Christlicher Pastor soll gehenkt werden

TEHERAN. (hpd) In der Islamischen Republik Iran zeigen sich Beispiele für tödliche Konsequenzen des weltweit weiterhin grassierenden Gotteswahns erneut auf schreckliche Weise: Yucef Nadarchani, ein christlicher Pastor, soll wegen „Abfall vom Glauben“ am Galgen sterben. Nach zahlreichen Berichten christlicher Medien macht jetzt auch die Bundesregierung Druck auf das Regime unter Irans Regierungschef Mahmud Ahmadinedschad und dem Ajatollah Ali Khamenei.

„Abfall vom islamischen Glauben“ und „Verbreitung nicht-islamischer Lehren“ heißen die Taten, wegen denen Yucef Nadarchanis Todesstrafe durch ein iranisches Gericht kürzlich letztinstanzlich bestätigt worden ist. Er war 2009 verhaftet worden, nachdem er seit 2006 gegen ein Gesetz protestiert hatte, welches Schulkinder von Eltern ohne muslimischen Glauben zur Teilnahme am Koranunterricht zwingt.

Dreimal forderte das Gericht vor der letzten Verurteilung den vermeintlichen Apostaten dazu auf, öffentlich seinem Glauben abzuschwören. Yucef Nadarchani weigerte sich, weshalb sein Schicksal besiegelt sein sollte. Am 22. September 2010 wurde der 35-Jährige zum Tod durch den Strang verurteilt, im Juli das Urteil im Berufungsverfahren bestätigt.

Nadarchani selbst hatte sich im 19. Lebensjahr dem Christentum zugewandt, womit er aus Sicht der von islamischen Glaubensregeln bestimmten iranischen Justiz als Apostat gilt. Obwohl er angab, auch vor dem Wandel zum evangelischen Gläubigen nicht als Muslim gelebt zu haben, wurde Yucef Nadarchani die Herkunft als Kind angeblich muslimischer Gläubiger angelastet. Da seine Eltern aus Sicht des Gerichts Muslime waren, wäre auch er als echter Muslim zu beurteilen.

Seit seinem Beitritt zur christlichen Gläubigengemeinschaft hatte sich Yucef Nadarchanis darin betätigt, ein Netzwerk christlicher Hauskirchen aufzubauen. Dort hielt er unter anderem religiöse Rituale ab. In Medienberichten heißt es, dass rund 400 Menschen zu der Untergrundgemeinde gehören. Anhänger des Christentums werden wie andere Menschen ohne muslimisches Glaubensbekenntnis, Homosexuelle oder Kritiker des Regimes im Iran verfolgt, schikaniert und diskriminiert. Iran hat zwar mit der Unterzeichnung des „Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte“ die Verpflichtung übernommen, seinen Bürgern das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit zuzugestehen. Praktisch gelten solche Unterzeichnungen im Gottesstaat wenig. Iran rangiert auf der Liste von Staaten, welche die Todesstrafe als legitime Sanktion in einer von politisierter Religion bestimmten Justiz praktizieren, ganz oben.

Wirtschaft wichtiger als Menschenrechte

Bemerkenswert: Deutschland ist traditionell einer der wichtigsten Handelspartner des Iran in der Europäischen Union. Trotz gegensätzlicher Versprechen der Bundesregierung wuchsen die deutschen Importe in den ersten zehn Monaten des letzten Jahres um 28 Prozent gegenüber 2009 auf über 690 Millionen Euro und lagen am Jahresende bei mehr als 900 Mio. Euro. Das Umsatzvolumen betrug 2010 insgesamt 4,7 Milliarden Euro. Im April berichtete Spiegel Online, dass auch die Bundesbank Indien Unterstützung bei der Abwicklung von Öl-Geschäften mit dem Mullah-Regime geleistet hat. Der Transfer von wirtschaftlichen Interessen funktioniert offenbar gut, der von menschenrechtlich unverzichtbaren Grundsätzen weniger.

Angesichts von Yucef Nadarchanis Verurteilung sammelte die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) über 4.000 Unterschriften, die gegen die Todesstrafe für den Vater von zwei Kindern eintraten. Das iranische Konsulat in Frankfurt am Main weigerte sich aber, die Erklärung mit den Unterschriften entgegenzunehmen. Der Zentralrat der Muslime in Deutschland äußerte sich nicht zu den Prozessen in der Islamischen Republik.

Markus Löning, Menschenrechtsbeauftragter der Bundesregierung, widmete der drohenden Todesstrafe für den Pastor am letzten Mittwoch hingegen einen Appell. „Iran hat sich völkerrechtlich verpflichtet, religiöse Minderheiten zu achten. Dazu gehört auch das Recht der freien Religionswahl und -ausübung. Dieses Recht fordere ich für Youcef Nadarkhani sowie alle weiteren in Iran aufgrund ihrer Glaubenszugehörigkeit Benachteiligten und Verfolgten. Ich appelliere an die iranischen Behörden, das Todesurteil aufzuheben und Herrn Nadarkhani unverzüglich frei zu lassen“, so Löhning.

Beispielbild
Morteza Tehrani / Marc Darchinger / Körber Stiftung
Gestern bestellte die Bundesregierung laut dpa den iranischen Geschäftsträger Morteza Navid Tehrani ein. Das Bundeskanzleramt übermittelte dem Diplomaten die „dringende Aufforderung“, auf die Vollstreckung des Todesurteils zu verzichten. Gegenüber der Presseagentur AFP erklärte der Anwalt von Yucef Nadarchani laut dem Nachrichtenmagazin stern.de am Donnerstag, dass sein Mandant möglicherweise bald frei kommen könnte. Die Einschätzungen von in solchen Fällen beteiligten Rechtsverteidigern sind jedoch oft wenig verlässlich, wie zuletzt das Verfahren um die Iranerin Sakineh Ashtiani gezeigt hat.

Seitens der IGFM hieß es am Mittwoch, das Verfahren sei ein „Versuch der Behörden, die iranische Untergrundgemeinde noch stärker unter Druck zu setzen“. Yucef Nadarchani wäre der erste Konvertit seit Jahren, bei dem die iranische Justiz den „Abfall vom Islam“ offiziell als Begründung des Todesurteils genannt hat. Zuletzt war vor 21 Jahren ein Mensch wegen solch einer Anklage im Iran hingerichtet worden, erklärte die Konrad-Adenauer-Stiftung in einem Bericht zur aktuellen Entwicklung der Menschenrechte im Iran.

Neben der deutschen Regierung haben auch die Vereinigten Staaten, Großbritannien und Frankreich die Machthaber im Iran dazu aufgefordert, das Urteil über den Pastor aufzuheben. Zuletzt äußerte sich am gestrigen Abend laut AFP Catherine Ashton, Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, und forderte das Regime auf, sich an seine Verpflichtungen gegenüber den Menschenrechten, einschließlich der Religions- und Weltanschauungsfreiheit, zu halten.

Arik Platzek