Kommentar

Glauben statt Wissen

Wegen des 37. Deutschen Evangelischen Kirchentags fällt in Dortmund die Schule aus, weil die Schulgebäude den Kirchentagsbesuchern als Übernachtungsmöglichkeit dienen. Das sei "jahrzehntelange Praxis" und gehöre zu den Unterstützungsleistungen der Landesregierung, heißt es dazu aus dem Schulministerium. Währenddessen kritisiert der NRW-Ministerpräsident "Fridays for Future".

"Schulfrei für alle!", steht frohlockend auf der offiziellen Internetseite der Stadt Dortmund. Während des Evangelischen Kirchentages vom 19. bis 23. Juni 2019 soll am Mittwoch und Freitag für alle Schüler der Stadt die Schule ausfallen. Am Donnerstag ist sowieso frei, anlässlich des christlichen Feiertags "Fronleichnam". Der Grund dafür, dass der Unterricht nicht stattfinden soll: "Viele Besucher werden vor allem die Dortmunder Schulen als Übernachtungsstätte nutzen." Deshalb hätten sich das Land Nordrhein-Westfalen, die Stadt Dortmund und die Evangelische Kirche entsprechend geeinigt.

Auf eine Anfrage des hpd an das Ministerium für Schule und Bildung Nordrhein-Westfalen hieß es, es gehöre "zur jahrzehntelangen Praxis des Deutschen Evangelischen Kirchentages (…), jeweils circa 30.000 Menschen in Gemeinschaftsunterkünften übernachten zu lassen. Dafür wurden bislang stets Schulen der gastgebenden Stadt zur Verfügung gestellt." Das Bundesland begrüße, dass der Kirchentag in Dortmund stattfindet. "Es ist davon auszugehen, dass diese Veranstaltung bedeutende Impulse in vielerlei Hinsicht für die Region mit sich bringt." Deshalb werde er von der Landesregierung mit einem Beitrag von bis zu 3,5 Millionen Euro unterstützt. Dazu gehöre auch die Nutzung der Schulgebäude. Zur Frage, bei welchen anderen Veranstaltungen in Nordrhein-Westfalen die Schule noch ausfalle und wem die Schulgebäude sonst noch in derartiger Form zur Verfügung gestellt würden, verweist man auf "den Schulträger".

Außerdem handle es sich um gar keinen Unterrichtsausfall, ließ das Ministerium weiter wissen. Der betreffende Freitag sei nämlich ein beweglicher Ferientag. Von diesen gibt es vier im NRW-Schulkalender, sie werden von Schulen und Schulträgern gemeinsam festgelegt. Der versäumte Unterricht am Mittwoch solle von den Schulen vorgezogen oder nachgeholt werden beziehungsweise "in anderer Form, wie zum Beispiel einem Studientag für die Schülerinnen und Schüler" erteilt werden.

Dennoch erscheint es fraglich, warum es gerechtfertigt sein soll, Schulen, zu deren Besuch Kinder und Jugendliche verpflichtet sind und deren Betrieb durch öffentliche Gelder gewährleistet wird, statt als Bildungs- als Übernachtungsstätte für eine Privatveranstaltung zu nutzen und den regulären Schulbetrieb einzustellen, beziehungsweise bewegliche Ferientage dafür einzusetzen. Man könnte spekulieren, Landesregierung, Kirche und Stadt möchten gerne, dass die jungen Menschen das Glaubensfest besuchen. "Die Kinder haben dann die Gelegenheit, ein echtes Mega-Event zu erleben", schreibt ruhr24.de denn auch frei heraus.

Anfang Februar hatte Armin Laschet (CDU), Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, die Bewegung "Fridays for Future" kritisiert, deren Markenzeichen es ist, dass Schüler freitags lieber gegen den Klimawandel und für ihre Zukunft demonstrieren, anstatt den Unterricht zu besuchen. "Finden Sie es nicht glaubwürdiger, wenn die gleichen Schüler zu Tausenden, nachdem die Schule zu Ende ist, sich versammeln würden. Dann würde jeder sagen: Mein Gott, die bringen ein persönliches Opfer, in ihrer Freizeit für eine gute Sache anzutreten. Einfach den Unterricht schwänzen ist da der leichtere Weg", sagte der konservative Politiker im WDR. Beim Kirchentag scheint das hingegen kein Problem zu sein. Da wäre es ja vielleicht auch glaubwürdiger, wenn die Schüler die Kirchentagsveranstaltungen in ihrer Freizeit besuchen würden, wenn es sie denn wirklich interessiert. Politisches Engagement: Nein, danke. Missionierung: Jederzeit, gerne! "A Friday for Past" könnte man das nennen.