Eine Studie aus den USA zeigt, dass Verletzungen in bestimmten Hirnregionen mit religiösem Fundamentalismus assoziiert sind. Allerdings gilt deshalb nicht zwangsläufig, dass jeder religiöse Fundamentalist einen medizinisch nachweisbaren Hirnschaden hat.
Die Suche nach Gott in unseren kleinen grauen Zellen ist eine Disziplin, die sich unter Neurowissenschaftlern zunehmender Beliebtheit erfreut. Zahlreiche Studien haben sich in den vergangenen Jahren dem Zusammenhang von religiösen Gefühlen und bestimmten Hirnaktivitäten gewidmet. So auch die jüngst in der Fachzeitschrift Neuropsychologia erschienene Studie "Biologische und kognitive Unterstützungselemente von religiösem Fundamentalismus" ("Biological and cognitive underpinnings of religious fundamentalism"), die von Forschern aus den USA und Neuseeland erstellt wurde. Die Studie zeigt, dass Menschen, die Verletzungen in einer bestimmten Hirnregion erlitten haben, weniger offen sind für neue Ideen und dass sie mit höherer Wahrscheinlichkeit in ihren religiösen Überzeugungen zum Fundamentalismus tendieren.
Die Studie basiert auf Fällen aus der sogenannten Vietnam Head Injury Study, einer Langzeitstudie von rund 2000 US-Soldaten, die im Vietnam-Krieg Kopfverletzungen erlitten hatten. Konkret wurden die medizinischen Daten von 119 Soldaten aus der Vietnam Head Injury Study untersucht, die eine Verletzung des präfontalen Cortex erlitten hatten.
Vom präfontalen Cortex weiß man aus früheren Untersuchungen, dass er - unter anderem - eine große Rolle bei spirituellen Empfindungen und Religiosität spielt. Die Autoren der Studie stellten nun fest, dass nicht nur eine deutliche Beziehung zwischen Verletzungen in dieser Hirnregion und dem religiösen Fundamentalismus der Veteranen besteht, sondern auch zu ihrer kognitiven Flexibilität, also der Fähigkeit, sich auf neue Ideen einzulassen: Der religiöse Fundamentalismus war wesentlich stärker und die kognitive Flexibilität wesentlich schwächer ausgeprägt.
In vergleichbaren Studien hatten Forscher festgestellt, dass Verletzungen in dieser Hirnregion Menschen unter anderem anfälliger für irreführende Werbung machen. Man ging deshalb davon aus, dass diese Hirnregion zur Skepsis befähigt und eine Verletzung der Region die Befähigung zur Skepsis herabsetzt. Die Autoren der aktuellen Studie vertreten jedoch die Auffassung, dass religiöser Fundamentalismus weniger mit der mangelnden Befähigung zum Zweifeln zu tun hat als mit der mangelnden Offenheit für neue Ideen.
Auf den ersten Blick scheint die Studie zu untermauern, was viele Nicht-Religiöse schon immer zu wissen meinten – nämlich dass Religiöse und insbesondere religiöse Fundamentalisten nicht ganz klar im Kopf sind. Allerdings muss deutlich darauf hingewiesen werden, dass die Studie kein Nachweis dafür ist, dass der Glaube an übernatürliche Dinge durch einen Hirnschaden hervorgerufen wird. Die Studie zeigt lediglich, dass es für Menschen mit bestimmten Hirnverletzungen schwieriger ist, ihre bereits bestehenden religiösen Überzeugungen durch neue Ideen oder Belege in Frage zu stellen.
8 Kommentare
Kommentare
Klaus Bernd am Permanenter Link
Auf das Niveau, Gläubigkeit in welcher Form auch immer als krank oder dumm zu bezeichnen sollte man sich wahrlich nicht begeben.
Aber ich weiß, um das schon vorwegzunehmen. Wir reden von einem „Nichts ist unmöglich/Alles ist möglich“ - Gott, der auch die kleinsten Funken absolut freier Entscheidungen wahrnehmen kann.
Nur, von jedem Menschen, bis hin zum Papst, könnte man doch erwarten, dass er selbst fundamentalistische Atheisten nicht verurteilt, es könnte immerhin sein, dass der für diesen Zustand seines Gehirns nicht verantwortlich ist, sei es durch äußere Einflüsse oder durch die Macht der Ungnade verursacht.
