Militärbischof Overbeck: Der Bock als Gärtner

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Johann-Friedrich Overbeck (+1869): "Der ungläubige Thomas", Öl auf Leinwand

BERLIN. (hpd) Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck hat mit seinen Äußerungen zur Homosexualität erneut für Empörung unter Schwulen und Lesben gesorgt. Besonders problematisch: Overbeck ist auch Militärbischof und als solcher für den berufsethischen Unterricht der deutschen Soldaten zuständig.

Ein Vergleich der Positionen von Bundeswehr und katholischer Kirche zum Thema Sexualität zeigt, dass den katholischen Militärgeistlichen besser Nachhilfe in Sachen Ethik und Lebenskunde erteilt werden sollte – statt sie diese Themen unterrichten zu lassen.

 

Am 9. Juli meldete der Evangelische Pressedienst, dass der Münchner Erzbischof Kardinal Marx Homosexuelle und Geschiedene als „gescheiterte und zerbrochene Menschen“ bezeichnet habe. Marx hat dies auch nie dementiert, sondern er bedauerte lediglich die Darstellung in den Medien. Dass er sich dabei darauf berief, lediglich „Ergebnisse verschiedener Arbeitsgruppen zusammengefasst“ zu haben, machte die Sache auch nicht gerade besser.

Nur drei Wochen später sorgte auch Ruhrbischof Overbeck erneut für Verärgerung unter Schwulen und Lesben. Hintergrund war seine Äußerung vor einem Jahr in der Talkshow der bekennenden Homosexuellen Anne Will gegenüber dem bekennenden Homosexuellen Rosa von Praunheim:

Praunheim: Homosexuell zu sein ist doch keine Sünde.
Overbeck: Das ist 'ne Sünde. Wissen Sie ja ganz klar und eindeutig, dass es das ist. Das widerspricht der Natur. Die Natur des Menschen ist angelegt auf das Miteinander von Mann und Frau.

Darauf angesprochen, erklärte Overbeck jetzt Ende Juli in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung (Ausgabe vom 30. Juli 2011, S. 8) erneut:

„Ich habe gesagt, was die Überzeugung der katholischen Kirche ist: Praktizierte Homosexualität ist objektiv sündhaft, auch wenn homosexuellen Menschen mit Achtung zu begegnen ist. [...] Deshalb tut mir meine Position nicht leid, ich erwarte allerdings auch kein Mitleid mit mir, wenn ich kritisiert werde.”

Was die katholische Lehre angeht, hat Overbeck Recht. Über die katholische Position zur Homosexualität kann sich jeder leicht auf Kathpedia informieren. Wie ich schon einmal dargestellt habe, vertritt die katholische Kirche folgende Auffassungen:

  • Homosexuelle Handlungen sind eine „schlimme Abirrung“ (Katechismus Nr. 2357)
  • Homosexuelle Handlungen sind „widernatürlich“ („Sie verstoßen gegen das natürliche Gesetz“, Katechismus Nr. 2357)
  • Homosexuelle Handlungen „sind in keinem Fall zu billigen“ (Katechismus Nr. 2357)
  • Homosexuelle Neigungen sind „objektiv ungeordnet“ (Katechismus Nr. 2358)
  • Homosexuelle Menschen sind zur Keuschheit gerufen (Katechismus Nr. 2359)

Man könnte versucht sein, zu sagen: “Nur zu! Jeder blamiert sich, so gut er kann!“ Allerdings ist Overbeck auch Militärbischof und damit (zusammen mit seinem evangelischen Kollegen, Militärbischof Martin Dutzmann) auch verantwortlich für den berufsethischen Unterricht der Soldatinnen und Soldaten, den „Lebenskundlichen Unterricht“ (LKU), der von (staatlich bezahlten) katholischen und evangelischen Militärgeistlichen abgehalten wird und (seit letztem Jahr) für alle Soldaten verpflichtend ist.

Es stellt sich die Frage: Können katholische Geistliche – noch dazu jemand wie Overbeck, der praktizierte Homosexualität immer wieder als „sündhaft“ bezeichnet – den Soldatinnen und Soldaten sinnvoll und glaubhaft die offizielle ethische Position der Bundeswehr in Bezug auf Homosexualität vermitteln?

Um es gleich vorwegzunehmen: Die Antwort ist „Nein!“

Seit über 10 Jahren gibt es (gezwungenermaßen) eine „Führungshilfe“ der Bundeswehr zum Thema „Umgang mit Sexualität“. Diese ist ausgesprochen vernünftig und steht damit in direktem Widerspruch zur katholischen Position.

