Die Methode, Veränderungen oder Entwicklungen, die seine Wertungen infrage stellen würden, den Leserinnen und Lesern vorzuenthalten, wendet Bierl immer wieder an. So weist er sowohl im Aufsatz in der Jungle World aus dem Jahr 2008 als auch in den „Standpunkten“ darauf hin, dass eine Erklärung der säkularen Verbände anlässlich des Indizierungsantrages gegen das „Ferkelbuch“ u.a. auch von der Deutschen Unitarier Religionsgemeinschaft (DUR) unterzeichnet worden ist. Und diese sei „von ehemaligen Nazifunktionären, insbesondere der ‘Deutschen Glaubensbewegung’ gegründet“ worden. Das stimmt soweit immerhin teilweise, die DUR hatte tatsächlich jahrzehntelang ehemalige NS-Funktionsträger in ihren Reihen (wobei diese Fraktion die Minderheit darstellte). In den Jahren 1987/88 kam es zum Bruch, die langjährige Vizepräsidentin Sigrid Hunke und einige hundert Gesinnungsgenossen verließen die DUR. Zum damaligen Zeitpunkt arbeiteten die maßgeblichen säkularen Verbände nicht mit der DUR zusammen. Mittlerweile gehören die Unitarier seit rund 20 Jahren dem Dachverband Freier Weltanschauungsgemeinschaften an, in dessen Satzung steht, dass „intolerante Ideologien, völkische Denkweisen und andere Formen des Rassismus, Dogmen, autoritäre Strukturen sowie Gewaltanwendung und -androhung“ den Verbandszielen entgegenstehen. Mit dieser Information würde der Hinweis auf die DUR, der suggerieren soll, die säkularen Verbände hätten eine „nach rechts offene Flanke“, weit weniger überzeugend klingen. Bierl verschweigt die Entwicklung der DUR der letzten 20 Jahre. Und er verschweigt sie wissentlich, denn ich habe ihn bereits im Frühjahr 2008 über die Fakten informiert.
Manipulative Wiedergabe von Zitaten
Viele der Behauptungen Bierls sind jedoch so absurd, dass es nicht ausreicht, Informationen zu verschweigen; dann greift der Journalist zu weitergehenden Mitteln der Manipulation. So schreibt er im Jungle World-Artikel von 2011, Colin Goldner behaupte, „wer eine Aussage wie ‘Das schlimmste KZ bereiten wir den Tieren’ kritisiere, betreibe eine ‘Inflationierung und damit Entwertung des Antisemitismusvorwurfs’“ (in ähnlicher Form findet sich die Unterstellung auch im „Standpunkte“-Text). Wer die gesamte Textpassage des betreffenden Goldner-Aufsatzes liest, wird schnell feststellen, dass es im einschlägigen Abschnitt um eine ganz andere Frage geht, nämlich darum, ob die Religionsgemeinschaft Universelles Leben als antisemitisch einzuschätzen ist und ob es sinnvoll ist, sich mit diesem Argument von ihr abzugrenzen. Dazu schreibt Goldner, dass trotz einiger Äußerungen, die für sich als antisemitisch gewertet werden könnten, der Vorwurf ihm aufs Ganze gesehen nicht ausreichend begründet erscheint. Der Vorwurf greife „auch und gerade dann nicht, wenn als Beweis der Religionswissenschaftler Hubertus Mynarek herangezogen wird. Diesem ist zwar vieles anzulasten, nicht zuletzt seine Auftritte und Veröffentlichungen im Umfeld des UL und in diesem Zusammenhang auch eine unzulässige Instrumentalisierung der Judenverfolgung für die Zwecke des UL und anderer ‘Glaubensgemeinsschaften’; dezidiert antisemitische Positionen lassen sich in dessen Schriften indes nicht finden. Mynareks viel zitierte Aussage ‘Das schlimmste KZ bereiten wir den Tieren!’ als Relativierung der Nazi-KZs und damit als antisemitisch zu werten, trägt allenfalls zu einer Inflationierung und damit Entwertung des Antisemitismusvorwurfes bei.“ Wir sehen: Nicht wer die Aussage „Das schlimmste KZ bereiten wir den Tieren“ kritisiert, wird von Goldner angesprochen, sondern wer diesen Satz als Beleg für den Antisemitismus des Universellen Lebens wertet. (Im Folgenden führt Goldner dann aus, dass es genügend besser belegte Gründe gibt, die eine Zusammenarbeit mit dem UL verbieten.)
