(hpd) Der Journalist Ian Johnson schildert in seinem Buch die westliche Unterstützung für das Aufkommen des Islamismus, wobei er in einer Münchener Moschee ein entscheidendes politisches Zentrum sieht. Die großen Linien seiner Darstellung sind gut belegt, nur bei bestimmten Details findet man eher Spekulationen; gleichwohl hätte man sich auch eine bilanzierende Einschätzung zur Bedeutung dieser „Bock zum Gärtner“-Politik für das Gesamtphänomen gewünscht.
Während des Kalten Krieges unterstützte der Westen auch islamistische Bewegungen - sofern sie gegen die Sowjetunion agierten. Dafür steht beispielhaft die US-Hilfe für die „Gotteskrieger“, die nach 1979 gegen die Rote Armee in Afghanistan kämpften. Eine derartige Instrumentalisierung der Islamisten für eigene Interessen mit längerfristig fatalen Folgen lässt sich aber bereits ab den 1940er Jahren ausmachen. Darauf verweist der Journalist und Pulitzer-Preisträger Ian Johnson in seinem Buch „Die Vierte Moschee. Nazis, CIA und der islamische Fundamentalismus“. Auch wenn der Untertitel eher einen Polit-Thriller und weniger ein Sachbuch erwarten lässt geht es darin um historisch gut belegbare Kooperationen und Unterstützungen für Islamisten zunächst durch die Nationalsozialisten und dann durch den US-Geheimdienst CIA. Auf Basis von Archivfunden, Experteninterviews, Geheimdienstdokumenten und Zeitzeugenbefragungen entsteht so eine etwas andere Geschichte vom Aufstieg des Islamismus in Europa.
Am Beginn standen Überlegungen innerhalb des NS-Systems, Muslime in den Kampf gegen die Sowjetunion einzubinden. Ohnehin hatte es bereits seit Ende der 1930er Jahre gute Kontakte zu dem Mufti von Jerusalem gegeben, wurde dieser doch persönlich von Himmler und Hitler empfangen. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs kooperierten dann die US-Amerikaner mit den Muslimen, die gegen die Sowjetunion aktiv vorgehen wollten. Der Auslandsdienst CIA unterstützte seit Beginn der 1950er Jahre einschlägige Aktivitäten durch Geldzuwendungen und Logistik.
Muslimbruderschaft und „Islamische Zentrum München“
Insbesondere die „Muslimbruderschaft“ konnte davon profitieren, sah sie doch so die Möglichkeit zu einer europaweiten Wirkung gegeben. In diesem Kontext spielte auch das „Islamische Zentrum München“ sowie die in Schwabing-Freimann errichtete Moschee eine wichtige Rolle. Für einige Islamisten wie für Johnson gilt dieses Bauwerk daher auch als die viertwichtigste Moschee der Welt, womit der Hintergrund für die merkwürdige Titelgebung des Buches erläutert ist.
Der Autor schreibt bilanzierend: „Wie ich feststellen konnte, waren es drei Gruppen, die sich zur Verfolgung verschiedener Ziele für die Moschee einsetzten. Zuerst kamen die Nationalsozialisten, die während des Zweiten Weltkriegs den Islam als politische Waffe gegen die Sowjetunion einsetzten – eine Strategie, die bis in den kalten Krieg fortgeschrieben wurde. Auf diese Arbeit baute die zweite Gruppe auf, die mit Hilfe des Islam den Kommunismus bekämpfen wollte: die CIA. Eine dritte Gruppe bestand aus radikalen Muslimen – Islamisten -, die diese Moschee als Sprungbrett in den Westen betrachteten. Eines aber hatten alle gemeinsam: Was sie zu bauen beabsichtigten, war kein Gebetshaus, sondern vielmehr ein Zentrum für politische – und sogar gewaltsame Aktivitäten“ (S. 16). Und weiter: „Die prominenteste islamistische Gruppe aber ist die Muslimbruderschaft, und eben diese verwandelte seinerzeit die Münchener Moschee in eine politische Zelle, von der aus sie ihre politischen Ziele zu verfolgen beabsichtigte“ (S. 17).
Johnsons Buch liest sich wie ein spannender Polit-Thriller, kommen doch alle nur möglichen Bestandteile eines solchen vor: Geheimdienste ebenso wie Terroristen, aber auch Verschwörungen. Mitunter ist es bei all den vielen Akteuren und Netzwerken schwer, als Leser den Überblick zu behalten. Ein Verzeichnis der Hauptakteure zu Beginn leistet hierbei nur eingeschränkt Hilfe. Die großen Linien seiner Darstellung kann Johnson gut belegen, bei einigen Details arbeitet er aber mit Spekulationen. Beachtung verdienen auch einige Abschweifungen, wozu die Ausführungen über den politischen Lebensweg von Said Ramadan gehören. Der bedeutende Aktivist der „Muslimbrüder“ war der Vater des gegenwärtig einflussreichen und umstrittenen Intellektuellen Tariq Ramadan. Johnson spricht in seinem Buch davon, man habe mit der westlichen Unterstützung der Islamisten „den Bock zum Gärtner gemacht“ (S. 265). An einer differenzierten Einschätzung dieser Maßnahmen - waren sie grundlegend oder marginal - für das Aufkommen des Islamismus mangelt es aber.
Armin Pfahl-Traughber
Ian Johnson, Die vierte Moschee. Nazis, CIA und der islamische Fundamentalismus. Aus dem Englischen von Claudia Campisi, Stuttgart 2011 (Klett-Cotta), 360 S., 22,95 €