Als Grundlage für den Umgang mit Homosexualität verweist die Führungshilfe zunächst auf das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung und das Verbot von Ungleichbehandlungen wegen sexueller Orientierungen, wie sie sich aus dem Grundgesetz und der Europäischen Menschenrechtskonvention (die der Vatikan nicht unterzeichnet hat) ergeben. Im Anschluss heißt es – und hier wie auch im Folgenden finden sich die Hervorhebungen im Original, also der Führungshilfe der Bundeswehr:

„Aus diesen Grundsätzen ergeben sich die folgenden Regeln, deren Kern vor allem Toleranz und gegenseitiger Respekt bilden.“ Als „Allgemeine Verhaltensregel“ gilt: “Sexualität ist grundsätzlich Privatangelegenheit.”

Folgerichtig heißt es weiter:

(a) Zurückhaltung
Auf Grund unterschiedlicher Einstellungen zur Sexualität kann es zu Irritationen und negativen Reaktionen in einer Gruppe kommen. Deshalb ist auf die Gefühle und Überzeugungen anderer Rücksicht zu nehmen. Ein sensibler Umgang sowohl mit der eigenen wie mit der Sexualität anderer ist ein Gebot der Kameradschaft. [...]

Und weiter:

(c) Wahrung des Zusammenhalts
Ein vorurteilsfreier Umgang mit nicht strafbewehrten sexuellen Orientierungen verhindert, dass es zu Gerüchten, übler Nachrede oder zu Mobbing-Verhalten kommt und dadurch die Rechte Einzelner verletzt und der Zusammen¬halt in einer militärischen Gruppe gestört werden. Der Soldat darf den kameradschaftlichen Zusammenhalt nicht durch Neid, Eifersucht oder demonstrative Ablehnung einer bestimmten sexuellen Orientierung stören. Einem derartigen Verhalten und einer Ausgrenzung Einzelner ist im Kameradenkreis energisch entgegenzuwirken.

An dieser Stelle ist also festzuhalten: Ausgehend vom Grundgesetz und der Europäischen Menschenrechtskonvention ist der demonstrativen Ablehnung homosexueller Orientierung entgegenzuwirken. Zwar kann man Militärbischof Overbeck nicht vorwerfen, dass er „Einzelne“ ausgrenzt (weil er sich ja quasi auf alle Homosexuellen bezieht) – es liegt allerdings auf der Hand, dass Overbeck und die katholische Lehre (die den hier beschriebenen Grundsätzen zuwider läuft) dieser Ausgrenzung Vorschub leisten.

Weiter legt die Führungshilfe fest:

(d) Respektieren von Partnerschaften
Bestehende Partnerschaften sind stets zu achten. Der Respekt gegenüber Partnerschaften – auch über den unmittelbaren Dienstalltag hinaus – ist wesentliche Grundlage für das Vertrauen der Soldaten untereinander. Ihm kommt daher eine wesentliche Rolle für den Zusammenhalt zu.

Dies muss sich in diesem Zusammenhang auch auf gleichgeschlechtliche (und nicht-eheliche) Partnerschaften beziehen, da ja zuvor auf den Grundsatz verwiesen wird, dass niemand wegen seiner sexuellen Orientierung benachteiligt oder diskriminiert werden darf.

Die katholische Kirche akzeptiert aber keine gleichgeschlechtlichen Partnerschaften und hat in der Vergangenheit alles in ihrer Macht stehende getan, um die zivilrechtliche Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften zu verhindern. Der jetzige Papst, Josef Ratzinger (Benedikt XVI.), sprach in diesem Zusammenhang sogar von der „Legalisierung des Bösen“ und betrachtet Verhältnisse jenseits von traditionellen heterosexuellen Beziehungen als „Zerstörung von Gottes Werk“.

