Interview

Alibri-Verlag auf der Suche nach "Kompliz*innen"

Seit rund 20 Jahren publiziert der Alibri Verlag Texte von Autor*innen, die für Selbstbestimmungsrechte, Emanzipation, Aufklärung und Wissenschaft eintreten und sich für eine säkulare solidarische und rationale Weltanschauung stark machen. Um sein Programm erweitern zu können, sucht der Verlag nun per Crowdfunding "Kompliz*innen". hpd-Redakteurin Daniela Wakonigg sprach mit Alibri-Chef Gunnar Schedel.

hpd: Auf dem deutschen Buchmarkt tummeln sich nicht gerade viele Verlage, die sich auf Säkulares spezialisiert haben. Warum schrecken deiner Meinung nach so viele Verlage vor solchen Themen zurück, Gunnar?

Gunnar Schedel: Ich würde nicht sagen, dass sie generell davor zurückschrecken. Die Buchbranche unterscheidet sich da nicht prinzipiell von anderen Wirtschaftszweigen: Wenn sich mit explizit säkularen Themen oder Autoren Geld verdienen lässt, finden sich solche Bücher sogar in großen Verlagen. Vor zehn Jahren, als der "Neue Atheismus" gerade boomte, gab es fast jede Woche eine einschlägige Neuerscheinung. Das Problem scheint mir eher, dass es Themen gibt, sagen wir zum Beispiel das kirchliche Arbeitsrecht, die politisch von Bedeutung sind, aber nicht auf breites Interesse stoßen. Ich sehe also eher ein Problem der Kontinuität und der Vollständigkeit: Es gibt viele, auch gute säkulare Bücher, aber wenn sich das Interesse im Wellental befindet, erscheinen wenige, und so manches wichtige Thema findet keinen Verlag.

Alibri hat sich in der stürmischen Brandung des Verlagswesens im Verlauf der letzten Jahrzehnte in Deutschland als DER Verlag für säkulare Themen etabliert. Was treibt euch an und auf welche Probleme stoßt ihr bei eurer Arbeit?

Beispielbild
Gunnar Schedel, Chef des Alibri Verlags (© Evelin Frerk)

Wir haben uns immer als politischer Verlag verstanden. Im Innenverhältnis heißt das, dass wir uns in kollektiven Entscheidungsprozessen üben und unsere Autorinnen und Autoren stark einbinden. Fürs Programm bedeutet das, dass wir genau die gerade angesprochene Kontinuität herstellen wollen und die "Lücken", die andere Verlage lassen, aufzufüllen versuchen.

Unsere Probleme sind zunächst mal die allgemeinen Probleme des Buchhandels: die Konzentrationsprozesse, die damit einhergehenden steigenden Durchschnittsrabatte, der gesamte Strukturwandel der Öffentlichkeit, den wir gerade erleben. Bei uns kam dazu, dass im letzten Jahr unserer Auslieferung der Mietvertrag gekündigt wurde, da sich das Gebäude anderweitig offenbar lukrativer vermieten ließ. Das hatte für uns einen Umzug mit dutzenden Tonnen Büchern zur Folge. Was da an Zeit und Geld aufgewendet werden musste, wäre sinnvoller einzusetzen gewesen.

Vor drei Jahren habt ihr begonnen, euer Programm auch auf Kinder als Zielgruppe zu erweitern. Warum? Und was unterscheidet eure Kinderbücher von anderen?

Unserer Beobachtung nach sinken die Verkaufszahlen im Sachbuch. Die Zukunft liegt vor allem in Büchern, die über einen guten Inhalt hinaus etwas bieten: schöne Bücher, die in der Hand zu halten Spaß macht, die sich besonders anfühlen. Kinderbücher haben diesen ästhetischen Aspekt, dachten wir uns. Vor drei Jahren haben wir uns dann zusammengesetzt und überlegt, wie wir ein Kinderbuchprogramm realisieren können. Und dann haben wir es ausprobiert.

