Masernausbruch in Duisburg

Armut und Ignoranz - die zwei großen Impfgegner

29 Kinder sind in Duisburg an Masern erkrankt. Betroffen sind vor allem Kinder von Zuwanderern aus Südosteuropa. Doch weil die Duisburger Bevölkerung nicht ausreichend geimpft ist, könnten schnell weitere Menschen an Masern erkranken. Aber auch in Regionen wie dem Kreis Coesfeld ist der Impfschutz nicht ausreichend.

29 Kinder leiden zurzeit in Duisburg an einer Infektionskrankheit, die es nicht geben müsste: den Masern. Seit Jahren verfolgt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) das Ziel, die gefährliche Krankheit auszurotten. In Amerika ist das gelungen. Im Rest der Welt sind die Masern noch immer eine der gefährlichsten Kinderkrankheiten, obwohl es gut verträgliche und wirksame Impfstoffe gibt.

Vor allem für Kinder unter einem Jahr können die Masern tödlich sein. Die Hälfte aller durch Impfungen vermeidbaren Todesfälle bei Kindern werden nach Angaben der WHO von Masern verursacht.

Geringer Impfschutz bei Zuwanderern

Die 29 Kinder, die in Duisburg an Masern erkrankt sind, sagt die Stadt auf Anfrage von CORRECTIV.RUHR, kommen aus Rumänien und Bulgarien. Obwohl diese in der Europäischen Union sind, ist die medizinische Versorgung schlecht. Vor allem für Menschen, die wenig Geld haben und zu Minderheiten wie den Roma gehören. Die Stadt Duisburg bemüht sich, möglichst viele Kinder zu impfen. An den Eltern scheitert das nicht: "Grundsätzlich", sagt ein Sprecher der Stadt, "besteht die Bereitschaft zur Impfung. Die Herausforderung besteht vielmehr darin, Eltern mit einem ungeklärten Krankenversicherungsschutz und fehlenden Sprachkenntnissen zu erreichen."

Kinder werden in Duisburg vor der Aufnahme in die Schule durch Ärzte des Gesundheitsamtes untersucht. Im vergangenen Jahr waren das rund 2800 zusätzliche Untersuchungen. Die Eltern der Kinder werden über notwendige Impfungen, vor allem auch die Masernimpfung, informiert. Das Gesundheitsamt der Stadt hat seit 2013 Impfaktionen durchgeführt. Ab 2015 erfolgten diese Impfangebote des Gesundheitsamts im Petershof, einem sozialpastoralen Zentrum der katholischen Kirche.  

Zurzeit laufen Aktionen über das Gesundheitsamt Marxloh, niedergelassene Kinderärzte im Duisburger-Norden und im Rahmen der Sprechstunde der Malteser- Migranten-Ambulanz und Aktionen des Kindergesundheitsmobils der McDonalds Kinderhilfe-Stiftung.

Der Herdenschutz fehlt

Doch die Masern sind nicht nur ein Problem für die 29 betroffenen Kinder und ihre Eltern. Sie sind ein Risiko für tausende Duisburger, weil die Impfquote zu gering ist. Es fehlt der Herdenschutz, der verhindert, dass auch nicht geimpfte Menschen angesteckt werden. 95 Prozent der Bevölkerung müssen zwei Mal geimpft worden sein, damit die Masern auch bei denen keine Chance haben, die nicht geimpft werden können. Säuglinge zum Beispiel oder die wenigen Menschen, die eine Impfung nicht vertragen.  

Aber längst nicht alle, die es könnten, lassen sich gegen Masern impfen. In Duisburg waren nach Angaben des Landeszentrums Gesundheit Nordrhein-Westfalen 2014 nur 93,2 Prozent aller Kinder vor dem  Besuch der ersten Grundschulklasse zwei Mal geimpft, so dass die Grundimmunisierung abgeschlossen war.

Die Masern-Hochrisikoregionen in NRW

Für NRW-Verhältnisse keine schlechte Zahl. Landesweit waren es mit 93,3 Prozent kaum mehr. In vielen Städten ist die Impfquote bei Grundschulkindern deutlich niedriger, und somit wäre ein Ausbruch wie in Duisburg weitaus gefährlicher. Masern-Hochrisikoregionen sind Münster (89,0 Prozent Impfquote), der Kreis Coesfeld (88,6 Prozent) und Bielefeld (80,3 Prozent).

Impfungen, eine der größten medizinischen Errungenschaften, die es je gab, haben zwei große Gegner: die Armut und die Ignoranz. Von Masern sind in Deutschland, wie jetzt in Duisburg, häufig Zuwanderer betroffen, in deren Ländern es keine ausreichende medizinische Versorgung gibt und die in Deutschland nicht krankenversichert sind und kein Geld haben, privat eine Impfung zu bezahlen.

Besserer Zugang zu gesundheitlicher Versorgung

Flüchtlinge sind versichert, nachdem sie registriert wurden. Bei Zuwanderern aus der Europäischen Union geht die Bundesregierung davon aus, dass sie in ihren Heimatländern versichert sind, was bei vielen Menschen aus Südosteuropa nicht der Fall ist. NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens fordert deshalb seit Jahren vom Bund, diesen Menschen einen Zugang zur medizinischen Regelversorgung zu ermöglichen.

Bisher hat der Bund dies jedoch beharrlich abgelehnt. Deshalb finanziert das Land inzwischen auch in Duisburg eine Clearingstelle von Stadt und AWO, die sich speziell um Zuwanderer mit ungeklärtem Versicherungsstatus kümmert – mit dem Ziel, ihnen einen besseren Zugang zur gesundheitlichen Versorgung zu ermöglichen.

Die Skeptiker

Andere wollen sich nicht impfen lassen, zählen zu den bewussten Impfgegnern. Vier Prozent der Deutschen zählen nach einer Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung  zu dieser Gruppe. Sie glauben Gerüchten, Impfungen gegen Masern würden Autismus verursachen oder sie trauen ganz generell Medizin und Wissenschaft nicht.

Gerade im alternativ-gesonnenen Milieu der Waldorf-Eltern sind diese Ansichten häufig zu finden. 2010 in Essen und Berlin, 2011 in Offenburg und  2013 in Erftstadt bei Köln kam es an Waldorfschulen zu Masernausbrüchen. Der Grund: An Waldorfschulen liegt die Impfrate oft bei weniger als 80 Prozent.

Deutschland scheitert beim Kampf

Ohne eine bessere Versorgung von Zuwanderern aus Südosteuropa und dem Kampf gegen die oft absurden Ängste der Imfpgegner wird es nicht möglich sein, die Masern auch in Deutschland auszurotten. Deutschland scheitert beim Kampf gegen die Masern, den Staaten wie Nicaragua und Kolumbien gewonnen haben.

Übernahme von correctiv.org.