Humanistentag Nürnberg

Ein Fest für Freiheitsrechte

Mit dem Schwerpunktthema "Menschenrechte" bot der diesjährige Humanistentag in Nürnberg am letzten Wochenende ein buntes Programm mit vielen Highlights.

Wie im vergangenen Jahr hat der HVD Bayern mit der Deutscher Humanistentag gGmbH auch 2018 nach Nürnberg geladen. Vom 22. bis zum 24. Juni 2018 wurde ein vielfältiges Programm rund um humanistische Themen geboten. Anlässlich des 70. Jubiläums der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte stand die Erfolgsgeschichte, aber auch die Bedrohung der damit verbundenen Werte im besonderen Fokus.

Sowohl für die Eröffnungs- wie auch die Abschlussrede hat das Team um Michael Bauer prominente und leidenschaftliche Verteidiger von Rechtsstaat und Freiheitsrechten gewinnen können. Zur feierlichen Eröffnung im Historischen Rathaussaal forderte der Menschenrechtsprofessor Dr. Dr. h. c. Heiner Bielefeldt von der Universität Erlangen-Nürnberg ein Ende der Rede von der "Abwägung" zwischen Sicherheit und Freiheit. Die Waage, die da imaginiert werde, gebe es nicht. Sicherheit entstehe nicht durch Einschränkung von Grundrechten. Im Gegenteil.

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Thomas Fischer beim Nürnberger Humanistentag 2018. (©

Brynja Adam-Radmanic)

Ebenso flammend kritisierte zum Abschluss des Wochenendes am Sonntagmittag der Strafrechtler und Bundesrichter a. D. Thomas Fischer eine von Kriminalitätsangst gespeiste Psychologisierung von Rechtskonzepten. Ob bei Taten gegen die sexuelle Selbstbestimmung oder bei illegalen Autorennen, bei Flüchtlingskriminalität oder Geldwäsche, immer brauche es Sachkunde, Differenzierung und Rationalität als Bollwerke gegen die allgegenwärtige Hysterisierung.

Kämpferisches für Demokratie, Freiheit und Prinzipien war auch zwischen Eröffnung und Abschluss auf vielen Podien zu hören. Doch auch Humor und Kultur kamen nicht zu kurz. Für anregende Musik sorgten das Weltmusiktrio TRIGANE und die Jazzformation Vibop sowie der Menschenrechtschor unter Leitung von Axel Christian Schullz, der auch einen Workshop am Samstag anbot. Und am Samstagabend füllte der Kabarettist Vince Ebert mit seinem neuen Programm "Zukunft is the Future" trotz gleichzeitig stattfindendem WM-Deutschlandspiel den Aufseßsaal des Germanischen Nationalmuseums.

Aber auch andere sorgten für Heiterkeit. Steffen Münzberg etwa –­ bekannt als humorvoller Autor von Büchern über die Evolution der Sexualität – amüsierte sein Publikum mit gewohnt flapsigen Kommentaren zu tierischen und menschlichen Balzritualen und mit einem Auftritt als Außerirdischer, der sich für uns rätselhafte "Nacktaffen" der Erde interessiert. Wobei Münzbergs Anliegen nicht nur humoristisch war. Er stellte zugleich seine durchaus ernst gemeinte Vision eines modernen Matriarchats vor, bei dem die Verteilung von Besitz von sexuellen Beziehungen entkoppelt wäre.

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Stände beim Nürnberger Humanistentag 2018. (©

Brynja Adam-Radmanic)

Außerhalb der Veranstaltungen gab es zahlreiche Stände zu entdecken, wobei von der säkularen Szene neben den Veranstaltern nur die ebenfalls in Nürnberg ansässige Gesellschaft für kritische Philosophie (GKP) dabei war, sowie die Partei der Humanisten (PdH), die noch Unterschriften sammelte, um bei der Bayernwahl und der Europawahl antreten zu dürfen.

Aber auch bei anderen Ständen gab es einiges zu entdecken. So war etwa auch die Zeitschrift Novo mit einem Stand vertreten und ihr Chefredakteur Johannes Richardt saß beim Thema "Meinungsfreiheit" mit auf dem Podium.

Während Constanze Kurz (Netzpolitik.org und Chaos Computer Club) bei dieser Diskussion vor der technischen Manipulierbarkeit unserer Meinung in Sozialen Medien warnte, sah Richardt die Gefahr eher darin, dass Meinungsfreiheit im Netz aus Angst vor Fake News geschliffen werden könnte. Für Richardt ist nicht Regulierung, sondern das Vertrauen in die freie Debatte der richtige Weg – auch gegen rechten Unsinn. Marc Soignet von der European Humanist Federation, der selbst ungarische Wurzeln hat, zeigte sich alarmiert, dass andere Orbáns Strategien kopierten, die Medien unter Regierungskontrolle zu bringen und rechte Verschwörungstheorien zu verbreiten.