Die Themen unserer Kinderbücher spiegeln schon, was wir auch für die "Großen" bieten: kritische Fragen stellen, die Welt erkennen, solidarisch handeln, überlegen, was anders gemacht werden könnte, aushalten, wenn es mal nicht so gut läuft. Wir haben das Kinderbuch natürlich nicht neu erfunden, aber ich denke, Mona sorgt für ein klares aufklärerisches Profil.

Jetzt wollt ihr ja noch einen Schritt weitergehen und das Programm um den Bereich Graphic Novel und Kunst erweitern. Warum?

Auch hier gilt: Graphic Novels und Kunstbände repräsentieren die Sorte von Buch, der wir gute Aussichten einräumen. Hinzu kommt, dass wir hoffen, damit ein Publikum ansprechen zu können, das gerne schneller informiert werden möchte als über das klassische Sachbuch und zugleich unterhalten werden möchte.

Erstmalig geht ihr auch einen neuen Weg der Finanzierung, denn ihr wollt die aktuelle Programmerweiterung per Crowdfunding stemmen und sucht über Startnext "Kompliz*innen". Was veranlasst euch dazu?

Wir haben das schon mal gemacht, allerdings nicht zur Finanzierung einer Programmerweiterung, sondern um das Geld für eine Werbekampagne einzusammeln. Vielleicht erinnern sich einige noch an das Plakat vor dem riesigen Papst-Banner der Bildzeitung ...

Diesmal geht es aber tatsächlich um etwas anderes. Ich hatte ja schon erwähnt, dass wir einen Umzug zu stemmen hatten, dann gab es das realitätsfremde VG-Wort-Urteil, das uns ein paar tausend Euro gekostet hat, und schließlich liefen letztes Jahr nicht alle Titel so gut, wie wir uns das vorgestellt hatten. Alles zusammen hat dazu geführt, dass wir unsere Reserven einsetzen mussten, die eigentlich dafür vorgesehen waren, das Programm auszubauen.

Da wir unsere Pläne aber nach wie vor für sinnvoll halten, mussten wir uns überlegen, auf welchem Weg wir nun Geld herbekommen.

Warum sollte ich in euer Projekt investieren und was genau würdet ihr mit meinem Geld machen?

Geld geben sollte uns, wer es wichtig findet, dass die säkulare Szene in ihrer Vielseitigkeit zwischen Buchdeckeln Platz findet, und zwar auch in Zeiten, in denen die betreffenden Themen keine Konjunktur haben.

Wir werden damit vor allem die Umstellung finanzieren, die mit der Programmerweiterung einhergeht: Wir kaufen verstärkt Lizenzen, die müssen vorab bezahlt werden, ebenso wie die Kosten für Übersetzung und Illustration. Das ist eben anders, als bei deutschsprachigen Autorinnen und Autoren, die ein Absatzhonorar erhalten – das zu zahlen ist, wenn die Bücher verkauft sind und nicht bevor sie gedruckt sind.

Krieg ich als Alibri-Komplizin auch irgendein "Goodie"? Ich weiß, es ist materialistisch, aber trotzdem …

Kriegste. Teresa hat eine bunte Palette an "Dankeschöns" zusammengestellt, die auf unserer Startnext-Seite aufgeführt sind. Natürlich sind ne Menge Bücher dabei, aber auch ein paar erstaunlich immaterielle – jetzt hätte ich fast "Dinge" gesagt. Schau einfach selbst, ob dich was anspricht.

Aber die eigentliche Belohnung sind natürlich die vielen Titel, die wir jetzt im Herbst und dann im nächsten Frühjahr herausbringen können.

Vielen Dank für das Gespräch und alles Gute für die Crowdfunding-Kampagne!


Weitere Informationen zur Crowdfunding-Kampagne des Alibri-Verlags und die Möglichkeit, Kompliz*in zu werden, finden Sie hier.