Am 8. Februar 2021 feiert Hans Albert, der die Philosophie des Kritischen Rationalismus maßgeblich geprägt hat, seinen 100. Geburtstag. Aus diesem Anlass wird die Giordano-Bruno-Stiftung am kommenden Montag einen Online-Festakt ausrichten, auf dem erstmalig der Dokumentarfilm "Hans Albert – Der Jahrhundertdenker" gezeigt wird. Bereits heute hat das Hans-Albert-Institut eine Geburtstagsseite freigeschaltet, die bislang unveröffentlichte Film- und Tondokumente enthält und über die man dem Jubilar Glückwünsche übermitteln kann.
Als Vordenker des Kritischen Rationalismus steht Hans Albert für eine wissenschaftliche Denkweise, die sich durch Klarheit, Kritikfähigkeit und Aufgeschlossenheit gegenüber alternativen Denkansätzen auszeichnet. Internationale Bekanntschaft erlangte er bereits in den 1960er Jahren durch sein Standardwerk "Traktat über kritische Vernunft" sowie durch die Beteiligung am sogenannten "Positivismusstreit", bei dem Albert an der Seite Karl Poppers gegen Theodor W. Adorno und Jürgen Habermas Stellung bezog.
Anders als viele seiner akademischen Kollegen scheute sich Albert nicht vor religionskritischen Aussagen, wovon unter anderem seine Bücher "Das Elend der Theologie" (1979), "Joseph Ratzingers Rettung des Christentums" (2008) und "Zur Analyse und Kritik der Religionen" (2017) zeugen. Daher verwundert es auch nicht, dass Hans Albert 2004 zu den Gründungsbeiräten der Giordano-Bruno-Stiftung (gbs) gehörte. Anlässlich seines 99. Geburtstages hat die Stiftung 2020 das Hans-Albert-Institut (HAI) ins Leben gerufen, das zu einer Stärkung des kritisch-rationalen Denkens in Politik und Gesellschaft beitragen soll. Nun, zu Alberts 100. Geburtstag, lässt es sich die gbs selbstverständlich nicht nehmen, ihrem Stiftungssenior in angemessener Weise zu gratulieren – auch wenn dies in Corona-Zeiten nur unter erschwerten Bedingungen, nämlich im virtuellen Raum, geschehen kann.
Online-Festakt zum 100. Geburtstag
Am 8. Februar wird die Giordano-Bruno-Stiftung in Kooperation mit dem Hans-Albert-Institut und dem Koordinierungsrat säkularer Organisationen (KORSO) einen virtuellen Festakt zu Alberts 100. Geburtstag ausrichten, der ab 19.00 Uhr live via YouTube ausgestrahlt wird. Ein besonderer Höhepunkt des Programms wird die Premiere des 25-minütigen Dokumentarfilms "Hans Albert – Der Jahrhundertdenker" sein, der ebenso informativ wie unterhaltsam in das Leben und Werk Hans Alberts einführt.
Weitere Programmpunkte des Festakts: Nach einem Grußwort von Rainer Rosenzweig (Vorsitzender des KORSO), der auf Alberts Bedeutung für die säkulare Szene in Deutschland eingeht, wird der Jurist und Rechtsphilosoph Eric Hilgendorf (gbs-Beirat und HAI-Direktoriumsmitglied) die Laudatio auf Hans Albert halten. Anschließend wird die Physikerin Sophie Strobl den Aufbau und die Arbeit des von ihr mitgegründeten Hans-Albert-Instituts kurz erläutern. Moderiert wird der Festakt am 8. Februar von Eva Witten (gbs-Mitarbeiterin sowie Vorstandsmitglied des Düsseldorfer Aufklärungsdienstes).
Die Website zum 100. Geburtstag
Bereits am heutigen Tag hat das Hans-Albert-Institut die Website zum 100. Geburtstag freigeschaltet. Hier findet man neben grundlegenden Informationen zu Hans Albert bislang unveröffentlichte Bilder, Film- und Tondokumente sowie eine umfangreiche Publikationsliste. Das "Digitale Hans-Albert-Archiv" soll in den kommenden Monaten kontinuierlich ausgebaut werden.
Zudem bietet die Website einen besonderen Service an: Wer dem Jubilar zu seinem runden Geburtstag gratulieren will, kann dies ab sofort über ein speziell dafür eingerichtetes Kontaktformular des Hans-Albert-Instituts tun. Die Webredaktion des Instituts wird die eingegangenen Glückwünsche sammeln und per Post an Hans Albert weiterleiten.
