Zuchtmanie in den Zoos

Hertha, Meng Meng und Ivo

Tierkinder in den Zoos sind seit je Garanten für zahlende Kundschaft, weswegen in den Käfigen und Gehegen hierzulande auch auf Teufel komm raus "gezüchtet" wird. Auch wenn keiner der beteiligten Zoos weiß, wohin mit den heranwachsenden Jungtieren, wenn sie ihre Rolle als Kassenmagneten erfüllt haben.

Seit Langem schon bemühen sich die Zoodachverbände deshalb um eine Sondererlaubnis, überflüssig gewordene Zootiere schlachten und an die hauseigenen Großkatzen verfüttern zu dürfen, was nach geltendem Tierschutzrecht – noch – verboten ist. Nur mit Ratten, Meerschweinchen und bestimmten Huftieren darf das gemacht werden.

Vor allem Eisbärennachwuchs beschert den Zoos regelmäßig einen Besucheransturm. Der Ostberliner Tierpark Friedrichsfelde wird, wie weiland der Westzoo bei "Knut", derzeit von Kinderhorden überrollt, samt Mamis, Papis, Omis und Opis, die alle – "guck’ mal wie süß" – Eisbärmädchen "Hertha" besichtigen wollen.

Im Westen experimentiert man derweil mit künstlicher Befruchtung von Pandadame "Meng Meng", die zusammen mit dem – offenbar zeugungsunwilligen – Pandamann "Jiao Qing" vor knapp zwei Jahren aus China importiert worden war. Für die sagenhafte Mietgebühr von 1 Mio Euro. Pro Jahr, versteht sich, bei einer Laufzeit von fünfzehn Jahren – zu zahlen direkt an die chinesische Regierung. Das muss sich irgendwie amortisieren, zumal man für die beiden Chinaimporte eigens ein neues Schaugehege gebaut hatte, dessen Kosten sich auf schlappe 10 Mio Euro beliefen. Bezahlt überwiegend aus Steuergeldern. Da muss einfach Nachwuchs her, zumal auch Kanzlerin Merkel wortreich die "deutsch-chinesische Freundschaft" beschwor, die sich gerade in den beiden nach Berlin verfrachteten Pandabären zeige.

"Peinliche Luftpumpe"

Ein anderes Promi-Opfer der Nachzuchtmanie in den Zoos ist Silberrücken "Ivo", der vierzehn Jahre seines Lebens in Berlin zur Schau gestellt wurde. 2005 war der damals 17-jährige Gorilla aus dem Münchner Tierpark Hellabrunn an den "Hauptstadtzoo" verhökert worden, ausdrücklich mit der Aufgabe, dort für publikumswirksamen Nachwuchs zu sorgen.

Seit sich bei einer medizinischen Untersuchung "Ivos" Zeugungsunfähigkeit herausgestellt hatte, stand er auf dem Abschiebegleis.

Eine große Berliner Tageszeitung forderte Zoodirektor Knieriem auf, schnellstmöglich Ersatz für die "peinliche Luftpumpe" zu besorgen. Anfang 2019 nun wurde der mittlerweile 31-jährige "Ivo" an den Zoo Saarbrücken abgeschoben, wo man ihn in eines der dortigen Bunkerabteile steckte, zu einer Gruppe älterer und nicht mehr fortpflanzungsfähiger Artgenossinnen.

Was es für "Ivo" bedeutete, gewaltsam aus seiner Familie herausgerissen und an einem fremden Ort mit fremden älteren Gorillafrauen zwangsvergesellschaftet zu werden – und was es für diese bedeutete –, bekümmerte niemanden; zumal man bereits einen Nachfolger für ihn in petto hatte: den 14-jährigen "Sango" aus dem westfranzösischen Affenzoo Valle des Singes. Auch er war aus seiner gewachsenen Bezugsgruppe herausgerissen worden – zudem aus einer für Zooverhältnisse nachgerade vorbildlichen Haltung auf einer dichtbewaldeten Insel –, um nach kurzer Zwischenstation in einem belgischen Privatzoo nach Berlin verschubt zu werden. Eingesperrt hinter Panzerglas und auf nacktem Betonboden soll er nun schnellstmöglich Gorillanachwuchs produzieren.

Nicht selten ertragen gerade Menschenaffen den ungeheuren Stress nicht, gewaltsam aus ihren Familien herausgerissen zu werden. Sie erleiden eine akut einsetzende Funktionsstörung des Herzmuskels (Broken-Heart- oder Tako-Tsubo-Kardiomyopathie), die mit lebensbedrohlichen Komplikationen einhergehen kann. Den Zoos ist das egal: Stirbt ein Tier aufgrund der ständigen Hin- und Herschieberei, bestellt man sich einfach ein neues.