„Die meisten Feiertage sind ja religiös bedingt“

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Kersten Artus / Foto: Bürgerschaft Hamburg

HAMBURG. (hpd) Seit drei Jahren setzt sich Kersten Artus, Vizepräsidentin der Hamburgischen Bürgerschaft, für einen gesetzlich verankerten Feiertag für Frauen ein. Ein Durchbruch blieb bislang aber aus. Im Interview spricht die Politikerin der Linkspartei über die bisherigen Erfahrungen und Erfolge.

Im Jahr 1910 von der Sozialistin Clara Zetkin erfunden, wurde der Internationale Frauentag vor 35 Jahren von der Generalversammlung der Vereinten Nationen anerkannt. Zwar ist der Frauentag  heute bereits in über zwei Dutzend Ländern der Welt ein gesetzlicher Feiertag. In Deutschland hingegen sperrte man sich bislang dagegen, den Internationalen Frauentag zu einem echten Gedenk- und Feiertag zu machen, der gleichberechtigt neben anderen gesetzlichen Feiertagen steht.

hpd: Warum gibt es noch keinen richtigen Frauentag in Deutschland?

Kersten Artus: Einen Frauentag haben wir ja schon, aber wir haben ihn noch nicht als Feiertag. Durch die Initiative, die ich 2009 gestartet habe, gab es sowohl auf Bundesebene wie auch in verschiedenen Landesparlamenten entsprechende Anträge, den Internationalen Frauentag als gesetzlichen Feiertag einzuführen. Leider konnten dafür noch nie Mehrheiten erreicht werden.

hpd: Mit welchen Begründungen wurden die Anträge abgelehnt?

Artus: In Hamburg wurde gar nicht darüber entschieden. In der alten Wahlperiode stand der Antrag in der parlamentarischen Pipeline, und man wollte sich immer mal wieder damit beschäftigen, was aber nicht geschah. Zu den Argumenten hörte ich unter anderem, dass es schon genug Feiertage gäbe oder dass so etwas sehr aufwändig wäre. Insgesamt waren die Argumente eher undifferenziert, auch wenn die Haltung zu dem Anliegen in allen Fraktionen generell nicht sehr negativ war. Man mochte sich offenbar nur nicht dazu durchringen. Ich glaube, es hatte auch etwas damit zu tun, dass es ausgerechnet die Fraktion der Linkspartei als neue parlamentarische Kraft war, die die Idee hatte.

hpd: Hat sich bisher etwas herauskristallisiert, das als echte Hürde bezeichnet werden kann? Gab es eine bestimmte Fraktion oder Region, wo Ihr Anliegen auf besonderen Widerstand gestoßen ist?

Artus: Zu so einer Feststellung sind wir im Zuge der Diskussionen überhaupt nicht gekommen. Doch die Diskussionen müssen auch ganz dringend noch einmal geführt werden. Bisher kann ich da also nur spekulieren. Wie gesagt, ist ein Grund wohl, dass die Linke das Thema entdeckt hat. Hier gibt es eine Art Reflexreaktion von manchen Parteien, sofort erst einmal alles im Bausch und Bogen schlecht zu machen, was die Linke vorschlägt oder durchsetzen will. Aber wenn wir dem nochmal gezielter nachgingen, würden sicher auch wirtschaftliche Gründe dazu kommen. Wenn viele Menschen plötzlich einen weiteren Tag nicht zur Arbeit gehen müssen, sollte das ja auch Auswirkungen auf die Produktivität haben. Ich finde das zwar nicht, kann es mir aber als ein Argument vorstellen.

hpd: Was sagen Sie denn denen, die meinen, wir hätten schon genug Feiertage?

Artus: Das trifft zu mindestens auf Hamburg nicht zu. Hamburg ist das Bundesland mit den wenigsten Feiertagen, insofern haben wir eher einen Nachholbedarf. Und zwar nicht nur für einen Feiertag. Wenn ich nach Bayern schaue, sehe ich dort 14 Feiertage und insofern sind wir in Hamburg noch benachteiligt.

hpd: Finden Sie die Feiertagskultur, die sich im Hamburger Feiertagsgesetz widerspiegelt, noch zeitgemäß?

Artus:  Die meisten Feiertage sind ja religiös bedingt. Sie haben aber auch jahrzehnte- oder jahrhundertealte Traditionen. Ich finde die existierenden Feiertage insofern noch zeitgemäß, weil sie von den Menschen nicht abgelehnt werden. Deshalb glaube ich, die vorhandenen Feiertage sind alle in Ordnung. Auch wenn ich mit den religiösen Motiven persönlich nicht so viel am Hut habe. Es ist trotzdem durchaus zeitgemäß, sich auch gesellschaftlich übergreifend Momente zu nehmen und diese als Feiertage zu ehren. Der 1. Mai ist ja ein klassischer Feiertag, der aus einer nichtreligiösen Tradition entstanden ist.

hpd: Könnte gesetzlichen Feiertagen eine stärkere gesellschaftlich inklusive Wirkung bekommen?

Artus: Ja, die hat der 1. Mai auch schon. Ich denke schon, dass wir auf keinen Fall mehr religiöse Feiertage brauchen. Auch wenn ich nicht meine, dass diese in anderen Bundesländern abgeschafft werden müssen, finde ich, dass wir in Hamburg keine weiteren religiösen Feiertage benötigen. Aber um den 8. März wiederrum sollte man sich noch einmal ernsthaftere Gedanken machen.

hpd: Nur um diesen Tag?

Auf Bundesebene hatte die Linkspartei in der Vergangenheit auch für den 8. Mai, also den Tag der Befreiung vom Hitler-Faschismus, einen bundesweiten Gedenktag gefordert. Ich finde so etwas sehr angemessen. Man kann sich hier natürlich über noch andere Feiertage Gedanken machen, die keinen religiösen Hintergrund haben.

hpd: Wer konnte sich in der Vergangenheit eigentlich am ehesten für einen Frauentag als gesetzlichen Feiertag begeistern?

Artus: Die Grünen-Frauen haben das immer unterstützt und bei den Gewerkschaftsfrauen ist der Gedanke ja entstanden. Der ver.di-Bundeskongress hatte im vergangenen Jahr auch einen Beschluss auf Bundesebene gefasst, dass der 8. März als ein gesetzlicher Feiertag gefordert wird. Da sind wir also auch noch mal einen ganz großen Schritt vorangekommen, in dem sich die zweitgrößte Gewerkschaft Deutschlands dafür stark machen wird. Und hier rechne ich demnächst auch mit Initiativen.