(hpd) Das Buch „Naturwissenschaft und Glaube, Impulse zum Dialog“, herausgegeben von Erhard Mayerhofer und Georg Nuhsbaumer, ist einer jener hilflosen und verzweifelten Versuche, die Naturwissenschaft und den Glauben miteinander zu versöhnen. Es handelt sich im Wesentlichen um die Dokumentation eines Symposiums, das im Dezember 2006 im Kardinal König Haus in Wien stattfand.
Veranstalter des Symposiums war in erster Linie das Religionspädagogische Institut der Erzdiözese Wien. Dementsprechend ausgesucht waren auch die Teilnehmer des Symposiums. Ernsthafte Religionskritik war damit wohl von vornherein ausgeschlossen. So wurde auch bei den meisten naturwissenschaftlichen Beiträgen immer wieder darauf abgehoben, wie gut doch die naturwissenschaftlichen Forschungsergebnisse mit dem Glauben zu vereinbaren seien.
Im Geleitwort von Christine Mann wird mit Zitaten vom Zweiten Vatikanischen Konzil darauf hingewiesen, dass sich die katholische Kirche, „in einem langen Prozess, der auch schmerzlich war“, den Naturwissenschaften geöffnet habe. Da bekommt man direkt Mitleid mit der katholischen Kirche. Vergessen ist offenbar, wie schmerzlich es bei diesem Prozess für die Naturwissenschaftler war, die von der Inquisition verfolgt wurden. Schmerzlich war es im Mittelalter auch für alle die Kranken, die aufgrund der massiven Behinderung der wissenschaftlichen Medizin durch die Kirche eine Behandlung erhielten, deren Niveau zum Teil unter dem der Antike lag. Davon ganz abgesehen, scheint sich die Öffnung des gegenwärtigen Papstes gegenüber den Naturwissenschaften sehr in Grenzen zu halten. So behauptet er nach Angaben der Nachrichtenagentur AP, dass die Evolutionstheorie keine vollständig wissenschaftlich bewiesene Theorie sei. Die Autorin zitiert weiterhin das Konzil mit der Feststellung, dass demütige Forscher „auch wenn sie sich dessen nicht bewusst sind, gleichsam mit der Hand Gottes geführt werden“. Das ist schon sehr erstaunlich, wo doch diese Leute ständig Dinge herausfinden, die den Glauben an einen Gott erschweren und mittlerweile einen Schöpfergott gänzlich überflüssig machen.
Für die Theologie eine Frage des Überlebens
Im Vorwort stellt Erhard Mayerhofer fest, dass „ein ernsthafter und echter Dialog zwischen Physik, Biologie und Theologie heute mehr denn je dringend notwendig scheint“. Für die Theologie mag das sogar eine Frage des Überlebens sein, für die Naturwissenschaften ist er dagegen völlig verzichtbar. Worin könnte der Gewinn für die Naturwissenschaftler liegen, wenn sie sich neben der Realität auch noch mit irrationalen Dingen beschäftigten?
Es folgt im Hauptteil des Buches ein Beitrag von Dieter Meschede über „Einstein, Heisenberg und die Folgen für unser Denken“, in dem vor allem auf die Umwälzungen des physikalischen Weltbildes im 20. Jahrhundert eingegangen wird. Sein Fazit ist, dass Naturwissenschaft und Religion weitgehend entflochten sind, da ihre Anliegen konzeptionell verschiedene Aspekte der Wirklichkeit behandeln. Da muss man sich dann allerdings fragen, welche Aspekte der Wirklichkeit denn die Wissenschaft nicht behandelt. Gerade der atemberaubende Erfolg der Naturwissenschaft innerhalb des letzten Jahrhunderts zeigt doch, dass man hier auf dem richtigen Weg ist. Sowohl der Glaube als auch die Metaphysik haben dagegen über Jahrtausende hinweg absolut nichts zur Erforschung der Wirklichkeit beigetragen können. Sie haben im Gegenteil die Forschung sogar behindert. Meschede hätte nur dann Recht, wenn wir die verschiedenen Aspekte so definieren würden: Die Wissenschaft befasst sich mit der Realität, und die Religion befasst sich mit Imaginärstoffen.
Rückständiges Denken
Im nachfolgenden Kapitel von Annette G. Beck-Sickinger und Sabine Kanton werden unter dem Titel „Vom Gen zum Protein“ die Grenzen und Möglichkeiten der Biochemie behandelt. Die Autorinnen halten sich dabei wohltuend mit Kommentaren zur Religion zurück. Im Kapitel „Wie viel Gott verträgt die Wissenschaft“ kommt dann der Autor Bertram Stubenrausch zu den eigentlichen Kernthemen der Diskussion. Er definiert den Unterschied zwischen Naturwissenschaft und Glaube auf Seite 82 exemplarisch so:
"Es ist ganz und gar unwissenschaftlich, Urteile über ein großes Ganzes zu fällen auf der Basis von Voraussetzungen, die per definitionem nur einen Ausschnitt der Wirklichkeit unter die Lupe nehmen.
Die Naturwissenschaften wollen wissen, wie etwas geschieht und haben es mit objektiven Tatsachen zu tun; die Religion beschäftigt sich mit Werten und dem letzten Sinn des Daseins.
Theologie und Naturwissenschaften tragen je auf ihre Weise zum Fortschritt der einen Menschheit in der einen Welt bei. Deshalb lautet die eigentlich wichtige Frage nicht, ob da Gott zu vermuten sei, wo die Wissenschaft (vorerst) nur Dunkelheit ausmacht. Sondern zu diskutieren ist, wie sich Gott denken lässt angesichts all dessen, was die Wissenschaft bereits weiß."
