Die Menschen kamen auf Gott, weil das Sterben für sie keinen Sinn ergab

Wie Evas Apfel die Geschichte der Menschheit unheilvoll prägte

Wie, um Himmels Willen, kam der Mensch nur auf Gott? Trotz unübersehbarer Säkularisierungstendenzen beschäftigt uns diese Frage auch heute noch intensiv. Denn der Glaube, dass alles mit Gott beginnt und mit ihm enden wird, ist tief in unserem Bewusstsein verankert. Dabei lässt sich darüber streiten, ob Gott in unseren Genen steckt oder "nur" durch Kultur und Erziehung in unser Unbewusstes gepflanzt wurde.

Sicher ist hingegen, dass uns Gott ziemlich egal wäre, wenn wir kein Todesbewusstsein hätten, also nicht wissen würden, dass wir sterben müssen. Alles, was mit Gott zusammenhängt, beginnt mit dem Tod. Gott ist also nicht nur ein religiöses Phänomen, sondern auch ein psychologisches.

Um die These zu versinnbildlichen, greifen wir am besten auf Adam und Eva zurück. Die beiden ersten Menschen lebten in Frieden und Harmonie. Sie kannten keine Ängste, keine Krankheiten. Die Löwen spielten mit den Rehen und die Trauben flogen Adam und Eva in den Mund. Ein Todesbewusstsein kannten sie nicht. Sie sahen ja nie jemanden sterben. Das Leben dauerte für sie ewig, weshalb sie keinen Himmel brauchten. Und folglich auch keinen Gott.

Existenzängste führten zu Gott

Wäre ihnen der Fauxpas mit dem Apfel nicht passiert, hätte Gott für sie überhaupt keine Rolle gespielt. Schließlich lebten sie im Paradies. Also war es sinnlos, wenn sie sich mit metaphysischen und transzendentalen Fragen herumgeschlagen hätten. Im Paradies braucht es keinen Gott, denn die Sinnfrage stellt sich dort nicht wirklich.

Die goldenen Zeiten sind bekanntlich vorbei, seit Adam und Eva jäh aus dem Paradies vertrieben wurden. Bezeichnend ist, dass das Naschen vom Baum der Erkenntnis zur Vertreibung führte. Gott wollte offensichtlich verhindern, dass sich Adam und Eva Wissen aneigneten. Wie heißt es doch in der Bibel: Selig sind die Armen im Geiste.

Seither ist für die Nachfahren der beiden Urmenschen, also für uns, das Leben ein permanenter Kampf, und der Tod unser unsichtbarer Begleiter. Solche Existenzängste haben dazu geführt, dass unsere Vorfahren auf Gott kamen. Sie suchten eine Ursache für Krankheiten, Unfälle und Katastrophen und stießen auf den Schöpfer, von dem angeblich alles Leben ausgeht.

Bei diesem Konzept zeigte sich aber eine schwer überwindbare Krux: Warum hat Gott uns Menschen erschaffen, wenn er uns nach einem kurzen Auftritt auf der Erde wieder verschwinden lässt? Darin ist kein Sinn zu erkennen. Also erfanden unsere Ahnen den Himmel respektive das Leben nach dem Tod. Und dafür brauchten sie Gott, der uns von den Toten auferweckt und in den Himmel holt.

Das Leiden als Prüfung Gottes

Mit dieser Gottesidee fanden unsere Vorfahren auch gleich eine Erklärung für das Leiden auf der Erde: Es war eine Prüfung von Gott, der uns bei Wohlgefallen belohnt und ein Ticket für das Paradies ausstellt. Es ist das gleiche erzieherische Konzept, das irdische Väter bei der Erziehung ihrer Kinder anwenden. Und natürlich auch Mütter, die aber in der Bibel eine untergeordnete Rolle spielen.

Und was passiert mit dem sündigen Rest? Für diesen sollte die Strafe nach dem Tod eine Fortsetzung finden. Und zwar im Anti-Himmel. Und da ohne Führer in der Bibel gar nichts geht, kamen unsere Vorfahren auf den Teufel. Und weil noch Adam und Eva zum Spiel gehörten, erfanden sie flugs die Erbsünde.

Der liebende Vater im Himmel, der uns nach seinem Ebenbild geschaffen hat, führte bei der Vertreibung von Adam und Eva ein Unrechtssystem ein, die Kollektivstrafe. Eine Strafe, die heute geächtet ist und nicht einmal im Militär angewendet werden darf.

Hauptsache, die Autoren der Bibel hatten eine Erklärung für das Leid auf Erden, für Naturkatastrophen, für tödliche Krankheiten.

Funktioniert so die göttliche Logik und Ethik? Wohl kaum. So funktioniert eher die menschliche Phantasie.

Übernahme mit freundlicher Genehmigung des Autors von watson.ch.