Noch dreister ist die Manipulation eines Zitates aus einem in MIZ 3/97 erschienenen Aufsatz. In „Standpunkte“ behauptet Bierl, in dieser Ausgabe der Zeitschrift habe Helmut F. Kaplan „die Tötung eines neugeborenen Kindes [verharmlost], indem er diese mit Verzicht auf Sex gleichsetzte“. Im Text gibt Bierl scheinbar ein Zitat von Kaplan wieder: „Die ‘Tötung (einer Nicht-Person)’ habe ‘nichts anderes zur Folge ... wie unterlassener Geschlechtsverkehr, eben das Nichtentstehen einer Person.’.“Wer im Aufsatz nachliest, erkennt sofort die sinnentstellende Wiedergabe der Aussage des Autors. Denn die Passage lautet: „Deshalb, so die Argumentation, dürfen wir auch Tötung (einer Nicht-Person) nicht verurteilen, da sie nichts anderes zur Folge hat wie unterlassener Geschlechtsverkehr, eben das Nichtentstehen einer Person. Soweit Singers Überlegungen hinsichtlich der moralischen Gleichwertigkeit von Handlung und Unterlassung.“ In der Hoffnung, dass das Publikum sich das betreffende Heft nicht über die Fernleihe besorgen und seine Ausführungen nicht überprüfen wird, jubelt Bierl durch manipulatives Zitieren Kaplan, der die Position von Singer referiert, diese als dessen eigene unter. Da Kaplan eine dreiviertel Seite weiter schreibt: „Das mag nun philosophisch so logisch und konsequent wie auch immer sein oder scheinen –aber psychologisch, als Menschen sträuben sich einem die Haare! (...) Wenn vor meinem Personsein jemand so gedacht und gehandelt hätte, dann gäbe es mich heute nicht!“ und im Folgenden Singers Position detailliert widerlegt, kann nur der Schluss gezogen werden, dass Bierl absichtlich in dieser Weise zitiert, um seine These, die MIZ unterstütze Singer-Positionen, zu untermauern. Auch hier handelt er höchstwahrscheinlich gegen besseres Wissen. Denn das in dieser Weise manipulierte Zitat verwendete er bereits im Frühjahr 2008 in einem Aufsatz in der Zeitschrift „Der rechte Rand“. Als ich die Redaktion darauf hinwies, antwortete diese, sie werde meine Einwände an den Autor weiterleiten...
Halluzinierte "Realitäten"
Wenn „Belege“ durch argumentative Verdrehungen und manipulative Zitierweise nicht herbeigeschafft werden können, stellt Peter Bierl Behauptungen einfach so in den Raum. Im Jungle World-Artikel aus dem Juni 2008 ist zu lesen: „Der Titel des zweiten MIZ-Heftes des Jahrgangs 2001 lautete ‘Von der Fundamentalkritik zur Realpolitik’, und das schließt unter dem Propagandabegriff Sterbehilfe Plädoyers für den Mord an alten, kranken und behinderten Menschen ein.“ Im ganzen Heft freilich findet sich nichts dergleichen, nicht ein Text befasst sich mit Sterben und Tod, geschweige denn mit Sterbehilfe. So bleibt unklar, wann und wo solche Positionen, die dem Internationalen Bund der Konfessionslosen und Atheisten unterstellt werden, denn geäußert worden sein sollen. Der IBKA benennt die Verteidigung der „Selbstbestimmung“ als eine seiner ganz zentralen Positionen – wie Ermordetwerden damit in Einklang zu bringen sein soll, würde das interessierte Publikum sicherlich gerne nachlesen, wenn denn eine Quelle angegeben wäre. (Ob Peter Bierl je einen Blick in die betreffende Ausgabe geworfen hat, ist ohnehin unklar; denn der korrekte Heft-Titel endet mit einem Fragezeichen; nur auf dem Cover fehlte dieses aufgrund eines Satzfehlers, genau wie in Peter Bierls Artikel.)
Insbesondere, wenn es um den IBKA geht, erfindet sich Bierl seine eigene Realität. So heißt es in seinem Jungle World-Aufsatz von 2008, der IBKA und der Bund für Geistesfreiheit gingen sogar soweit, „die Shoah und die Unterstützung der Kirchen für das NS-Regime mit einer angeblichen kirchlichen und staatlichen Sektenjagd in der Bundesrepublik gleichzusetzen“. Das ist, was den IBKA angeht, eine besonders dreiste Verdrehung der Tatsachen und was den Bund für Geistesfreiheit betrifft, ebenfalls in mehrfacher Hinsicht falsch. Richtig ist, dass der Bund für Geistesfreiheit Erlangen im Jahr 2002 eine Veranstaltung mit dem Titel „Judenverfolgung der Kirche gestern und ihre Sektenjagd“ durchgeführt hat. Diese Verbindung von historischer „Judenverfolgung der Kirche“ und „Sektenjagd“ hatte heftige Proteste bayerischer IBKA-Mitglieder zur Folge und der IBKA-Vorstand distanzierte sich von einem solchen Vergleich, da dieser geeignet sei, revisionistische Positionen zu befördern, und verkenne, dass zur Religionskritik auch die Kritik der Sekten und Psychokulte gehöre. Von einer Gleichsetzung von „Sektenverfolgung“ und Shoah hingegen war in der Veranstaltung nicht die Rede; Bierl hat diese frei erfunden, offenbar, weil sich damit beweisen ließ, was er gerne beweisen wollte. Nicht einmal auf Hubertus Mynarek trifft Bierls Vorwurf zu; dieser zieht zwar völlig ahistorisch Parallelen zwischen der beginnenden Judenverfolgung und der Behandlung von „Sekten“ heute und ist auch ansonsten für alle möglichen historisch falschen Vergleiche gut, mit der Shoah hat er meines Wissens die „Sektenverfolgung“ aber nie gleichgesetzt. (Eine Quelle gibt Bierl natürlich nicht an.)