Vom Wanderprediger zum Sohn Gottes

kubitza_jesuswahn_4.jpg

Heinz-Werner Kubitza / Foto: Dennis Merbach

FRANKFURT/M. (hpd/hu) Heinz-Werner Kubitza las aus seinem neuen Buch "Der Jesuswahn" auf Einladung der Humanistischen Union (HU) im voll besetzten Club in Frankfurt: „Wie ein jüdischer Wanderprediger zum Sohn Gottes mutiert“ oder „Die Grundlagen des christlichen Glaubens“.

HU-Ortsvorsitzender Peter Menne stellte den Referenten vor und erinnerte an den Gründungsaufruf von Gerhard Szczesny, "Tendenzen entgegenzuwirken, aus der Bundesrepublik einen christlichen Weltanschauungsstaat zu machen" (11 / 1963): Auch daran, mit welchem Spottpreis deutsche Bischöfe die von pädophilen Priestern missbrauchten Kinder entschädigen wollen, zeige sich, dass Kirche und Staat noch immer nicht ausreichend getrennt sind. In anderen Ländern bietet die katholische Kirche das Fünffache.

Doch an dem Abend sollte es nicht um tagesaktuelle Details, sondern um die Grundlagen des christlichen Glaubens gehen: Ausgerechnet die theologische Forschung habe dem Glauben wesentliche Grundlagen entzogen, so Kubitza. Die neutestamentarische Forschung vergleicht die biblischen Texte, zieht weitere Quellen hinzu - und deckt Widersprüche auf: So lehrt die Kirche, dass Jesus der Sohn Gottes sei, frei von jeder Schuld, dafür selbst göttlich. In seinem wohl bekanntesten Gebet, dem "Vater Unser", kommt der Gottessohn aber überhaupt nicht vor, keine Spur von "Trinität". Vielmehr schließt Jesus sich selbst mit seiner Formulierung "vergib uns unsere Schuld" in den Kreis der (menschlichen) Sünder ein. Das Gebet könne von jedem gläubigen Juden so gesprochen werden, so Kubitza. Es enthalte nichts Neues. Gleiches gilt auch für Jesus' Erwartung und Versprechen von einem "Reich Gottes", das komme, und zwar sehr bald. Keine originelle Idee - das hatten zu der Zeit viele jüdische Wanderprediger genauso angekündigt. Allerdings ist jenes "Reich Gottes" zweitausend Jahre nach seiner Ankündigung immer noch nicht da: Eine ebenso verfehlte Prognose wie der Weltuntergang, den die Zeugen Jehovas schon öfters auf den Tag genau angekündigt hatten...

Kubitza arbeitete aus den Bibelstellen heraus, dass der historische Jesus gerade kein Verkünder einer neuen Religion war. Bei ihm handelte es sich einen der vielen damals üblichen Wanderprediger, der seine Botschaften auch nur ans eigene jüdische Volk richtete, ohne jede Absicht, Andersgläubige zu missionieren. Dabei gehörte Jesus nicht einmal zu den erfolgreicheren Predigern: Johannes der Täufer fand wohl erheblich größeren Zulauf. Erst 50 Jahre nach Jesus' Tod begannen einige Anhänger, insbesondere Paulus, ihr Idol mit Wundergeschichten auszuschmücken und noch später, ihn selbst zum Gott zu erheben.

Historie und Gedicht

Woran könne man historisch korrekte Berichte von hinzu gedichteten Geschichten unterscheiden? Letzte Sicherheit gebe es bei historischer Forschung zumal bei so dünner Quellenlage nicht, so Kubitza. Wenn aber eine Erzählung dem christlichen Glaubensgebäude eigentlich widerspreche, sei das ein Indiz für historische Richtigkeit. So wird der Jesus der Kirchen als vollkommener Gottessohn, frei von jeder Schuld, verkündet. Das passt nicht zu einem Sünder, der sich von Johannes zur zwecks Vergebung seiner Sünden taufen lässt: somit sei es höchst unwahrscheinlich, dass diese Begebenheit später hinzuerfunden wurde.

Anders hingegen verhält es sich mit dem Geburtsort des Nazareners: wenn er eine gewichtige Persönlichkeit gewesen sein solle, müsse er - nach damaligem Verständnis - auch ein Nachfahre König Davids gewesen sein. Deshalb wurde die Geburt später nach Bethlehem verlegt - auch wenn die römische Volkszählung (historisch verbürgt) nur in anderen Landesteilen stattfand.

Kubitza stellte die großen Differenzen zwischen dem historisch gesicherten und dem von den Kirchen verkündeten Jesusbild dar. Dann wandte er sich ethischen Fragen zu: Kann die Bibel eine moralische Richtschnur bilden? Basiert unsere Gesellschaft - wie von manchen Politikern gern verkündet - auf den Werten eines "christlichen Abendlandes"?

Die Werte des Rachegottes

Schon zu Beginn seines Vortags hatte Kubitza den alttestamentarischen Rachegott vorgestellt: An mehr als hundert Stellen ruft Jehova / Jahwe / Elohim zu Mord oder Völkermord auf, heißt das gut oder begeht ihn selbst zugunsten seines "auserwählten Volkes".

Gegen Ende seines Vortrags betrachtete Kubitza die "Zehn Gebote" genauer, die sogar viele Kirchenferne als irgendwie wertvolle Richtschnur betrachten. Doch "bleiben bei einer kritischen Analyse von den Zehn Geboten bestenfalls drei übrig, die mit den Prinzipien einer freiheitlichen Grundordnung zu vereinbaren sind. Viel höher ist dagegen die Zahl der Gebote, die explizit oder implizit einer solchen Ordnung widersprechen" (S. 339), angefangen bei den ersten vier, die den christlich-jüdischen Gott thematisieren: "Ich bin der Herr, Dein Gott, Du sollst keine anderen Götter neben mir haben", lautet das erste Gebot und widerspricht damit fundamental dem aufklärerisch-humanistischen Gedanken von Toleranz. Im zweiten Gebot verfolgt der Gott "die Schuld der Väter an den Söhnen bis zur dritten und vierten Generation": Eifersucht und Rache paaren sich mit Sippenhaft und Kollektivschuld - sind unserem modernen Rechtsdenken also zutiefst zuwider.

Den ernsten Teil des Abends beschloss Kubitza mit einem satirischen Rundumschlag gegen den Bauchladen esoterischer Verkündigung: Kubitza brachte auf den Punkt, wie Wunder in völliger Beliebigkeit angeboten werden. In der folgenden Diskussion antwortete Kubitza sehr detailliert auf die Fragen.
 

Peter Menne