Offener Brief zum Welttag gegen die Todesstrafe

Iran: Ein Massaker an Gefangenen mit Ankündigung

galgen_gefaengnis.jpg

2025 wurden bislang 1.226 Menschen im Iran hingerichtet – rund zweieinhalbmal so viele wie im Vorjahreszeitraum. Seit den jüngsten regionalen Rückschlägen des Regimes, insbesondere nach dem zwölftägigen Krieg zwischen Israel und Iran, hat die Hinrichtungswelle beispiellos zugenommen. Im Schatten der Nachrichtenlage zu Gaza und Ukraine vollzieht sich dieses stillere Massensterben weitgehend unbeachtet. Zum 10. Oktober, dem Welttag gegen die Todesstrafe, hat das Deutsche Solidaritätskomitee für einen freien Iran (DSFI) einen Offenen Brief verschickt, den der hpd hier im Wortlaut wiedergibt.

Am Welttag gegen die Todesstrafe richten wir Unterzeichnenden einen dringenden Appell an die internationale Öffentlichkeit: 17 politische Gefangene im Iran stehen unmittelbar vor der Hinrichtung, während bereits 1.200 Menschen allein in diesem Jahr exekutiert wurden. 17 der akut bedrohten Menschen werden der Mitgliedschaft bei den oppositionellen Volksmojahedin Iran (PMOI/MEK) beschuldigt.

Unter ihnen: Vahid Bani-Amerian (33), hochbegabter Elektroingenieur mit Master in Strategischem Management (Spitzenuni), Gewinner in Mathematik, Schwimmen, Zeichnen. Laut Amnesty International wurde er am 22.12.2023 festgenommen, während der Verhöre gefoltert und misshandelt (wiederholte Schläge, Auspeitschungen, Todesdrohungen unter vorgehaltener Waffe), zwei Monate in verlängerter Einzelhaft gehalten, im Oktober 2024 zum Tode verurteilt – seitdem im Todestrakt.

Am 27. Juli 2025 wurden Behrouz Ehsani und Mehdi Hassani wegen angeblicher MEK-Mitgliedschaft hingerichtet; zu den Vorwürfen zählte auch "Moharebeh" (Krieg gegen Gott). Dieselben Anklagen bedrohen nun das Leben der 17 aktuell zum Tode Verurteilten.

Der September 2025 markierte mit 200 Hinrichtungen, darunter sechs Frauen, den höchsten Monatswert seit 1988; insgesamt wurden 2025 bereits 37 Frauen exekutiert.

Der Iran hält damit den traurigen Spitzenplatz bei Hinrichtungen pro Kopf weltweit. Laut Amnesty International entfielen 2024 rund 64 Prozent aller erfassten Exekutionen global auf den Iran – in diesem Jahr ist die Lage noch schlimmer.

Angesichts wachsender innerer Unzufriedenheit und zunehmender regionaler wie internationaler Isolation richtet das Regime seine Brutalität zunehmend gegen oppositionelle Stimmen im Inland.

In Teheran wird die Todesstrafe für eine Vielzahl vermeintlicher "Vergehen" instrumentalisiert – nicht zur Rechtsprechung, sondern zur Einschüchterung und Terrorisierung der Gesellschaft; deshalb finden so viele Hinrichtungen öffentlich statt.

Jahrzehntelange Straflosigkeit hat diese Verbrechen möglich gemacht. Am 8. Juli 2025 pries die staatliche Nachrichtenagentur Fars das Massaker von 1988 an 30.000 politischen Gefangenen – davon rund 90 Prozent MEK-Angehörige – unverhohlen als "erfolgreiche historische Erfahrung", die zu wiederholen sei. In seinem Bericht vom Juli 2024 stufte Prof. Javaid Rehman, damaliger UN-Sonderberichterstatter für Iran, das Massaker als offenkundiges Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord ein. Parallel dazu zerstört das Regime weiter Massengräber, um Spuren dieser Gräueltaten zu tilgen. Am 3. September warnte Amnesty International vor der Gefahr einer Wiederholung des Massakers von 1988. Die Geschichte darf sich nicht wiederholen.

