Deutschland Deine Kinder (Teil 2)

1972

Komm unter meine Dusche

Ich bin in den siebziger Jahren Schüler am Aloisiuskolleg gewesen. Ich bin dort von einem Pater seelisch und körperlich misshandelt worden, weil er offenbar von mir besessen schien und mich unbedingt brechen wollte, um mich zu besitzen.

Ein Satz, der sich nicht so leicht hinschreibt. Aber er stimmt. Drei furchtbare Jahre bin ich von diesem Mann wie von einem enttäuschten Liebhaber gequält und gedemütigt worden. Und was war sein Ziel? Mich unter seine Dusche zu bekommen. Ein Satz, der sich nicht so leicht glauben lässt. Doch auch er stimmt.

Am Ende stand für mich das Ende: Der Verweis von der Schule – und zwar ohne Schulabschluss. Nach diesem Hinauswurf war ich nicht mehr in der Lage, eine andere Schule zu besuchen. Dass ich trotzdem noch meinen Weg ins Leben gefunden habe, ist nicht das Verdienst des Kollegs.

Aber der Reihe nach. Ich stamme aus katholischem Milieu. Die Eltern waren noch vor dem Mauerbau aus der DDR ins Rheinland geflohen, nicht zuletzt wegen der Verfolgung allen christlichen Lebens durch die Kommunisten. Und so fühlte ich mich am Aloisiuskolleg zunächst einmal recht wohl. All die Gebete, die Heiligen Messen, der Religionsunterricht, das schien so ganz meine Welt zu sein. Auch bei der Jugendorganisation, dem ND, dem Bund Neu Deutschland, hatte ich mich gleich als Sextaner angemeldet. Ich war bis zum Ende dabei, hatte wohl kein einziges Ferienlager verpasst, wurde sogar "Jungritter". Und genauso ritterlich fühlte ich mich auch. Meinen Mitschülern gegenüber immer hilfsbereit, mit großen Respekt vor dem anderen Geschlecht.

Mit den Lehrern kam ich gut zurecht. Meine Leistungen waren ordentlich. Nur in Mathematik war ich ein wenig zurück. Ich betete darum, dass es bloß keine Nachhilfe geben würde.

Für diese war nämlich der Internatsleiter zuständig. Ein vielbeschäftigter Mann. Der hatte nun wirklich alle Hände voll zu tun. Nicht nur mit der Pflege des naturwissenschaftlichen Bereichs der Schule, sondern auch mit anderen Dingen. Er war als der große "Nackte-Jungens-Fotograf" bekannt. Als großer "rektaler Fiebermesser". Als großer "Kleine-Jungens-Abduscher".

Als Internatsleiter war er schon damals innerhalb des Kollegs mächtig, brachte er doch die Spendengelder der wohlbetuchten Internatseltern ein. Ein weiteres Hobby war der Park. Sein Park. Hier durften dann die Eltern besonders der Schüler, die in schulische Schwierigkeiten geraten waren, Bäume spenden. Dies half wundersamer Weise auch bei den schlechtesten Schulnoten. Interessanterweise auch in solchen Fächern, mit denen er als Mathematiklehrer gar nichts zu tun hatte.

Beim Anlegen des Parks durften dann auch strafwürdige Schüler zur Hand gehen. Strafwürdig war man, wenn man zum Beispiel über den Gang hastete. Aber auch wenn man bummelte. Also: Hemd aus, Spaten in die Hand, und nachher half dann der Pater persönlich, den ehrlich erworbenen Schweiß wieder abzuduschen.

Außerdem war er damit befasst, sich ständig neue Bestrafungen einfallen zu lassen. Von denen sollte ich bald auch ein paar zu schmecken bekommen.

Aber noch waren wir uns ja noch nicht begegnet, da ich externer Schüler war und er meistens im Internat beschäftigt war. Dort hingen auch die erotischen Jungens-Bildchen, die er tagsüber so schoss, an den Wänden. Er war eigentlich den ganzen Tag von nackten Jungens umgeben, auf Bildern, beim Duschen, beim Fiebermessen und beim Bestrafen. Im Schulpark stand und steht noch heute die Statue mit den zwei vornüber gebeugten nackten Jungen mit kleinen Penissen. Wie bitte, alles ganz harmlos? Wieso stehen dann vor der Godesberger Nonnenschule nicht auch zwei nackte Bronzemädchen mit gespreizten Beinen...

Während der Schulferien nahm er sich vier oder fünf Jungs mit zum Segeln nach Korsika oder zum Saunen nach Finnland. Eigentlich hätte man erwartet, dass ein Pater (Vater!) seine Filii (Söhne!) mit nach Rom oder Lourdes nimmt. Und zwar bekleidet. Musste er im Unterricht nicht gelitten haben wie ein Hund, da dies die einzige Zeit des Tages war, wo er keine nackten Jungs zu sehen bekam! Allerdings wusste er sich auch hier Abhilfe zu verschaffen und so musste der eine oder andere sich in den Pausen bei ihm zu einer Kleideranprobe oder zum Beschnuppern, dem "Gestankstest", einfinden.

Dieser sollte auch mir noch blühen, aber dazu später. Er war auch bekannt dafür, unbotmäßige Jungs nackt in dunkle Räume einzusperren oder in den eiskalten Brunnen steigen zu lassen. Von all dem hatten wir natürlich bereits gehört. Dann mussten das aber doch auch die anderen Lehrer gewusst haben! (Warum taten sie nichts?)

Ich hatte also schon Angst, als ich erfuhr, dass er unser neuer Mathematiklehrer werden sollte.