Ich bin kein Opfer!

Keine Angst mehr

Das Zeugenschutzprogramm, aus welchem sie schließlich flüchtete, erwies sich als außerordentlich ungeeignet, mit ihrer Problematik auch nur annähernd angemessen umzugehen. Apfeld hatte große Angst vor ihrer Familie, verlor ihren Mann, ihren Freundeskreis und ihre Arbeit und wurde einfach unter ihrem eigenen Namen in einer anderen Stadt angemeldet. Das Zeugenschutzprogramm in Deutschland bedürfte dringend der Reform und sollte an jenes in den USA orientiert werden. Hierzulande sei es katastrophal, meint sie. Es sei lebensfern, lebensfremd, kostengünstig, aber nicht schutzeffektiv.

Im Oktober 2007 begann der Prozess gegen die Mörder ihrer kleinen Schwester Waffa. Der Hauptverantwortliche, der fundamentalistische Cousin Kaan, wurde freigesprochen und ist seither sogar für die Erziehung der Halbgeschwister von Nourig Apfeld sowie eines eigenen kleinen Mädchens verantwortlich. In alter Tradition. Der Vater wurde wegen Totschlags seiner Lieblingstochter zu acht Jahren verurteilt.

Nourig Apfeld kam irgendwann zur Erkenntnis: „Diese Männer haben keine Macht mehr über mich. Die Angst braucht immer einen Mächtigen und einen Ohnmächtigen.“ Seither hat sie keine Angst mehr und entschied sich für den Gang in die Öffentlichkeit. Ihr Ziel ist es, mit dem Buch aufzuklären und Verantwortung in der Gesellschaft zu übernehmen. Im Buch zeigt sie, dass auch die Täter Opfer der Tradition sind. Ihr Vater wurde durch die Tat zu einem unglücklichen Menschen. Männer wie Frauen müssen sich den Strukturen und Regeln der archaischen Kultur unterwerfen, ihre Gefühle spielen keine Rolle.

Berechtigte Furcht vor dem Islam

In der Diskussion in Mastershausen ging Nourig Apfeld nach einer kurzen Pause ausführlich auf die Fragen des Publikums ein. Dabei wehrte sie sich unter anderem gegen den Begriff der Islamophobie. Denn die Furcht vor dem Islam sei eine berechtigte Furcht, eine Furcht vor dem Verlust der Menschenrechte und dem Rückfall ins Mittelalter. Deshalb gehöre der Islam auch nicht zu Deutschland.

Als Schlüssel zur Emanzipation sei vor allem Bildung vonnöten, meinte Apfeld. Migranten sollten über die staatlichen Geldleistungen gezwungen werden, an Deutsch- und Demokratiekursen teilzunehmen: Nur wer solche Kurse besuche, solle staatliche Leistungen erhalten. Denn in monolithischen Glaubenskulturen werde weder kritisches Denken, noch Individuation und damit Selbstständigkeit gelernt. Migranten bilden daher Gettos, was durch den in Deutschland historisch verständlichen, aber gefährlichen Kulturrelativismus leider noch verstärkt werde.

Nourig Apfeld studierte Medizin und jetzt Psychologie. Sie würde gern als Beraterin für offizielle Einrichtungen, für Gerichte und Behörden arbeiten, um aufzuklären. Um Verständnis zu ermöglichen und ähnliche Tragödien wie jene, die ihre eigene Familie zerstörte, künftig zu vermeiden. Es ist zu hoffen, dass die öffentlichen Institutionen auf dieses Angebot zurückgreifen werden.
 

Fiona Lorenz

Nourig Apfeld: Ich war Zeugin des Ehrenmords an meiner Schwester. 288 S. Verlag Wunderlich 2010.

 


 

Nourig Apfeld Interview (Video 12/2010)