Der Aufstieg des politischen Islam im Westen

(hpd) Der Journalist und Politikwissenschaftler Stefan Meining erzählt in seinem Buch wie der Islamismus im Sinne der „Muslimbruderschaft“ als Kraft gegen die Sowjetunion vor und nach 1945 nach Deutschland kam. Er beschreibt die Ereignisse von 1941 bis in die Gegenwart nüchtern anhand von Archivfunden und Medienberichten, unterlässt aber weitergehende Analysen, veranschaulicht aber die fatalen Folgen einer „Doppelmoral“ westlicher Politik.

Wie kam der Islamismus nach Europa? Diese Frage wird in der Regel mit dem Hinweis auf die Einwanderung von Muslimen als Arbeitsimmigranten seit den 1960er Jahren beantwortet, gehörten doch zu ihnen auch Anhänger eines Islamverständnisses im fundamentalistischen Sinne. Doch diese Auffassung ist historisch so nicht richtig, lassen sich die Wurzeln des Islamismus in Europa doch bis ins Jahr 1941 zurückverfolgen. Darauf macht der promovierte Politikwissenschaftler Stefan Meining, Redakteur des ARD-Politmagazins „Report München“ in seinem Buch „Eine Moschee in Deutschland. Nazis, Geheimdienste und der Aufstieg des politischen Islam im Westen“ aufmerksam. Anhand einer Fülle von erstmals ausgewerteten Archivmaterialien, wozu auch Akten von CIA, KGB und Stasi gehörten, erzählt er darin die spannende und wahre Geschichte einer politischen Instrumentalisierung: Im Kampf gegen die Sowjetunion förderte man vor und nach 1945 islamistischen Organisationen im Umfeld der „Muslimbruderschaft“ und trug damit zum Aufstieg des politischen Islam im Westen bei.

Bereits nach dem Einmarsch der Wehrmacht in die Sowjetunion, so Meining, hätte es Überlegungen gegeben, eine Freiwilligenbewegung von Muslimen im Kampf gegen die Rote Armee einzusetzen. Erst nach einiger Zeit kam es dann zur Aufstellung entsprechender Verbände, die von dem ehemaligen Mufti von Jerusalem religiös betreut wurden. Nach dem Kriegsende flohen viele dieser muslimischen Freiwilligen in den Westen und wurden ebendort im Kalten Krieg sowohl von der Bundesregierung wie von der US-Regierung gefördert und unterstützt. In diesem Kontext gründete sich 1960 in München eine „Moscheebau-Kommission“, welche die Errichtung eines religiösen Gebäudes in der bayerischen Hauptstadt beabsichtigte. In deren Umfeld, so Meining weiter, habe der Islamismus in Deutschland und Europa seine verborgene Ausgangsbasis gefunden. Dass sich das Wirken des politischen Islam nicht nur gegen die Sowjetunion, sondern auch gegen den Westen richte, habe man ebendort erst nach dem 11. September 2001 erkannt.

Denn, so der Autor, die „Bedeutung der ‚Islamischen Gemeinschaft in Deutschland’ geht weit über die deutschen Grenzen hinaus, denn ihre weltumspannenden Kontakte reichen von Pakistan im Osten bis in die USA im Westen“ (S. 10). Da sich der Islamismus auch immer klar antikommunistisch gegeben habe, hätten die Regierungen der Bundesrepublik und der USA immer die politischen Positionen von deren Anhängern hinweggesehen: „Diese Ignoranz und fehlende Weitsicht erleichterten die Verbreitung von Thesen und Gesellschaftsvorstellungen, die nur schwer mit den Grundsätzen einer aufgeklärten westlichen Demokratie in Einklang zu bringen sind“ (S. 194). Deutlich zeige sich dies anhand der „Gotteskämpfer“ in Afghanistan, die früher vom Westen gefördert gegen die Rote Armee kämpften, heute aber gegen die liberalen Demokratien hetzten. Bezogen auf die „Islamische Gemeinschaft in Deutschland“ und die „Moschee in Deutschland“ bedeute dies, dass darauf auch die Pfeiler des Erfolges des politischen Islam in der westlichen Welt beruhten.

Meining legt mit „Eine Moschee in Deutschland“ eine anschaulich geschriebene und gut belegte Geschichte der Ausbreitung des Islamismus in Deutschland und im Westen vor. Sie macht erneut deutlich, dass sich Doppelmoral in der Politik auch und gerade für liberale Demokratien nicht auszahlt. Mit derartigen analytischen Einschätzungen hält sich der Autor aber zurück, was man um des damit einhergehenden Interesses bedauern oder um einer gewissen Neutralität willen begrüßen kann. Über weite Strecken behandelt er das gleiche Thema wie Ian Johnson in seinem Buch „A Mosque in Munich“ von 2010, das in deutscher Übersetzung kurz vor Meinings Werk erschien. Der deutsche Journalist bezeichnet Johnson darin als Freund und Kollegen, geht aber leider nicht auf dessen Darstellung und Sicht näher ein. Kritisch wäre darüber hinaus noch zu betonen, dass die berichteten Ereignisse nicht „die geheimen Wurzeln des 11. September“ bilden. Doch diese Formulierung auf dem Klappentext dürfte wohl eher auf den Verlag und weniger auf den Autor zurückgehen.

Armin Pfahl-Traughber

 

Stefan Meining, Eine Moschee in Deutschland. Nazis, Geheimdienste und der Aufstieg des politischen Islam im Westen, München 2011 (C. H. Beck-Verlag), 316 S., 19,95 €