Das neue Buch von Heinz-Werner Kubitza

Der nächste Hammerschlag

Evangelikale und Kreationisten werden zum Sturm auf dieses Buch blasen. Und nicht allein sie, sondern auch die Schreiber, die ihren Brotberuf bei den offiziellen Kirchen haben. Sie sehen die Basis ihrer Existenz gefährdet. Früher hätte der Autor ein solches Buch nicht überlebt. Das Alte Testament kennt keinen Zweifel: Aus Lev 24, 10-16 folgt, dass jeder der den Namen des Herrn schmäht, zu steinigen sei.

Viel zu lange und vor allem bis in die neueste Zeit hinein hat sich die Religions- und Kirchenkritik freilich mit sekundären Inhalten abgemüht und die Medien haben kräftig mitgeholfen: Papst, Vatikan, Zölibat waren immer eine Sensationsmeldung wert. Doch jetzt beginnt sich der Wind zu drehen, jetzt kommen Inhalte aufs Tapet, hinter denen sich niemand verstecken kann. Gott wird zunehmend als eine nicht besonders geglückte Erfindung einer bestimmten Theologie entdeckt, und Hunderttausende suchen vor diesem zugerichteten Amtsgott, vor diesen Kirchen, die nicht die seinen sind, das Weite.

Die Jünger bleiben. Vor ihnen und ihren Gottesetikettierungen warnt mein Buch "Befreit Gott von den Gläubigen!" Und ich sage es gleich: Heinz-Werner Kubitza, der mein Buch verlegt hat, und ich unterscheiden sich im Glauben bzw. Nichtglauben an Gott, nicht aber in der Beurteilung der Bibel. Sie zeichnet ein Gottesbild, das alle Existenzrechte verwirkt hat. Lieber gar keine "Offenbarung" als eine solche.

Doch wer sagt das offen? "Denn während des ganzen Christlichen Zeitraums liegt der Theismus wie ein drückender Alb auf allen geistigen, zumal philosophischen Bestrebungen und hemmt, oder verkümmert, jeden Fortschritt. Gott, Teufel, Engel und Dämonen verdecken den Gelehrten jener Zeiten die ganze Natur: Keine Untersuchung wird zu Ende geführt, keiner Sache auf den Grund gegangen" (Arthur Schopenhauer).

Auf den Grund gehen? Endlich. Kein Reflexionsstopp mehr. Es bedarf solcher Bücher, wie Heinz-Werner Kubitza sie schreibt und dabei über die gängige Bibelkritik hinausgeht. Seine Trilogie beeindruckt mich: Jesuswahn, Dogmenwahn, Bibelwahn. Bücher wie Hammerschläge, Bücher die schlagen und treffen. Die Kirchen müssen sich ducken, und alle, die unter dem privilegierten Schutz dieser Organisationen den Status quo ihres angeblichen Glaubens bewahren wollen, werden sich warm anziehen müssen.

Heinz-Werner Kubitza beschreibt Wesensinhalte. Er legt die Axt an die Wurzeln des herkömmlichen Bibelglaubens und der üblichen Bibelverehrung. Er entlarvt das Alte Testament, eine Schrift, die vielen noch immer als "heilig" gilt, als ein Sammelsurium von frommen Anmutungen und von noch viel mehr: von religiösen, gewaltbereiten Extremismen. Für mich war überraschend, dass Kubitzas Buch (S. 181-232) die ansonsten hoch gelobten Propheten als die ersten historisch greifbaren Vertreter eines religiösen Extremismus aufführt. Zu diesem Problem wird sich noch eine umfassende Diskussion entwickeln müssen. Einen ähnlichen Anstoß durch Heinz-Werner Kubitza erhoffe ich auch für das Neue Testament.

Die Bibel ist zusammengestückelt, sie liest sich schlecht, und sie ist schlichtweg blasphemisch. Sie stellt Gott zumindest im Alten Testament nicht als einen Gott der Liebe, sondern weithin als einen widerwärtigen Psychopathen dar, der immer wieder droht und mordet. Andere waren viel weiter: "Zu dem Gedanken eines Welt-Schöpfers ist die Philosophie der Griechen nie herabgesunken, vor diesem krassesten aller Anthropomorphismen hat sie ihr gesunder Instinkt immer glücklich bewahrt" (Christian Friedrich Hebbel).

