Die hasserfüllten Augen des Herrn Deschner

Tatsächlich aber ist das Evangelium den Menschenrechten entgegengesetzt, denn dieses ist eine Botschaft der Gottes- und Nächstenliebe. Da der Gott der Bibel aber gegen Andersgläubige einen abgrundtiefen Hass hegt, kann die Gottesliebe durchaus dahingehend verstanden werden, dass man Andersgläubige verfolgen soll und die „Feindesliebe“ der Bergpredigt nur für persönliche Feinde gilt. Das hat Papst Pius V. (1566 bis 1572) gut auf den Punkt gebracht: „Es gibt keinen Grund, die Feinde Gottes zu schonen“, befand der ehemalige Großinquisitor im Zusammenhang mit der Verfolgung der Protestanten. Aus dem Umfeld dieses Papstes wurde auch Elisabeth I. von England an den dortigen katholischen Untergrund zum Attentat freigegeben. In Ricardas Film verweisen viele Katholiken auf die Geschichte der Heiligen als Gegenstück zur Kriminalgeschichte. Dabei sind doch gerade die Heiligen ein Teil von ihr. Auch Pius V. ist ein Heiliger. Er ist der zweitletzte Papst, der heiliggesprochen wurde, seitdem folgte nur Pius X. (1903 bis 1914). Papst Urban II., der Initiator des Ersten Kreuzzuges (1096 – 1099), wurde nur „seliggesprochen“. Der Heilige Bernhard von Clairveaux war dann der Initiator des Zweiten Kreuzzuges (1147 – 1149).

Was die Nächstenliebe betrifft, so nimmt man hier oft nicht zur Kenntnis, welche Schlussfolgerungen sich ergeben, sobald dieselbe im Kontext zu anderen zentralen Aussagen des Evangeliums gesehen wird. In Mk 16 - und nicht nur dort - wird den Andersgläubigen pauschal die ewige Verdammnis verheißen und diese in vielen Stellen eindeutig als strafweise zugewiesenes, ewiges und qualvolles Dasein geschildert. Der Katholische Weltkatechismus zitiert hier die Bibelstellen, ohne sie durch metaphorische Verharmlosungsdeutungen zu entleeren (Rz 1033 f.). Ein Mensch, der glaubt, dass Andersgläubige verdammt werden, sich aber zur Liebe verpflichtet fühlt, muss zwangsläufig für die alleinseligmachende Religion das Monopol für religiöse Unterweisung durchsetzen; Abfall vom Glauben und Verführung zum Abfall vom rechten Glauben sieht er als Kapitalverbrechen an,, welche mit der Höchststrafe (Tod) zu ahnden sind. Die Etablierung der wahren Religion als herrschende Staatsreligion muss dann notfalls durch Kriege geklärt werden und militärische Expansion, die den Handlungsspielraum der Missionare absichert, ist sodann ein heiliges Werk.

So ist es nicht überraschend, wenn der Aufstieg des Christentums zur römischen Staatsreligion (380) fast sofort mit der strafrechtlichen Verfolgung von Ketzern und Heiden einherging. Bereits in der Spätantike kam die Todesstrafe zum Einsatz. Die spezielle Methodik der sogenannten Inquisition wurde im 13. Jahrhundert eingeführt. Seit Papst Innozenz IV. (1243 – 1254) kam hier die Folter zur Anwendung. Das letzte Todesurteil der Inquisition wurde 1815 in Mexiko vollstreckt. Der Heilige Augustinus (354 – 430) selbst plädierte für die Einführung staatlicher Zwangsmittel zur Sicherung der Erziehung zur Rechtgläubigkeit. Die erfolgreiche Zwangskatholisierung seiner donatistischen Heimatstadt hat ihn von solchen Methoden überzeugt. Seine Statue steht heute im Petersdom in Rom, wo er mit drei anderen Kirchenlehrern den Stuhl Petri hält. In den meisten Ländern, die später in Europa und Amerika christianisiert wurden, spielten Glaubenskriege, die nicht selten in Völkermord ausarteten, eine große Rolle oder die Christianisierung war überhaupt durch Eroberung bedingt.

Der deutsche Kaiser Ferdinand II. (1619 bis 1637) ist einer der Hauptschuldigen am Desaster des 30-jährigen Krieges (1618 bis 1648), in dem Deutschland mindestens ein Drittel seiner Bevölkerung verlor. Die Historikerin Wedgwood bescheinigt dem erzkatholischen Potentaten ein ehrliches Wohlwollen gegenüber seinen Untertanen. Er wollte eben die Rahmenbedingungen für deren Seelenheil optimieren und der katholischen Kirche den alleinigen Zugang zu ihnen sichern. Am Ende des Krieges hat der Vatikan die Friedensverträge verdammt, weil sie die Rückgabe einiger Gebiete an die protestantischen Reichsstände verfügten. Überflüssig zu sagen, dass auch die Reformatoren die Hinrichtung religiöser Dissidenten betrieben.

Vielleicht finden manche diese Herleitung totalitärer Denkmuster aus der Heiligen Schrift weit hergeholt. Eine Bibelinterpretation ist allerdings immer weit hergeholt. Der Wildwuchs an Widersprüchlichkeit und die fast immer fehlende gedankliche Klarheit machen eine seriöse Auslegung ohnehin unmöglich. Wenn man allerdings aus dem biblischen Doppelgebot der Gottes- und Nächstenliebe Toleranz herauslesen will, zeugt dies zweifellos von der allerschlechtesten Auslegungstechnik. Nämlich davon, die Bibel auf wenige Sätze zu reduzieren und alles Übrige zu ignorieren. Die Unkultur der Verdrängung und Beliebigkeitsauslegung, die uns von den modernen Theologen geliefert wird, zeigt sich z. B. in der Zurücknahme der pauschalen Verdammung der Nichtchristen, mit der Begründung, als „Getaufter“ gelte auch derjenige, der das Evangelium ohne eigene Schuld nicht kennt, aber „Gott mit aufrichtigem Herzen sucht“ (Kath. Katechismus Rz 847).

Für die Opfer der christlichen Kriminalgeschichte der letzten 2000 Jahr kommt dieses windige Manöver aber reichlich spät, übrigens kann sogar Mahatma Gandhi diese Bedingung nicht erfüllen, da er ein guter Kenner des Evangeliums war und sich nie taufen ließ.