FRANKREICH. (hpd) Vom 12. bis 15. September besuchte der Papst auf Einladung von Präsident Sarkozy Frankreich. Der Besuch
fand in den großen Medien eine starke Resonanz. Wie immer wurde jedoch die Protestbewegung gegen den Besuch und auch die enorme Mobilisierung der Polizei und Ordnungskräfte kaum dokumentiert, obwohl nach einer Umfrage 62 % der Franzosen diesen Besuch als nur für Katholiken interessant ansehen und 80 % der Bevölkerung die Politik des Papstes als negativ oder für sie uninteressant bewerten.
Zeichen für die gespaltene und manchmal zerstrittene laizistische Szene Frankreichs ist die Tatsache, dass sie sich wiederum nicht auf eine zentrale Demonstration einigen konnte. So erfolgten verschiedene Protestkampagnen und Demonstrationen hinter- und nebeneinander mit den entsprechenden Aufrufen.
Freitag
Bereits bei der Ankunft des Papstes am 12. September fand die erste Protestdemonstration in Paris statt. Aufgerufen hatte eine Reihe von radikallinken antiklerikalen Gruppen wie z.B. die Weltmarsch der Frauen (MMF), Die rosa Panther, Libertäre Alternative (AL), Nationalkollektiv der Frauenrechte (CNDF), Kommunistische Revolutionäre Liga (LCR), Koordination der Vereine für das Recht auf Schwangerschaftsabbruch (CADAC), Scab (Schweiz), Liga für die Frauenrechte, Französische Bewegung für die Familienplanung (MFPF), Bewegung gegen den Rassismus und für die Freundschaft unter den Völkern (MRAP), SOS sexisme, Nationale Sekuläre Gesellschaft (UK), Kommunistische revolutionäre Jugend (JCR), Alternative Linke 67, Europäische Feministische Initiative (IFE), etc.
Die etwa 500 Demonstranten wandten sich insbesondere gegen die Politik des so genannten „positiven Laizismus" zur Aufhebung der Trennung von Kirche und Staat von Sarkozy, die anti-emanzipatorischen Thesen des Papstes, die sexistische Ideologie des Vatikans, insbesondere im Bereich der Privilegierung der Männer, der Negation der Homosexualität, der Pille und des Schwangerschaftsabbruchs (Video der Demonstration).
Sonnabend
Am Sonnabend (13.09) waren dann die Anarchisten an der Reihe. Unter der Losung „Kein Gott, kein Meister, kein Staat, kein Chef!" brachten etwa tausend Anarchisten aus Frankreich und Spanien zum Ausdruck, dass der Papst weder den Laizisten (Religion ist Privatsache), den Antiklerikalen (die Kirche will die soziale Kontrolle über die Gesellschaft), den Atheisten (jeder Aberglauben ist anti-emanzipatorisch) oder den Militanten der sexuellen Befreiung willkommen ist. (Bericht und das Video zur Demonstration)
Auch die homosexuelle Gruppe Act-up wurde aktiv und entrollte auf der Treppe der Sacre Coeur ein Spruchband mit dem Text: Die Kondome sind das Leben.
Repräsentativer war ein Manifest, das die Unterschrift von Vertretern größerer laizistischen Organisationen und Antidiskrimierungsgruppen wie Paroles de Femmes, Les Insoumis-es, Mouvement des Jeunes Socialistes, l'Union rationaliste, CCMM (Zentrum gegen das Sektenwesen), Europe et laïcité, UNEF, Ligue des Droits de l'Homme, UFAL, Comité IDAHO (International Day Against Homophobia), Fédération française des Centres LGBT, etc. trug.
Danach hat der Papst zwar das Recht, nach Frankreich zu kommen, aber nicht als offizieller Gast der Regierung. An der Spitze eines kleinen patriarchalischen und theokratischen Staates benutzt er z. B. seinen permanenten Beobachtersitz an der UNO hauptsächlich dazu, um jedes Programm zugunsten der Familienplanung, der Rechte der Frauen, der Bekämpfung von AIDS oder der sexuellen Antidiskriminierung zurückzuweisen. Oft an der Seite der übelsten Diktaturen der Organisation der Islamischen Konferenz. Besonders abzulehnen ist die so genannte „positive Laizität", ein Begriff, der von Benedikt XVI benutzt und dann von Nicolas Sarkozy in seinem Buch „Die Republik, die Religionen und die Hoffnung" aufgegriffen wurde und die er in seinen Präsidentschaftsreden in Rom und Riad wiederholte.
