In der vergangenen Woche hat die SPD-Bundestagsfraktion Hubertus Heil zum neuen Religionsbeauftragten ernannt. Der bisherige Arbeitsminister tritt damit die Nachfolge von Lars Castellucci an, der nach sieben Jahren im Amt als neuer Menschenrechtsbeauftragter ins Auswärtige Amt wechselt. Die Entscheidung für Heil wirft insbesondere aus säkularer Sicht Fragen auf – sowohl hinsichtlich der Symbolwirkung als auch hinsichtlich der politischen Praxis im Umgang mit Religion und Staat.
Mit dem 52-jährigen Protestanten Hubertus Heil hat sich die SPD erneut für einen bekennenden Christen für das Amt des Religionsbeauftragten entschieden. Heil engagiert sich seit Jahrzehnten im kirchlichen Umfeld, gehörte dem Präsidium des Deutschen Evangelischen Kirchentages an. Bereits in der Schule zählte Religion zu seinen Lieblingsfächern. Daran hat sich auch später nichts geändert, wie er in einem Interview erklärte: "Ich lebe meinen Glauben nicht nur in Krisensituationen, er ist vielmehr eine Konstante in meinem Leben." Ein Bekenntnis, das in der politischen Funktion als Religionsbeauftragter Gewicht hat.
Denn: Der Religionsbeauftragte handelt in der Regel ohne bindende Rückkopplung an die Fraktion. Das Amt wird häufig an jemanden vergeben, der mit den großen Kirchen eng verbunden ist – auch, um Konflikte mit deren einflussreichen Vertretern zu vermeiden. In diesem Licht erscheint die Personalentscheidung weniger als ein Signal pluralistischer Religionspolitik, sondern eher als strategische Bündnistreue gegenüber den etablierten Kirchen.
Heil hat sich – gemeinsam mit seinem Vorgänger Castellucci – etwa gegen eine liberale Neuregelung der Sterbehilfe ausgesprochen. Beide plädierten für eine grundsätzliche Strafbarkeit mit wenigen Ausnahmen. Eine Position, die ethisch hoch umstritten ist, insbesondere wenn man bedenkt, dass sie in erster Linie religiös-moralisch und weniger säkular-rechtlich begründet wird.
Auch Heils Aussage, der Glaube sei "nicht nur ein inneres Halteseil", sondern ein "Bindeglied in einer bunter werdenden Gesellschaft", offenbart ein spezifisch christliches Deutungsmuster gesellschaftlicher Integration – und impliziert, dass Religion eine zentrale ordnungspolitische Funktion erfüllen soll. Dass ausgerechnet eine Partei, die sich historisch auch als Vertreterin der Arbeiterbewegung und säkularer Milieus sieht, dieses Verständnis politisch institutionalisiert, ist bemerkenswert – und kritikwürdig. Da sind keine Veränderungen in Sicht.
In seinem Amt als Bundesarbeitsminister ließ Hubertus Heil zentrale Forderungen von Gewerkschaften wie ver.di sowie von säkularen Verbänden, das kirchliche Sonderarbeitsrecht abzuschaffen oder wenigstens zu reformieren, ins Leere laufen. Dieses Sonderrecht – mit Regelungen wie dem Streikverbot, dem Vorrang religiöser Loyalitätspflichten oder der Möglichkeit zur Kündigung bei "abweichendem Lebenswandel" – steht in eklatantem Widerspruch zu grundlegenden Prinzipien des deutschen Arbeitsrechts. Es produziert seit Jahren soziale Spannungen, juristische Unsicherheiten und deutlich wahrnehmbare Ungleichbehandlung für hunderttausende Beschäftigte in kirchlichen Einrichtungen. Doch Heil beließ es bei beschwichtigendem Schweigen. Eine klare Positionierung zugunsten von Beschäftigtenrechten oder für die Gleichbehandlung konfessionell gebundener und weltlich orientierter Träger blieb aus. Dass er auch künftig nicht willens ist, diese kirchlichen Sonderrechte ernsthaft in Frage zu stellen, liegt angesichts seiner bisherigen Amtsführung auf der Hand.
Ebenso auffällig ist seine anhaltende Zurückhaltung bei weiteren kirchennahen Themen: Etwa der überfälligen Ablösung der millionenschweren Staatsleistungen an die Kirchen oder der aus säkularer Sicht problematischen Rolle staatlich organisierter Religionsunterrichte an öffentlichen Schulen. Gerade als Vertreter einer Partei, die sich in ihrer Geschichte auf Aufklärung, Pluralismus und soziale Gerechtigkeit berief, wäre eine selbstbewusste kirchenkritische Stimme wünschenswert gewesen. Doch Heil wird kaum als Impulsgeber für eine überfällige Neujustierung des Verhältnisses von Religion und Staat auftreten.
Stattdessen ist zu erwarten, dass er – wie schon als Minister – vor allem als Interessenvertreter der großen Kirchen agieren wird. Ein stiller Schulterschluss im Hintergrund, den Status quo absichernd. Dass sich Hubertus Heil bislang nicht öffentlich zu seinem neuen Amt geäußert hat, verstärkt den Eindruck eines intransparenten, kirchennahen Amtsverständnisses ohne Visionen.






