Israel

"Corona-Hotspots" bei ultra-orthodoxen Juden

Da hat Jahwe wohl nicht aufgepasst: Ausgerechnet in den Gebieten, in denen in Israel ausgesprochen streng religiöse Juden leben, hat sich das Virus besonders schnell verbreitet – weil die Ultra-Orthodoxen die Kontaktverbote lange nicht einhielten. Doch auch die obersten Staatsvertreter fallen negativ auf.

Allerorten haben Religiöse so ihre Probleme mit dem Coronavirus. Da prallen Glauben und Wissen aufeinander: Infektionsschutzmaßnahmen aufgrund wissenschaftlicher Erkenntnisse zur Ansteckungsweise gebieten das Fernhalten vom Gottesdienst, während ja in ihrer Welt nur Gott wirklichen Schutz bieten kann. Entsprechend kommt es bei besonders gläubigen Menschen immer wieder zu Verstößen gegen die Vorkehrungen. Das Resultat deutet jedoch auf eine äußerst geringe Effektivität des göttlichen Immunsystems hin: In Israel sind die Gebiete, in denen besonders viele streng religiöse Juden leben, "Corona-Hotspots", berichtete tagesschau.de.

Sie missachteten Ausgangssperren und Kontaktverbote, feierten weiter Hochzeiten und hielten Schulunterricht in Privatwohnungen ab. Als die Polizei versuchte, sich durchzusetzen, reagierte man mit Unverständnis, beschimpfte sie als "Nazis" und beim Versuch, Synagogen zu schließen, wurden die Beamten sogar angegriffen, schrieb die taz. Eine Korrespondentin der ZDF-heute-Nachrichten zeigte in Bnei Berak, der Hauptstadt der Ultra-Orthodoxen, ein Plakat, das verkündete, dass die rasante Ausbreitung des Coronavirus mit einer zu geringen Beachtung religiöser Gebote zu tun habe.

Doch gerade unter denen, die diese Vorschriften am meisten beachten und ihr Leben ganz in den Dienst ihres Gottes gestellt haben, verbreitete sich der Krankheitserreger enorm: Anfang des Monats sollen möglicherweise sogar 40 Prozent der Einwohner Bnei Beraks infiziert gewesen sein, die Fallzahlen seien laut tagesschau.de zeitweise um das Achtfache höher gewesen als der Durchschnitt des gesamten Landes. Die Stadt wurde daraufhin abgeriegelt, alte Menschen evakuiert.

Gründe für die schnelle Verbreitung könnten neben der vorsätzlichen Missachtung der Maßnahmen auch Unwissenheit gewesen sein: Israel setzt bei der Bekämpfung der Pandemie auf Überwachung und Benachrichtigung via Smartphone. Da orthodoxe Juden sich aber von moderner Technik und den großen Medienanstalten abschotten, erreichten sie die Hinweise nicht. Ein anderer Grund könnte ihre Lebensweise sein: Sie sind arm und wohnen deshalb mit ihren vielen Kindern auf engstem Raum.

Mittlerweile scheinen sich die streng Religiösen an die Beschränkungen zu halten, einerseits, weil Polizei und Armee patrouillieren und die Einhaltung der Ausgangssperre zusätzlich mit Drohnen überwachen, andererseits, weil diejenigen, auf die viele der ultra-orthodoxen Juden mehr hören als auf staatliche Autoritäten, jetzt mitmachen: die Rabbiner. Verbreitete der einflussreiche Chaim Kanievsky Mitte März noch die Ansicht, wenn man aufhöre, die Tora zu studieren, sei dies schlimmer als eine Covid-19-Erkrankung, nahm er die Aussage später zurück und riet stattdessen, alleine und draußen zu beten, ansonsten aber zu Hause zu bleiben.

Was jedoch nicht unbedingt zur allgemeinen Disziplin beiträgt, ist die Tatsache, dass auch hohe Landesvertreter selbst gegen die Schutzvorkehrungen verstoßen: Der seinerseits strenggläubige Gesundheitsminister soll sich bei einem illegalen Gottesdienst angesteckt haben, während Premier und Präsident das Pessachfest mit Verwandten feierten. Und das, obwohl Benjamin Netanjahu gerade erst seine Quarantäne hinter sich gebracht hatte, in die er sich wegen einer positiv getesteten Mitarbeiterin begeben musste. Als Vorbilder in der Corona-Krise taugen diese beiden Staatsmänner wohl eher nicht.

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