INGEBORG am Permanenter Link
Bitte lesen Sie den Text dieses Berichtes genau durch und urteilen Sie dann. Glauben heißt nicht wissen. Die Wissenschaftler berufen sich auf Forschungsergebnisse, auf ein erforschtes Wissen.
henry burchardt am Permanenter Link
Widerspruch zu satz eins! Seit ca. 4 jahren beschäftige ich mich der frage, ob man teilbereiche oder sogar ganze religionen als dumm bezeichnen darf (nicht im juristischen sinn).
Norbert Schönecker am Permanenter Link
S.g. Klaus Bernd!
Ihrer Erwartung, dass die Kirche bis hin zum Papst keinen Menschen zur Hölle verurteilen darf, schließe ich mich an.
Wir Christen haben diesbezüglich einen glasklaren Auftrag unseres Gottes: "Richtet nicht, damit auch Ihr nicht gerichtet werdet."
Verurteilt werden dürfen deshalb zwar gewisse Auffassungen. Aber die Menschen, die diese Auffassungen haben, dürfen nicht verdammt werden.
Rein theologisch heißt das: Die Kirche kann von keinem Menschen sicher sagen, dass er in die Hölle kommt. Inzwischen sagt sie das nicht einmal mehr von Selbstmördern (auch aufgrund psychologischer Erkenntnisse über Willensfreiheit und -Unfreiheit psychisch Erkrankter).
Ihr Forschungsvorschlag bzgl. Eva hätte vielleicht vor 200 Jahren noch Interesse bei Exegeten hervorgerufen. Heute nimmt kein ernsthafter katholischer Theologe an, dass Eva ein real existierendes historisches Individuum war.
Das Thema "individuelle Schuldfähigkeit angesichts einer begrenzten persönlichen Willensfreiheit" ist hingegen höchst spannend. Und das wird er auch bleiben, weil ja die Frage, wie weit die Willensfreiheit des Menschen geht, rein neurologisch noch längst nicht fertig erforscht ist.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
"Die Kirche kann von keinem Menschen sicher sagen, dass er in die Hölle kommt."
Da haben es Atheisten und Humanisten einfacher. Sie wissen ganz sicher, dass niemand in die Hölle kommt. Aber Kleriker müssen ja auch (dummes Zeug) glauben und wir dürfen wissen - manchmal auch dummes Zeug, aber das ist wenigstens nicht dogmatisiert...
Norbert Schönecker am Permanenter Link
"Aber Kleriker müssen ja auch (dummes Zeug) glauben"
Sie haben da einen Fehler in der Kausalkette. Ich glaube nicht deshalb, weil ich Kleriker bin. Ich bin Kleriker, weil ich glaube (an Gott und an dessen Berufung an mich).
Deshalb ist auch Ihre Vermutung falsch, dass ich glauben MÜSSTE. Wenn ich meinen Glauben verlöre, dann würde ich mein Priesteramt zurücklegen und etwas anderes machen.
Ihre Erkenntnis, dass auch (scheinbares) Wissen fehleranfällig ist, wirkt tröstlich.
Da hat es die Kirche tatsächlich schwerer. Da echte Dogmen nicht veränderlich sind (sondern höchstens bis zu einem gewissen Grad uminterpretierbar), würde die Widerlegung eines Dogmas das Ende der Katholischen Kirche bedeuten. Im Gegensatz zur Wissenschaft, wo neue Erkenntnisse alte Lehrmeinungen im Laufe von ein paar Jahrzehnten ablösen.
Wer von uns beiden in Bezug auf das Jenseits dummes Zeug glaubt oder zu wissen meint, das werden wir dann ebenfalls in ein paar Jahrzehnten sehen. Oder eben nicht.
Kay Krause am Permanenter Link
Da ergibt sich doch die ganz einfache Frage: Was ist "NORMAL"?
Und nächste Frage: Wer entscheidet, wer oder was "NORMAL" ist???
Zeitung doch sicherlich nicht. Oder etwa doch??? Ist es nicht wunderbar, dass ich unnormal bin und nicht dazu gehöre? Halleluja!
Karl-Heinz Büchner am Permanenter Link
Nur der guten Ordnung halber: der "präfontale Cortex" ist der "präfrontale Cortex" mit einem "r" an Position 5.