Der erste Satz wäre nur dann richtig, wenn Naturwissenschaftler endgültige Urteile über das Ganze fällen würden, was sie allerdings in aller Regel nicht tun. Es ist aber durchaus wissenschaftlich zulässig, Hypothesen über das Ganze aufzustellen. Solange kein Ausschnitt der Wirklichkeit diese widerlegt, sind sie als vorläufig beste Beschreibung der Wirklichkeit anzusehen.
Der zweite Satz suggeriert, dass die Naturwissenschaften grundsätzlich nicht in der Lage wären, Aussagen über Werte und den letzten Sinn des Lebens zu machen. Das aber ist rückständiges Denken der Theologen. Es gibt inzwischen durchaus Ansätze, z.B. in der evolutionären Psychologie, auf wissenschaftlichen Wegen zu objektiven Werten zu gelangen. Siehe dazu z.B. das Buch „Der Darwin Code“ von Thomas Junker und Sabine Paul sowie das Buch von Sam Harris „The Moral Landscape, how Science can determine human Values“.
Auch über den letzten Sinn des Lebens kann die Naturwissenschaft wichtige Hinweise geben. Was die Kosmologie schon jetzt mit großer Sicherheit sagen kann, ist, dass unsere Zivilisation nur eine begrenzte Lebenserwartung hat. Irgendwann wird es von unserer Existenz keinerlei Spuren mehr geben. Wenn aber nichts mehr von uns bleibt, dann kann es prinzipiell keinen letzten, höheren Sinn unseres Daseins geben. Eine Wiederauferstehung im Jenseits mit all unseren Erinnerungen ist naturwissenschaftlich gesehen, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, völlig unmöglich.
Unverschämte Behauptungen
Im letzten Absatz wird die schon als unverschämt zu bezeichnende Behauptung aufgestellt, dass die Theologie zum Fortschritt der Menschheit beigetragen hätte. Worin bitte liegt dieser? Richtig ist vielmehr das genaue Gegenteil. So hat die katholische Kirche in dem als „dunklen Zeitalter“ bezeichneten Zeitraum von etwa 500 bis 1500 jedweden Fortschritt der Wissenschaft und der Kultur systematisch unterdrückt durch Bücherverbrennungen und ihrem Monopol bei der Herstellung und der Kopie neuer Bücher. Alles was dem irrationalen Weltbild der Kirche widersprach, durfte nicht veröffentlicht werden.
„Die Religion beschäftigt sich mit Werten“…mit welchem Erfolg? Verfechter des Christentums haben im Laufe der letzten zweitausend Jahren mehr als 100 Millionen Menschen ermordet (siehe Karlheinz Deschner: „Die Kriminalgeschichte des Christentums“). Sie sollten zum Thema Werte und Ethik besser für immer schweigen!
Die Frage, wie sich Gott denken lässt, nach all dem was die Wissenschaft inzwischen weiß, ist recht einfach zu beantworten: so gut wie überhaupt nicht! Richtig ist dennoch, dass die Naturwissenschaft keinen absoluten Wahrheitsanspruch vertreten kann. Aber die Theologie kann das noch viel weniger. Sie steht letztlich mit leeren Händen da. Außer ihrem infantilen Wunschdenken und einem alten Märchenbuch, dessen historische Wahrheiten auf einer Postkarte Platz hätten, hat sie nichts zu bieten. Auch die Vernunft hilft ihr nicht wirklich weiter, denn dass man auf einen Schöpfergott aus Vernunftsgründen nicht schließen kann, hat schon Immanuel Kant bewiesen.
Fazit: Wissen statt religiösem Wunschdenken
Den Schülern, für die dieses Buch in erster Linie verfasst wurde, kann man nur raten, Bücher zu lesen, die Wissen verbreiten statt religiösem Wunschdenken. Dass manche Schüler über mehr kritisches Urteilsvermögen verfügen als ihre Religionslehrer, zeigt ein Kommentar im Kapitel „Gottes Natur“. Dort regt sich der Autor Walter Eckensperger auf Seite 133 darüber auf, dass eine Schülerin nach 14 Jahren Religionsunterricht im Nachwort einer Fachbereichsarbeit über die historischen Probleme der Evolutionstheorie mit großer Zustimmung Richard Dawkins zitiert, über die Dummheit der Religion im Allgemeinen und die Verbohrtheit des Schöpfungsglaubens im Besonderen und zu dem Schluss kommt, dass durch die Naturwissenschaften das Welterklärungspotential der Religionen endgültig desavouiert sei. Im Gegensatz zu Eckensperger kann man vor einer solchen Schülerin nur größte Hochachtung haben. Sie hat sich ganz offensichtlich ihr kritisches Denkvermögen trotz 14 jähriger Verdummungsbemühungen ihrer Religionslehrer erhalten.
Zusammenfassend kann man sagen, dass dieses Buch so überflüssig ist wie der gesamte konfessionelle Religionsunterricht. Die Flucht der Theologie vor den Naturwissenschaften wird weiter gehen, bis ihr nur noch die reine Esoterik bleibt. Wenn sich die Theologen auch nur annähernd über den intellektuellen Abstand zwischen den Spitzenkräften der Naturwissenschaften und ihnen selbst im Klaren wären, dann würden sie sich wahrscheinlich vor Verzweiflung vom höchsten Stockwerk ihres Elfenbeinturms in die Tiefe stürzen.
Bernd Vowinkel
Erhard Mayerhofer (Hg.)/Georg Nuhsbaumer (Hg.): Naturwissenschaft und Glaube: Impulse zum Dialog [Broschiert],146 Seiten; Verlag: Lit Verlag; 1., Aufl. (9. November 2011). ISBN-10: 3643502982, ISBN-13: 978-3643502988