinem Tanzverbot nicht nur im "Ländle" zu Diskussion und Protest: In einem Antwortschreiben an die "Humanistische Alternative Bodensee" (HABO) betonte der baden-württembergische Ministerpräsident nun nochmals, dass prinzipiell an der Regelung festgehalten werde.
Ohne weiter auf diesen konkreten Eingriff in die Grundrechte der Bürger an sich einzugehen, unterstreicht das Staatsministerium in seinem Schreiben die Bedeutung der Sonn- und Feiertage als "geschützte Tage der seelischen Erhebung aller – unabhängig ihrer religiösen Gesinnung".
Zusätzlich verweist die Landesregierung in Stuttgart darauf, dass die Landesverfassung in Artikel 3 darauf abziele, "die christliche Überlieferung zu wahren", wonach sich das Feiertagsgesetz richte. Im Artikel 3, Absatz 1 heißt es wörtlich: "Die Sonntage und die staatlich anerkannten Feiertage stehen als Tage der Arbeitsruhe und der Erhebung unter Rechtsschutz. Die staatlich anerkannten Feiertage werden durch Gesetz bestimmt. Hierbei ist die christliche Überlieferung zu wahren."
Das Tanzverbot erinnere an eine "Atmosphäre gemeinschaftlicher Ruhe", allerdings, so gibt der Ministerpräsident zu bedenken, bedürfe die in Baden-Württemberg "sehr weitreichende" Vorgabe "an einigen Stellen einer Überprüfung". Diese habe er aber bereits eingeleitet.
Der Sprecher der HABO, Dennis Riehle, sieht die Aussagen aus dem Staatsministerium allerdings kritisch: "Man erkennt eindeutig, wie der Ministerpräsident in seiner Amtszeit einen erheblichen Balance-Akt hinlegt, um einerseits seiner eigenen christlichen Überzeugung und den gleichgesinnten Wählern gerecht zu werden. Andererseits versucht er mühsam winzige Annäherungen an die, die nicht gläubig sind. Problematisch ist vor allem sein Denken, wonach man 'seelische Erhebung' für alle durch Kirchen und Staat verordnen kann. Solch eine Argumentation ist nur auf Grundlage einer völlig überholten Landesverfassung möglich, deren Änderung wir schon seit langem einfordern."
Foto: Screenshot aus dem hpd-Video “Tanzgebot 2015”
Pressemitteilung der HABO vom 29. April 2015
5 Kommentare
Kommentare
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
"... staatlich anerkannten Feiertage stehen als Tage der Arbeitsruhe und der Erhebung unter Rechtsschutz."
Dann sind doch alle Bedingungen erfüllt: Um mal richtig ordentlich zu tanzen muss die Arbeit ruhen und faul im Bett liegen geht auch nicht. Zum Tanzen muss man sich erheben. Dass das Tanzen am Karfreitag also sogar unter Rechtsschutz steht finde ich echt Klasse!
Ich persönlich richte mich schon immer nach dem Gesetz und tanze sogar freiwillig ausschließlich am Karfreitag!
Rainer Bolz am Permanenter Link
Möglicherweise liegt es daran, dass die abwegigen Vorstellungen von Ministerpräsident Kretschmann ganz fatal dem ähnelt, was der Schriftsteller David Foster Wallace unsere Standardeinstellung genannt hat:
Die Standardeinstellung sagt mir, dass es bei der ganzen Chose eigentlich nur um mich geht, und ein religiöses Weltbild, dass derselben Meinung ist und mich in den Mittelpunkt göttlicher Aufmerksamkeit stellt, fühlt sich richtig an. Kann etwas falsch sein, dass sich so richtig anfühlt?
Aber ja doch! Michael Schmidt-Salomon, der bereits 2005 sein "Manifest des evolutionären Humanismus " herausgebracht hat, um der Gefahr, die von religiösen Rabauken im Atomwaffenzeitalter ausgeht, eine zeitgemäße Aufklärung entgegenzusetzen, skizziert die Bedeutung des Homo sapiens folgendermaßen : ein "unbeabsichtigtes kosmologisch unbedeutendes und vorübergehendes Randphänomen eines sinnleeren Universums".
Aber bis dahin wollen wir feiern und tanzen!!!
Thomas Meder am Permanenter Link
Die seelische Erhebung - wie funktioniert das genau, was macht der Herr Kretschmann da am Karfreitag, wenn er sich erhebt? Meine Frage mag merkwürdig erscheinen, aber ich habe so etwas noch nie gemacht.
Martin am Permanenter Link
"Seelische Erhebung" finde ich, wenn überhaupt, dann beim Tanzen!
Noncredist am Permanenter Link
Der "christlichen Überlieferung" verdanken wir Sprüche, Feiertage und Ideologien. Ihrer Tradition verdanken wir allerdings auch die Hexenverbrennungen, Prügelstrafen und Judenhass.
Privilegien, wie etwa der staatlich geschützte Tag des Nichttanzes aufgrund der Verehrung eines Idoles, gehören schlicht und ergreifend nicht in eine Demokratie unserer Größe. Sie wäre im Vatikan oder in einer theokratischen Gesellschaft wahrhaftig funktionell.
Herr Kretschmann bedient die Bedürfnisse der Geistlichen, und NUR(!) der Geistlichen. Die Priester, Pastoren, Bischöfe, Kardinäle usw. prägen das Bild der Existenz einer "ruhelosen Seele" und postulieren ein angebliches Wissen, wann diese ominöse "Seele" gefälligst zu ruhen hat. Belege für die Existenz, wie auch für diese Wirkung, bleibt man der Gesellschaft genauso schuldig, wie z.Bsp. Belege zur Existenz einer Hölle.
Weshalb religionslose Bürger, Buddhisten, Hinduisten, Muslime, Juden und andere Menschen mit nichtchristlichen Idealen sich jedoch den Wünschen der Jesusanbetern - und NUR(!) derer - zu richten haben, bleibt weiterhin ein Rätsel. Der Begriff der "christlichen Überlieferung" alleine kann es wohl nicht sein. Die Bundesrepublik Deutschland besitzt keine religiöse Konfession die es - wie bei den Menschenrechten - zu schützen gilt.
Substituiert man ein wenig an den Variablen, so ergäbe sich gar folgendes Bild: Einen gesetzlich geschützten Feiertag, welche zu Ehren der Aufklärung ein Verbot von religiösen Tätigkeiten fordert.
Klingt dies tatsächlich kompatibel mit einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung? Ich schätze wohl eher nicht. Das kann doch nicht unser aller Bestes sein, oder?
Wenn Christen trauern wollen - ganz ohne Tanzen - so sollen sie trauern dürfen. Und wer KEIN Christ ist, dem steht es offen alles zu tun, solange man nicht die Christen bei ihren Aktionen stört. Das selbe gilt auch umgekehrt. Christen dürfen so viel rumtanzen oder sich soviele Tanzverbote auferlegen, wie die Christen (und NUR die) ertragen können. Aber Nichtchristen sind davon nicht betroffen und werden schlicht und einfach nicht von den Wünschen und (Essens-, Verbots- und Vorstellungs-)Traditionen der Christen tangiert. Ist das wirklich zu schwer zu bewerkstelligen ;) ?