In diesem Roman aus dem Genre Humorvolle Fantasy setzt sich "der Dickens des 20. Jahrhunderts" (Mail on Sunday) mit den Themen Kirche und Religion auseinander.
Die Originalausgabe ist bereits 1992 erschienen, doch von ihrer Aktualität hat die humorvolle Religionsanalyse nichts eingebüßt und ist bis heute unübertroffen.
"Einfach göttlich" ist ein so genannter "Scheibenwelt-Roman". Bei der Scheibenwelt handelt es sich um einen fantastisch-satirischen Spiegel der Realität. Diese Welt ist eine Scheibe, die von vier Elefanten getragen wird, welche wiederum auf dem Rücken der riesigen Schildkröte Groß-A'Tuin stehen und von ihr durch das Multiversum geflogen werden.
Zum Inhalt:
Auf der Scheibenwelt existieren Götter, so unglaublich diese Vorstellung zunächst einmal klingen mag. Die Bewohner der Großstadt Ankh-Morpork ignorieren sie meist höflich, weshalb sie dort keine große Rolle spielen. Nicht so im Wüstenland Omnien. Dort sorgt die In- sowie auch die mächtigere Exquisition für ihre Verehrung. Immer wenn ein Omnianer auf die Idee kommt, den großen Gott Om nicht oder nur halbherzig anzubeten, wird er mittels Folter auf seinen Fehler hingewiesen. Man würde nun annehmen, dass dieser Umstand dem großen Gott Om zugute kommt, schließlich ernährt er sich wie alle Götter vom Glauben der Menschen an seine Existenz. Aber dem ist nicht so, denn: Fast niemand glaubt wirklich noch an ihn, auch die In- und Exquisitoren nicht. Es handelt sich mehr um so eine Traditions-Angelegenheit, die für stabile Machtverhältnisse sorgt. Om beginnt sich ernsthaft Sorgen zu machen und beschließt, sein Volk zu besuchen. Aufgrund seiner Schwäche kann er nur in seiner harmlosesten Personifizierung in Omnien erscheinen - als kleine Schildkröte. Nachdem er einigen Adlern ausgewichen ist, die gelegentlich versuchen, ihn aus großer Höhe fallen zu lassen, erreicht er seinen letzten Gläubigen: Brutha, einen Novizen. Er stand schon immer ganz unten in der priesterlichen Hierarchie und begnügt sich damit, die Straßen sauber zu halten. Dies liegt unter anderem an seiner bescheidenen Auffassungsgabe und seiner dicken Figur, die einen naiv-harmlosen Eindruck hinterlässt.
Doch nun ändert sich Bruthas Leben, denn sein Gott hat ihn auserwählt, auch wenn sich diverse Kommunikationsschwierigkeiten zwischen den Beiden ergeben. Brutha ist sehr darauf bedacht, stets die Gebote des heiligen Buches einzuhalten. Diese Gebote stammen angeblich von Om, wurden jedoch von Propheten niedergeschrieben. Nun ergibt sich ein Umstand, der Brutha des öfteren verwirrt: Om offenbart ihm, dass er diese Propheten nur kurz getroffen hat, oder dass er sie meist gar nicht kennt. Er hat niemals irgendwelche göttlichen Gesetze erlassen. Die stammen alle von Menschen. Schließlich ist er nicht an der Gesetzgebung interessiert, sondern an der Vielzahl seiner Gläubigen.
Es ergibt sich, dass Brutha den Exquisitor Vorbis auf seiner Reise nach Ephebe begleitet. (Dabei handelt es sich um die Scheibenwelt-Version des antiken Griechenland.) Angeblich soll dort Bruder Murduck übel verspottet und sogar ermordet worden sein. Bei der Überfahrt des Meeres erklärt der Kapitän dem verwirrten Brutha, dass er den Rand der Welt gesehen hat. Die Scheibenwelt ist also gar keine Kugel, auch wenn die Omnianer davon überzeugt sind. Brutha beschwert sich bei Om, den er in einem Korb mit sich herumträgt und mit Salat füttert. Der bestätigt jedoch, dass die Scheibenwelt eine Scheibe ist und wundert sich, wie jemand so verrückt sein kann, etwas anderes zu behaupten.
In Ephebe angekommen, wird Brutha mit vielerlei Formen von Ungläubigkeit konfrontiert. Dort laufen Männer nackt oder in Fässern herum und zeichnen Kreise in den Sand. Diese "Philosophen" schreiben auch gerne Bücher, die niemand liest, damit sie sich als Philosophen bezeichnen dürfen. Einen großen Teil ihrer Zeit verbringen sie damit, Reden zu halten, bei denen man ihnen nicht zuhört und ihnen intellektuelle Unredlichkeit vorwirft. Es gibt sogar Philosophen, welche die Existenz der Götter anzweifeln. Mit solchen Behauptungen sind sie allerdings vorsichtig, schließlich haben sie zur Folge, dass die Denker von einem Blitz getroffen werden, an dem ein Zettel mit folgender Notiz hängt: "Natürlich exisitieren wir!" Gelegentlich tauchen die Götter auch in körperlicher Form auf. Besonders Patina, die Göttin der Weisheit, ist mit ihrem Aussehen sehr unzufrieden. Eigentlich ist sie nämlich eine Eule, die Menschen haben jedoch ihre alten Statuen falsch interpretiert und nun sieht sie aus wie ein Pinguin.