Essay-Wettbewerb und Symposium zum 100. Geburtstag
Schon vor einigen Monaten hat die Stiftung (in Kooperation mit dem Hans-Albert-Institut und der Bundesarbeitsgemeinschaft Humanistischer Studierender) einen Essay-Wettbewerb zu Alberts 100. Geburtstag ausgeschrieben, an dem sich Nachwuchs-Rationalistinnen und -Rationalisten bis 30 Jahre beteiligen können. Die Einsendefrist für die Beiträge endet pünktlich an Alberts Geburtstag, dem 8. Februar 2021. Noch ist für die Einreichung also eine Woche Zeit! Es winken lukrative Preisgelder sowie eine Einladung zum großen Hans-Albert-Kongress im September 2021.
Ausrichter des Albert-Symposiums "Konstruktion und Kritik" ist der Lehrstuhl von Prof. Dr. Dr. Eric Hilgendorf in Zusammenarbeit mit dem Hans-Albert-Institut. Die Tagung, die sich mit dem facettenreichen Denken und Werk von Albert auseinandersetzen wird, soll vom 3. bis 4. September an der Universität Würzburg stattfinden – sofern die Corona-Maßnahmen dies zulassen. Auf diesem Symposium sollen auch die Gewinnerinnen und Gewinner des Rationalitäts-Wettbewerbs ausgezeichnet werden.
Alberts Bedeutung für die Giordano-Bruno-Stiftung
Die zahlreichen Aktivitäten der Giordano-Bruno-Stiftung zu Alberts 100. Geburtstag sind keineswegs Ausdruck einer "Heldenverehrung", die der freigeistigen Philosophie Hans Alberts völlig widersprechen würde. Sie belegen vielmehr, wie grundlegend sein kritisch-rationaler, humanistischer und naturalistischer Denkansatz die Stiftung von Anfang an geprägt hat (siehe hierzu unter anderem die im Dezember 2020 erschienene HAI-Broschüre "Leidenschaft zur Vernunft").
Wie groß der Einfluss der Albertschen Philosophie im Hinblick auf die Entstehung und Ausrichtung der Giordano-Bruno-Stiftung war (und noch immer ist), zeigt ein Beitrag von gbs-Vorstandssprecher Michael Schmidt-Salomon, der vor wenigen Wochen im Fachmagazin Information Philosophie veröffentlicht wurde. (Neben Schmidt-Salomon kamen in der "Albert-Würdigung" des Magazins auch die Professoren Eric Hilgendorf, Volker Gadenne, Josef Mitterer sowie Jürgen Mittelstraß zu Wort. Mit freundlicher Genehmigung des Verlags darf das HAI diese Texte hier online bereitstellen). In seinem Artikel brachte Schmidt-Salomon den richtungsweisenden Impuls, der von Albert sowohl für die Entwicklung seiner eigenen Philosophie wie auch für die Giordano-Bruno-Stiftung ausging, folgendermaßen auf den Punkt:
"Philosophie sollte, wie Albert darlegte, nicht um sich selbst zirkulieren, sondern Probleme lösen, die von Bedeutung sind. Deshalb verstand er den Kritizismus auch nicht als eine Veranstaltung für den Elfenbeinturm, sondern als eine Lebensweise, die sich im Alltag bewähren muss. (…) Wir wollen dem Vermächtnis des 'Jahrhundertdenkers' Hans Albert dadurch gerecht werden, dass wir den ideologiekritischen Impuls seiner Philosophie auf die Probleme der Gegenwart anwenden, etwa auf die Verengung der Debattenkultur im Zuge des identitären Lagerdenkens. Angesichts der großen globalen Herausforderungen, vor denen wir stehen, gilt es heute in besonderem Maße, den 'Alternativ-Radikalismus' (Albert) zu überwinden. Denn nur so können wir, wenn es darauf ankommt, das Richtige tun – nämlich falsche Ideen sterben lassen, bevor Menschen für falsche Ideen sterben müssen."
Erstveröffentlichung auf der Website der gbs.
5 Kommentare
Kommentare
Hans Trutnau am Permanenter Link
Die HAI-Seite ist sehr schön gestaltet.
Und ich registriere mit Freude, dass sowohl dort wie auch hier die ominöse 'Annäherung an die Wahrheit' keine Erwähnung mehr findet!