Man mag der katholischen Kirche ja das Recht zugestehen, ihre bronzezeitlichen Vorstellungen den eigenen Mitgliedern vorzuschreiben. Mit ihrer verbissenen Opposition gegen die rechtliche Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften will die katholische Kirche ihre Vorstellungen aber allen Bürgerinnen und Bürgern aufdrängen. Dies steht im direkten Gegensatz zu folgender Regel:

(f) Toleranz
Die Verpflichtung zur Kameradschaft gebietet Toleranz gegenüber anderen nicht strafbewehrten sexuellen Orientierungen, dementsprechend auch für gleichgeschlechtlich veranlagte Soldatinnen und Soldaten. Die eigenen Lebensentwürfe dürfen nicht zum Maßstab für andere gemacht werden. Un¬abhängig davon, welche moralische Einstellung der Einzelne hat, muss von ihm die Toleranz erwartet werden, Kameraden ein anderes als das eigene Sexualverhalten zuzugestehen, solange dadurch Ausbildung und Einsatz nicht gefährdet werden.

Hier wird ausdrücklich festgestellt:

  • Die eigenen Lebensentwürfe dürfen nicht zum Maßstab für andere gemacht werden.
  • Den Kameraden (Mitbürgern) muss ihr Sexualverhalten zugestanden werden, solange es nicht strafbar ist.

Kein adäquates Sexualverhalten gestattet

Die katholische Kirche steht Homosexuellen aber kein ihrer Orientierung adäquates Sexualverhalten zu, sondern verlangt von Homosexuellen, dass sie auf Sex verzichten. („Homosexuelle Menschen sind zur Keuschheit gerufen“, s.o.)

Es ist allerdings nicht so, dass die kirchlichen Dogmen nur Homosexuelle betreffen. Denn:

  • Die katholische Kirche lehnt nicht nur gleichgeschlechtlichen Sex ab, sondern auch Selbstbefriedigung und außerehelichen Sex. Damit steht ihre Lehre nicht nur im Gegensatz zu homosexuellem Verhalten, sondern dürfte praktisch das Sexualverhalten aller Soldatinnen und Soldaten ablehnen.
  • Die katholische Lehre steht auch in diametralem Gegensatz zu der vernünftigen und pragmatischen Strategie der Bundeswehr, den Soldaten die Benutzung von Kondomen und notfalls sogar den Besuch von Prostituierten zu empfehlen. Muss man den berufsethischen Unterricht der Soldatinnen und Soldaten dann auch noch in die Hände katholischer Bischöfe und Geistlicher geben? (Wer wissen will, was dabei herauskommt, sollte das LKU-Themenheft „Partnerschaft + Ehe + Familie“ studieren – inklusive einer Einladung zur Soldatenwallfahrt nach Lourdes (Rückseite) und dem Hinweis, dass „gemeinsames Beten als ein stabilisierender Faktor von Ehen gilt“. (S. 5) Das Thema der hier zitierten Führungshilfe „Umgang mit Sexualität“ ist auf dem Themenplan für den LKU überhaupt nicht vorgesehen, obwohl seine Bedeutung unmittelbar aus dem Text hervorgeht.)

Für die militärischen Vorgesetzten

„gilt es insbesondere, Toleranz gegenüber einer anderen geschlechtlichen Orientierung einzufordern. Der Vorgesetzte muss dabei beachten, dass es z.B. gegenüber der Homosexualität in der Gesellschaft zum Teil noch tief sitzende Vorurteile gibt, die bis zu einer fundamentalen Ablehnung reichen.”

Wie gesagt, die Hervorhebungen sind hier bereits im Original. Toleranz für Homosexuelle ist nicht nur zu praktizieren, sondern einzufordern.

Man muss sich aber folgendes vergegenwärtigen: Die „tief sitzenden Vorurteile“ gegenüber der Homosexualität „bis zur fundamentalen Ablehnung“, die die Führungshilfe als Problem benennt, dürften in erheblichem Umfang auf die katholische Lehre zurückgehen und derzeit kaum von jemandem so personifiziert werden wie von Papst Benedikt und Militärbischof Overbeck. Wenn das Verteidigungsministerium katholische Geistliche – und insbesondere Bischof Overbeck – mit der berufsethischen Ausbildung der Soldatinnen und Soldaten betraut, macht es den Bock zum Gärtner.

Oder anders ausgedrückt: Katholischen Geistlichen sollte besser Ethik- und Lebenskundeunterricht erteilt werden statt sie diesen erteilen zu lassen.

M.E. ist es auch unzumutbar für homosexuelle Soldaten, zu einem „Ethikunterricht“ durch Vertreter einer Weltanschauung verpflichtet zu sein, die ihr Sexualverhalten offiziell und öffentlich als „schlimme Abirrung“, „widernatürlich“, „objektiv ungeordnet“ und „nicht zu billigen“ bezeichnet und die Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften massiv bekämpft.

Matthias Krause