GuluWalk

Inzwischen steht der Termin für den Berliner Gulu Walk fest: Am 10 September wird es eine Demonstration für Kinderrechte geben. Vom Alexanderplatz (Neptunbrunnen) wird sich der Zug bis zum Mauerpark im Prenzlauer Berg bewegen. Dort wird es – wie im letzten Jahr auch – eine Abschlusskundgebung und ein kleines Fest mit Musik geben.

Dr. Heuveling legt großen Wert auf die Feststellung, dass es beim Gulu Walk Berlin nicht allein um Kindersoldaten in Uganda geht. Sondern um den Missbrauch von Kindern für diese Zwecke. Die UN spricht von etwa 250.000 Kindersoldaten weltweit. Der Einsatz von Kindern im Krieg ist völkerrechtlich verboten und wird vom Internationalen Strafgerichtshof als Kriegsverbrechen verfolgt. Allerdings gibt es so gut wie keine Strafverfolgung.
 

Gibt es Gründe, weshalb Joseph Kony (der Anführer der Lord’s Resistance Army), der die Verantwortung trägt für die Entführung und den Einsatz von ca. 25.000 Kindern als Soldaten, nach Ende des Bürgerkrieges nicht verhaftet und verurteilt wurde?

Kony ist, wie gesagt, immer noch im Busch, mittlerweile im Kongo. Er ist angeklagt beim ICC (Internationaler Strafgerichtshof), aber er kann nicht verhaftet werden. Und die Diskussion dreht sich auch immer um das übliche ICC Thema: Soll man jemand anklagen und ihm damit den Weg aus dem Busch heraus abschneiden, so dass ihm nur übrig bleibt weiter zu machen, oder soll man ihn mit attraktiven Angeboten aus dem Busch locken, um wenigstens das Gräuel zu beenden. Viele, auch in Nord-Uganda, sind der letzteren Meinung und waren nicht glücklich über die Anklage des ICC, weil sie einfach nur hier und jetzt Frieden wollen. Aber die internationale Forderung, dass Menschenrechtsverletzer großen Stils ihrer gerechten Strafe zugeführt werden müssen, ist eben auch als Abschreckung für Nachahmer wichtig.

Im Juli 2010 gab es Medienberichte, dass die Bundeswehr möglicherweise an der Ausbildung von Kindersoldaten in Somalia beteiligt war. Das Thema verschwand genauso schnell aus der medialen Öffentlichkeit wie es erschien. Hast Du dazu neue Erkenntnisse?

Ein großes Problem bei der Wahrung der Kinderrechte in Ländern wie Somalia ist, dass es keine Geburtenregistrierung gibt. Das heißt, man kann eigentlich keinen Nachweis führen, wie alt jemand ist. Auch haben Jugendliche, die Hunger leiden, ein starkes Interesse daran, in die Armee zu kommen. Die Bundeswehr muss natürlich diese Schwierigkeiten aktiv angehen, sicherstellen, dass keine unter 18 jährigen ausgebildet werden und kann sich nicht hinter der somalischen Armee verstecken. Mehr kann ich dazu nicht sagen.

Und zu guter Letzt eine persönliche Frage: Was hat dich dazu gebracht, als eine der OrganisatorInnen des Berliner Gulu-Walks mit zu arbeiten?

Sorry, wenn ich weit aushole! Mich beschäftigt schon immer die Frage, warum sich Menschen einander so schreckliche Dinge antun. Meine vorläufige Antwort darauf ist, dass es nicht die einzelnen Menschen sind, die "böse" und gewalttätig "von Natur aus" sind, sondern die Strukturen bringen sie dazu, so zu handeln. Gewalttätige Strukturen existieren, weil ein starker Glaube an die Gewalt als legitimes Mittel zur Durchsetzung von Interessen existiert. In unserer prähistorischen Vergangenheit mag das Prinzip der Gewalt zum Überleben auch ganz gut funktioniert haben. Aber in der heutigen Welt richtet die Gewalt in allen Bereichen menschlichen Handelns - das schließt auch die ökonomische, religiöse etc. Gewalt ein - dauerhafte und vielleicht unser Überleben unmöglich machende Schäden an. Obwohl das eigentlich deutlich ist, bauen wir dumm immer noch auf militärische Stärke und geben immer mehr Geld für Waffen aus, bilden junge Menschen aus, wie man andere um die Ecke bringt und finden das ganz normal.

Wir könnten diese ganze Energie und diese Ressourcen einsetzen, Aufbauprogramme zu ermöglichen, eine gerechte Wirtschaft aufzubauen... es gibt so viele gute Ideen, aber wir tun es nicht, weil wir mehr an die Effektivität von Gewalt glauben. Kinder zu Soldaten zu machen, ihnen das Töten beizubringen statt Lesen und Dichten, Disziplin statt Spielen, Gewalt statt Mitgefühl, das ist einfach das Abscheulichste in diesem Zusammenhang. Von daher war es für mich keine Frage, dass ich da mit organisiere, als ich von ugandanischen Freunden gefragt wurde. Darüber hinaus haben mich Projekte, die wir beim letzten GuluWalk unterstützten, fasziniert, in welchen alte Versöhnungsriten angewandt werden, um die ehemaligen Kindersoldaten, die sogenannten Returnees, wieder in die Gesellschaft zu integrieren. Dabei finden lange und oft mehrfache Palaver gemeinsam mit allen Beteiligten - Tätern, Opfern, Angehörigen - statt, alles und jeder soll zur Sprache kommen. Das Ganze ist wie eine therapeutische Behandlung für das gesamte Dorf. Dann folgt ein ausgedehntes Ritual, bei welchem der Returnee symbolisch wieder rein gewaschen wird von aller Schuld. Danach ist er wieder Mitglied der Gemeinschaft und keiner hat mehr das Recht, ihn auszugrenzen.

Es sind solche Rituale, die die Kette der Gewalt durchbrechen und die Zukunft für alle Beteiligten öffnen. Ich wünschte mir, dass wir mit solcher Weisheit an die verworrenen Konflikte in dieser Welt herangehen würden. Für mich sind das Beispiele, die Hoffnung machen.

Also Kurzfassung: Ich sehe bei diesem Protest gegen Kindersoldaten die Möglichkeit, allgemein sensibilisierend tätig zu sein gegen den Glauben an Gewalt.

 

Das Gespräch führte Frank Nicolai.