Zwar heißt Gott im Alten Testament relativ selten "Vater". Doch wird er immer - der Sache nach - als ein solcher verstanden. Als allmächtiger Träger von Herrschaft, d. h. in einer so typischen Vatereigenschaft wie der alttestamentlichen als absoluter Patriarch. Da Gott Vater ist und Herr, der nach der biblischen Schöpfungsgeschichte eine chaotische Natur zum Kosmos geordnet hat, schafft er allein Leben: der "Schöpfer". Unter seiner Herrschaft haben Frauen ihre lebenspendende Funktion eingebüßt (vgl. auch Kubitza, S. 164-166). Mütter bringen zwar nach wie vor Kinder zur Welt. Doch er gibt diesen das Leben, die "Seele". So haben wir es lernen müssen, auch dies ein "Scheinproblem einer angemaßten Wissenschaft".

Scheinprobleme und veritable Lügen. Die Bibel kann und darf beispielsweise auch nicht als Geschichtsquelle missbraucht werden. Das ist sie nicht und wird es nicht werden. Ihr geschichtlicher Wert ist weithin gleich Null. Schon die erzählenden Bücher des Alten Testaments sind Fiktionen (Gerd Lüdemann).

Ja, es wäre sehr vieles wegzunehmen, um die Bibel vor einem auch nur bescheidenen Maßstab heute zu fordernder Humanität und ethischer Minimalstandards bestehen zu lassen, insbesondere hier im Kernstück des Alten Testaments, den fünf Büchern Mose. Die hierin beschriebene Gesinnung der Gewalttätigkeit gegen Außengruppen (Fremdvölker, Andersgläubige, Abweichende) findet sich auch sonst erschreckend häufig in den biblischen Texten. Der humanitäre Standard des biblischen Gottes bleibt hinter dem seiner allermeisten heutigen Anhänger zurück. Jahwe ist ein "Gott des Krieges und der Gewalt" (Kubitza S. 15-51). Die ihm attestierten Eigenschaften sind fragwürdig: Ausländerfeindschaft (S. 107-112), Rachsucht (S. 118-120), Mitleidslosigkeit (S. 121 f.), Maßlosigkeit (S. 127-129), Vorliebe für schwarze Pädagogik (S.137-164).

Spuren dieser Eigenschaften werden bereits in der Bibel kritisiert. Der Prophet Ezechiel (20, 25 f.) lässt Gott sagen: "So habe denn auch ich ihnen Satzungen gegeben, die nicht gut waren, und Gebote, durch die sie nicht am Leben bleiben konnten… Ich wollte ihnen Entsetzen einjagen, auf dass sie erkennen, dass ich der Herr bin."

Das sind vereinzelte Stellen. Wertvolle Texte finden sich im Alten Testament ähnlich selten. Heinz-Werner Kubitza zählt sie auf (S. 295-308). Sie reichen freilich nicht hin, um aus dem so genannten Alten Testament einen tatsächlichen Beitrag zur Weltliteratur zu machen. Das werden Orthodoxe nicht gerne lesen, seien sie Christen oder Juden.

Humanitärer Standard? Die Kirchen legen gerade diesen nicht fest, die evangelikalen Jünger mit ihrem Buchstabenglauben erst recht nicht. Die Kirchen müssen sich so oder so die Frage gefallen lassen, warum sie, trotz der extrem inhumanen Inhalte, die Bibel immer noch mit finanziellem und personellem Aufwand und nach wie vor mit dem Anspruch verbreiten, eine absolute, letzte, göttliche Quelle von Verhaltensnormen zu vermitteln, ja geradezu eine Renaissance der Bibellektüre anstreben.

Der Psychologe Franz Buggle (1933-2011) hat darauf verwiesen, dass das bestehende Ansehen der Bibel außer auf den durch Angstinduktion gestützten psychologischen Strategien frühkindlicher Indoktrination auf einer hochselektiven, einseitigen Darbietung positiver Bibelstellen beruht. Dabei weist die Bibel als Basis aller christlichen Religiosität unübersehbare ethisch-humanitäre und psychologische Defizite auf. Und das hat seine Folgen, wie Thomas Paine, einer der Gründerväter der Vereinigten Staaten (1737-1809) früh erkannt hat: "It is from the Bible that man has learned cruelty, rapine, and murder; for the belief of a cruel God makes a cruel man."

Wer hat Gott so grausam gemacht, wie er uns in der "Heiligen Schrift" entgegentritt? Mit fast schon faschistoiden Zügen? Ein grausamer Gott, eine grausame Schrift? Wir werden nicht mehr hinnehmen, dass sich grausame Menschen auf solches berufen können.

Heinz-Werner Kubitza: Der Glaubenswahn. Von den Anfängen des religiösen Extremismus im Alten Testament. 352 S. Hardcover. Tectum-Verlag. Marburg 2017. 19,95 Euro. ISBN 978-3-8288-3849-9 Auch als E-Book erhältlich