Natürlich war auch Kritik an Religion an diesem Wochenende immer wieder Thema, stand aber selten explizit im Vordergrund der Veranstaltungen. Vielmehr lag der Fokus eher auf Lösungsvorschlägen und eigenem Handeln statt auf einer Opposition zu religiösen Organisationen und Haltungen. Das Podium über Atheismus als Asylgrund etwa konzentrierte sich auf das, was hier in Europa und in Deutschland getan werden kann.

So stellte Stefan Paintner dort die Arbeit der Säkularen Flüchtlingshilfe vor, ein Verein, der sich für die einsetzt, die in ihren Heimatländern aufgrund von Nichtglauben verfolgt werden. Ein Betroffener, Amed Sherwan, wünschte sich, dass Flüchtlingshelfer und Polizei Atheisten wie ihm besser beistehen – etwa bei Morddrohungen durch gläubige Flüchtlinge, wie er sie erlebt hat. Und Michael Bauer betonte, dass Europa mit der Abschaffung eigener Blasphemie-Paragraphen vorangehen müsse.

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Veranstaltung über Islamischen Feminismus (©

Brynja Adam-Radmanic)

Eine der religionskritischsten Debatten des Wochenendes entstand bei einer Veranstaltung über Islamischen Feminismus, die von der Humanistischen Akademie Deutschlands organisiert war. Lale Özisik und Arnd Richter von der Fachhochschule Bielefeld forschen und lehren zu Migrationspädagogik und Feminismus und hatten ein Publikum erwartet, dass den unterschiedlichen Strömungen von frauenrechtlichem Aktivismus innerhalb des Islams wohlwollend gegenübersteht.

Das säkulare Publikum zeigte sich aber naturgemäß skeptisch gegenüber dem Ansatz. Statt klar in Opposition zu gehen gegenüber patriarchalen Regeln und Symbolen, würde der islamische Feminismus und die Vortragenden diese rechtfertigen und Ungleichbehandlungen zwischen den Geschlechtern positiv umdeuten, so der Vorwurf von Zuhörerinnen und Zuhörern.

Neben Deutsch war auf dem Humanistentag auch viel Englisch zu hören. Etwa von dem geflüchteten Arnab Goswami, der beim Podium "Gottlos und verfolgt" über seine Erfahrungen sprach. Oder von den Referenten aus humanistischen Organisationen anderer europäischer Länder, die Best Practice Beispiele aus ihrer Arbeit vorstellten.

Und natürlich sprachen auch die Repräsentanten der großen europäischen Verbände EHF und IHEU meist englisch. Neben Marc Soignet war von der European Humanist Federation (EHF) auch Präsident Giulio Ercolessi gekommen, der ein Grußwort zur Eröffnung sprach. Und von der International Humanist and Ethical Union (IHEU) war Gary McLelland bei der Debatte zum Thema "Welche Werte braucht Europa?" dabei.

Um Gästen wie ihnen auch einen Teil der deutschsprachigen Veranstaltungen zu eröffnen, stand bei der Eröffnung im Rathaussaal und bei den Vorträgen und Diskussionen im Germanischen Nationalmuseum (GNM) ein Dolmetscherservice per Kopfhörer zur Verfügung, bei dem ins Englische übersetzt wurde.

Leider erschien der Aufseßsaal im GMN bei mancher Veranstaltung überdimensioniert und das Publikum verlor sich dort dann etwas. Das lag unter anderem daran, dass es oft noch eine oder sogar zwei parallele Veranstaltungen gab. Denn im 7. Stock des Gewerkschaftshauses um die Ecke fanden zeitgleich andere Debatten statt.

Am Samstag wurde dort im Raum Burgblick etwa über humanistische Seelsorge diskutiert. Wobei sich schon die Begrifflichkeit hier als umstritten erwies. So sehr sich Ulrike Dausel, Gabriele Will und Michael Brade nämlich einig waren, wie notwendig ein solches Angebot von humanistischer Seite ist, so uneinig waren sie sich, ob dieses "Seelsorge" heißen solle und ob die Vor- oder Nachteile des Begriffes überwiegen.

Ebenfalls mit dem schönen Blick über die Dächer von Nürnberg diskutierten danach Dieter Birnbacher, Thomas Sitte und Viola Schubert-Lehnhardt über "Recht auf Leben. Recht auf Sterben" und stritten dabei vor allem um den Stellenwert von Selbstbestimmung.

Insgesamt war es ein Wochenende voller spannender Themen und wichtiger Debatten, über die nicht alle hier berichtet werden konnte. Das ganze Programm kann hier nachgelesen werden.

Der HVD Bayern will mit der Deutscher Humanistentag gGmbH in zwei Jahren wieder einen Humanistentag in Nürnberg anbieten (19.–21. Juni 2020). Aber auch im nächsten Jahr wird es einen Humanistentag geben. Unter Mitwirkung aller säkularen Organisationen Deutschlands wird er vom 5. bis 8. September 2019 in Hamburg stattfinden.

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