Unsere Forderungen zum Welttag gegen die Todesstrafe

  • Klartext vom UN-Hochkommissar Volker Türk: Deutliche Stellungnahme zu Irans Hinrichtungen – insbesondere aus politischen Gründen – und Vorantreiben unabhängiger Untersuchungsmissionen zur Rechenschaftspflicht.
  • Entschlossenes Handeln: Der UN-Sonderberichterstatter, die UN-Untersuchungskommission zu Iran und alle internationalen Menschenrechtsgremien müssen Maßnahmen ergreifen, um ein weiteres Massaker zu verhindern.
  • Druck der Demokratien: Demokratische Regierungen sollen die Verantwortlichen im iranischen Regime zur Rechenschaft ziehen und das gravierende Menschenrechtsdossier Irans dem UN-Sicherheitsrat vorlegen – mit dem Ziel konkreter, sanktionsbewehrter Schritte.

Es geht nicht nur um Gerechtigkeit für die Opfer, sondern um die Glaubwürdigkeit der internationalen Gemeinschaft, ihre Werte zu verteidigen und Massenverbrechen zu verhindern. Jetzt handeln – bevor es zu spät ist.

Deutsche Unterzeichner:innen (alphabetisch):

Peter Altmaier, ehemaliger Bundesminister für Wirtschaft und Energie.

Prof. Dr. Wolfgang Huber, ehemaliger Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).

Prof. Dr. Margot Käßmann, ehemalige Bischöfin von Hannover und ehemalige Ratsvorsitzende der EKD.

Prof. Dr. Wolfgang Schomburg, Richter am UN-Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (ICTY, 2001–2008) und für Ruanda (ICTR, 2003–2008); zuvor Richter am Bundesgerichtshof (1995–2000).

Prof. Dr. Rita Süssmuth, ehemalige Präsidentin des Deutschen Bundestages.

Prof. Dr. Horst Teltschik, ehemaliger Kanzlerberater und langjähriger Vorsitzender der Münchner Sicherheitskonferenz.

Weitere Unterzeichner:innen (alphabetisch):

John Bercow, Präsident des britischen Unterhauses (2009–2019).

Ingrid Betancourt, ehemalige kolumbianische Präsidentschaftskandidatin und ehemalige Geisel.

Bob Blackman, britischer Unterhausabgeordneter; Vorsitzender des 1922 Committee.

Botschafter Kenneth Blackwell, ehemaliger US-Repräsentant beim UN-Menschenrechtsrat.

Botschafter Lincoln Bloomfield, ehemaliger US-Assistant Secretary of State in fünf US-Regierungen.

Linda Chavez, ehemalige Direktorin des White House Office of Public Liaison.

Rabbiner Abraham Cooper, ehemaliger Vorsitzender der US Commission on International Religious Freedom (USCIRF); Mitbegründer und internationaler Repräsentant des Simon Wiesenthal Center.

David Jones, ehemaliger Wales-Minister; ehemaliger britischer Staatsminister.

Bruce McColm, Präsident des Institute for Democratic Strategies; ehemaliger Geschäftsführer von Freedom House.

Baroness Nuala O'Loan DBE MRIA, Mitglied des britischen Oberhauses.

Jim Shannon, Vorsitzender der parteiübergreifenden Parlamentsgruppe International Freedom of Religion or Belief (APPG).

Antonio Stango, Präsident der Italian Federation for Human Rights.

Robert Torricelli, ehemaliger US-Senator und Kongressabgeordneter (D-NJ).

Elisabetta Zamparutti, Vorstand von Hands Off Cain, einer NGO für die weltweite Abschaffung der Todesstrafe.

Unterstützen Sie uns bei Steady!