Exquisitor Vorbis besucht währenddessen den Tyrannen Ephebes. Diese Bezeichnung erhielt er von seinen Wählern, den Philosophen. Sie wussten aus Erfahrung, dass sich ihre Herrscher bald von ihrem halbnackten Grüblervolk distanzieren würden und nennen ihre Volksvertreter deshalb präventiv "Tyrannen". Auf jeden Fall weist Vorbis ihn darauf hin, dass er kapitulieren solle, weil die Omnianer andernfalls seine ketzerische Stadt in Trümmern legen würden. Der Tyrann verweigert lachend, da er sich in einer weit überlegenen Position sieht. Doch Vorbis hat heimlich seine Armee durch die Wüste nach Ephebe geschickt und schon bald wird die Stadt angegriffen. Einige seiner Anhänger verraten ihn und verbünden sich mit den Philosophen. Sie versuchen, die große Bibliothek zu retten (eine Parallele auf die Bibliothek von Alexandria). Aus Zeitdruck erklärt sich Brutha bereit, die wichtigsten Bücher auswendig zu lernen. Tatsächlich verfügt er über ein perfektes Gedächtnis, auch wenn er nicht lesen kann. (Sein Analphabetismus ist eine der wenigen unlogischen Stellen in "Einfach göttlich", schließlich versteht er trotzdem, was er liest.) Es gelingt Brutha und den anderen Abtrünnigen, aus Ephebe zu flüchten, namentlich mit einem antiken Motorboot. Vorbis nimmt jedoch in einem Schiff die Verfolgung auf. Schließlich werden beide Gefährte von der Meeresgöttin vernichtet und Brutha landet am Rande der Wüste, wo er auch Vorbis schlaffen Körper vorfindet und ihn mitnimmt, um ihn in Omnien vor Gericht zu stellen. Bei dem Marsch durch die Wüste trifft Brutha auf einen verrückten Einsiedler und auf geringe Götter. Bei diesen handelt es sich um Götter, die keine Gläubigen mehr haben und nun gezwungen sind, in der Wüste verzweifelt auf neue zu warten.
Am Ende setzt Vorbis den schlafenden Brutha außer Gefecht und schleppt ihn den restlichen Weg bis nach Omnien. Dort wird Vorbis als neuer Prophet empfangen, schließlich haben alle Propheten eine lange Zeit in der Wüste verbracht. Er ernennt Brutha zum Erzbischof, weil Vorbis fürchtet, er könnte etwas ausplaudern. Inzwischen sind die geflohenen Philosophen und die abrünnigen Soldaten Omniens auch angekommen und planen Vorbis Ermordung. Bei der Ernennungszeremonie lässt sich Om von einem Adler auf Vorbis Kopf werfen, was dessen Tod zur Folge hat. Das versammelte Volk versteht Vorbis Tod als Zeichen Gottes und beginnt wieder, mit aller Kraft an Om zu glauben. Endlich ist Om keine Schildkröte mehr, sondern ein mächtiger Gott, der in einer Wolke erscheint. Leider weiß er nicht viel mit seiner Macht anzufangen, weshalb er Brutha um Rat fragt. Der schlägt eine Art konstituionelle Omniarchie vor und öffnet das Reich anderen Göttern und Philosophen. Währenddessen bewirbt sich der Straßenhändler Das-ist-praktisch-geschenkt-Schnappler um die Ernennung zum Propheten, um der örtlichen Lebensmittelindustrie unter die Arme zu greifen.
Leider stehen plötzlich Kriegsschiffe aller Herren Länder vor der Küste Omniens. Sie wollen den kriegstreiberischen Gottesstaat ein für alle Mal unschädlich machen. Brutha versucht zu vermitteln, während ihm Om die Vernichtung aller Ungläubigen vorschlägt. Brutha lehnt ab und Om begibt sich nach Cori Celesti - den Olymp der Scheibenwelt. Dort verprügelt er alle anderen hohen Götter und zwingt sie dazu, nach Omnien zu kommen, um den Krieg zu verhindern. Das tun sie schließlich auch und befehlen ihren jeweiligen Völkern, den Angriff abzublasen. Om hat endlich eingesehen, dass die Vernichtung von Menschen und besonders von Schildkröten nur dann Spaß macht, wenn man nicht zufällig selbst eine ist. Omnien entwickelt sich schließlich zu einem modernen Staat.
Fazit:
Mit "Einfach göttlich" macht Terry Pratchett mit Religionen, was George Orwell mit totalitären Systemen getan hat: Er analysiert und kritisiert sie auf anspruchsvollem Niveau. Dazu kommt noch Pratchetts absurder, oft zynischer Humor, aufgrund dessen der Roman auch weniger tiefschürfende Zeitgenossen hervorragend unterhält.
Man stellt sich einzig die Frage, warum der Vatikan bis heute keine Stellung zu dem Buch abgegeben hat. Schließlich ist es sehr populär und rechnet ohne Gnade mit dem Christentum ab - genau davon ist die Religion Oms nämlich eine Parallele und das mehr als offensichtlich, auch wenn natürlich noch andere Religionen hineingemischt wurden. Omnien foltert seine Bewohner, fängt Kriege an und versucht jedem "Die Wahrheit" aufzuzwingen, obwohl ihr Gott Om selbst sagt, dass er mit der Realität mehr anfangen kann und nicht viel von göttlichen Geboten hält.
Wer also nicht tiefgläubig ist und eine Beeinträchtigung seiner religiösen Gefühle befürchtet, dem sei dieses Buch empfohlen. Besser kann eine Satire kaum noch sein.
Andreas Müller