Die Unterzeichner lehnen diese Entwicklung der Laizität in Richtung einer Zivilreligion amerikanischer Art, die öffentlichen Unterstützung der Kultorte sowie die Lockerung der Wachsamkeit gegenüber den Sekten ab. Sie rufen im Gegenteil zur Wachsamkeit gegenüber allen Integrismen auf und betonen: „In der Vermittlung der Grundsätze der Republik können der Pfarrer, der Pastor, der Rabbiner oder der Imam niemals den Lehrer ersetzen. Wenn der Katholizismus unumstritten zum Kulturerbe Frankreichs gehört, ist Frankreich seit einigen Jahrhunderten schon nicht mehr die „älteste Tochter der Kirche", sondern eine von den Kirchen getrennte Republik."
Sonntag
Am Sonntag (14.09.) fand dann das durch C.A.E.D.E.L. und M.E.L. (Zentrum für eine demokratische und laizistische europäische Aktion, Bewegung Europa und Laizität) organisierte internationale Meeting in Paris statt. Es richtete sich gegen die öffentliche Finanzierung der Kulte und forderte die Laizität sowie die Trennung von Staat und Religion in ganz Europa. Es sprachen dort u. a. Vertreter von La Pensée Libre (Freidenker), der Gewerkschaft CGT-FO, der Liga des Unterrichts, der IHEU, der Rationalistischen Union, der Laizistischen Bewegung von Quebec, der Europäischen Humanistischen Föderation (FHE), dem Zentrum für Laizistische Aktion Belgiens, etc. (Lettre électronique nr 134)
Fragen der Finanzierung umstritten
Im Vorfeld hat die Kirche bereits gegen die dort geäußerte Kritik an die Finanzierung des Besuches reagiert. Nach ihr muss der Staat nur die Kosten für die Sicherheit der Personen und den offiziellen Bereich des Besuchs übernehmen. Behauptet wird, dass (seit Paul VI und Johannes-Paul II begonnen haben, die Welt zu durchreisen) die Regel immer dieselbe ist: Es ist die katholische Kirche des Aufnahmelandes, welche die Reisen des Papstes finanziert. Nur wenn es sich um besonders benachteiligte Kirchen handelt, können die Kosten aus einem speziellen Fonds durch Rom bezahlt werden. In diesem Fall sind es besonders die Diözesen von Paris und von Tarbes-Lourdes, die den kirchlichen Beitrag leisten.
Der Pariser Teil des Besuchs von Freitagmittag bis zum Samstagnachmittag kostet die Kirche 1,5 Millionen Euro. Allein die Aufstellung von 15 riesigen Bildschirmen stellen 52 % dieser Summe. Der Rest teilt sich über die liturgischen Feiern (19% für die Herstellung des Podestes und die liturgischen Möbel, dem Kauf von 3.000 Schalen für die Kommunion, von 75 Messgewändern und 1.800 Stolen usw.), der logistischen Koordinierung (11%), der Kommunikation (9%), den Hilfen (6%) und dem Sekretariat (3%) auf. Was den Aufenthalt von Benoît XVI in Lourdes betrifft - von Samstagabend bis Montagmittag - werden die Kosten auf etwa an 1,8 Millionen Euro geschätzt.
Weil angeblich die üblichen Mittel der Diözesen diese außergewöhnlichen Ausgaben nicht tragen können ruft die Kirche zu Spenden auf. In Paris hoffen die Organisatoren, dass die Spenden die Hälfte der Ausgaben decken werden und während der Messe weitere 20 % gesammelt werden können.
Diese Reise des Papstes umfasst jedoch, als Gast Sarkozys, auch einen offiziellen Teil. „Der Staat wird die Kosten für den Empfang und den Transport der Delegation übernehmen", erklärte man im Innenministerium. Für die Sicherheit der Besucher setzt die Regierung 30 bewegliche Einheiten von Gendarmen und CRS in Lourdes und 35 in Paris ein. Zusätzlich hat sich Innenminister Michèle Alliot-Marie dazu verpflichtet 100.000 € aus einem speziellen Fonds zur Verfügung zu stellen, um dem Rathaus von Lourdes zu erlauben, das Stadion Antoine Béguère zu erneuern, wo der päpstliche Helikopter landen wird. Das Rathaus von Lourdes wird die zur Verfügung gestellten Pendelbusse mit 180.000 € finanzieren.
In einer Antwort an den Präsidenten des Verbandes der Freidenker (La Libre Pensée), Marc Blondel, der der Ansicht war, dass Demonstrationen religiösen Charakters, wie die Reise des Papstes, nicht finanziell durch den öffentlichen Haushalt getragen werden dürften, macht das Ministerium geltend, dass die Diözese von Paris für die „Verfügungsstellung" öffentlicher Gebäude zahlen muss: 40.000 € für die Salons sowie die Gärten des Gouverneurs an den „Invalides" und 40.000 € für das Pressezentrum der Militärschule.
Rudy Mondelaers