Adam Sedgwick am Permanenter Link
Ja, die Giordano Bruno Stiftung tut gut daran sich des hundertsten Geburtstages von Hans Albert zu erinnern, nicht nur das, sondern auch ein gleichnamiges Institut gegründet zu haben.
Aber neben der Pandemie bleiben ja noch die ganzen anderen großen Probleme der Menschheit bestehen, nämlich der weiter angeschürte Konflikt zwischen der notwendigen Landwirtschaft und dem ebenso notwendigen Naturschutz. Über allem schwebt dann auch noch das Damoklesschwert der exponentiell wachsenden Erdbevölkerung, der zentralen Ursache für die aufkommende Apokalypse auf unserer Erde.
Wie lassen sich nun Lösungen für das Überleben der Menschheit entwickeln. Wir bauen auf den kritischen Rationalismus. Zur Lösung der vorhandenen und noch zu erwartenden Probleme bauen wir ganz rational auf die Natur- und Technikwissenschaften. Auch wenn in beiden Wissenschaften die vollständige Wahrheit nicht erreicht werden kann, gibt es die Alternative, zumindest was die Natur angeht, man überlässt sie sich selbst. Die Selbstheilungskräfte sowohl der einzelnen Organismen, der Populationen als auch der gesamten Natur kann nicht hoch genug geschätzt werden. Also das „Nichtstun“ ist in vielen Bereichen eine Wohltat, eine zukünftige hohe Tugend. Wenn tausende von Flugzeugpiloten nichts tun, ist das für die Qualität der Luft ein Segen, ebenso wenn in Naturschutzgebieten nicht nach Öl gefördert wird, tun wir uns den größten Gefallen. Es lassen sich hier noch eine Menge weiterer Projekte des „Nichtstuns“ aufführen. Eigentlich haben wir damals schon in den 50er Jahren in der Volksschule etwas von der Dreifelder-Wirtschaft gehört, ein Feld bleibt brach liegen und kann sich erholen, während die anderen beiden bebaut werden, so geht es dann reihum. Also etwas Arbeits-Abstinenz galt damals als vernünftig. Solche Ideen wären aber heutzutage nötiger denn je, sicherlich gehören dazu wissenschaftliche Konzepte zur Optimierung. Bei anderer Gelegenheit ließen sich die hier gemachten Vorschläge erweitern und vertiefen. Vielleicht nehmen sich die jungen Menschen dieser und ähnlicher Themen im Sinne von Hans Albert in dem hier ausgelobten Essay-Wettbewerb an.
Hans Trutnau am Permanenter Link
Lieber Adam, die (menschliche) Erdbevölkerung wächst seit Jahrzehnten nicht mehr exponentiell; da sitzt du einem modernen Mythos auf, der leider auch immer wieder kritiklos wiederholt wird.
Adam Sedgwick am Permanenter Link
Lieber Hans,
ja das stimmt, aber die Bevölkerung wächst immer noch, wenn auch verlangsamt. Ich verabschiede mich aber gerne vom Mythos des exponentiellen Wachstums.
Erstaunlich sind übrigens die Genauigkeiten der Vorhersagen der Bevölkerungsentwicklung. Ich habe eine Arbeit von Hermann Schubnell aus dem Jahre 1967 (n+m, 4.Jhrg., Heft Nr.18), er sagt für das Jahr 2000 eine Bevölkerung von 6,13 Mrd voraus, und dies stimmt mit der tatsächlichen Zahl überein! Übrigens ist das ein sehr guter und differenzierter (schließt viele soziologische Betrachtungen mit ein) Artikel über die Bevölkerungsentwicklung. Natürlich findet man im Netz bei Wikipedia viele Informationen und Quellenangaben.
Hans Trutnau am Permanenter Link
Lieben Dank für deine Verabschiedung von dem Mythos, Adam; solch eine Art Eingeständnis sehe ich hier in der hpd-Kommentarspalte leider viel zu selten, meinen großen Respekt dafür!
Das Hauptproblem scheint mir zu sein, dass uns das (ehemalige) exponentielle Wachstum im 19. und 20 Jhd. in eine (inzwischen überschrittene?) 'kritische Masse' Mensch einschl. ihrer bekannten 'Nebenwirkungen' gesteuert hat (was zuvor auch Malthus nicht vorausgesehen hat bzw. voraussehen konnte).
Die Frage wird sein, wie wir diese kritische Masse (und / oder deren Nebenwirkungen) in Zukunft wirkungsvoll unterschreiten bzw. begrenzen können.
Ich habe darauf leider keine ganz einfache Antwort.