Die 101 wichtigsten Fragen zur Evolution

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Vortrag Prof. Thomas Junker / Fotos: Alexander von der Nahmer

FRANKFURT/M. (hpd/sh). Anfang März 2012 hielt der Wissenschaftshistoriker Prof. Dr. Thomas Junker zum zweiten Mal einen Vortrag im Rahmen der Veranstaltungsreihe der Säkularen Humanisten Rhein-Main im Saalbau Bornheim. Diesmal, um sein neues Buch vorzustellen.

Bericht und Kommentar von Jochen Beck

Die Evolution ist zwar ein Schlüsselthema zum Verständnis der Natur, trotzdem kann man hierzulande immer noch problemlos dreizehn Schuljahre durchlaufen, ohne sie je behandelt zu haben. Die Evolutionstheorie wird vor dem 11. Schuljahr oft nur im Wahlpflichtfach behandelt, und die Oberschüler können das Fach Biologie abwählen, bevor diese dort zum Zuge kommt. Gleichzeitig bekommen die Kinder nach wie vor in Kindergarten und Grundschule die biblische Schöpfungslehre unreflektiert verabreicht. Sie erhalten also eine kreationistische Vorprägung, die sie später bei der Entwicklung eines adäquaten Naturverständnisses behindert, welches aber für eine Teilnahme an der gesellschaftlichen Meinungs- und Willensbildung unerlässlich ist. Die Veranstaltung dieses Abends war wieder dem Thema Evolution gewidmet.

Junkers Die 101 wichtigsten Fragen: Evolution ist in der Beck'schen Taschenbuchreihe erschienen, so wie vorher schon seine Bücher Geschichte der Biologie und Evolution des Menschen. Zum Darwin-Jahr 2009 hat er die erste deutschsprachige Ausgabe von Darwins Entstehung der Arten (1860) neu herausgegeben. Vielen treuen Besuchern der Veranstaltungsreihe ist er noch durch seinen Vortrag im Herbst 2009 in Erinnerung, in dem er ein Thema aus seinem - gemeinsam mit Sabine Paul verfassten - Buch Der Darwin-Code behandelte.

Die Auswahl der 101 Fragen ist so strukturiert, dass der Inhalt des Buches eine leicht verständliche Einführung in die Evolutionstheorie ergibt, aber auch populäre Vorurteile und weit verbreitete Missverständnisse aufgreift. Der Referent gestaltete die Veranstaltung überwiegend als Lesung. Er präsentierte einen Überblick über die Fragen des Buches und las die Antworten ausgewählter oder vom Publikum gewünschter Fragen vor. Manche der Fragestellungen sind sehr naheliegend:

  • Welche Beweise gibt es für die Evolution?
  • Gibt es mehrere Evolutionstheorien?
  • Stammen wir vom Affen ab?
  • Wie entstehen neue Gene?
  • Warum stürzen sich Lemminge massenweise in den Tod?
  • Gibt es intelligentes Leben auf anderen Planeten?

Andere wirken auf den ersten Blick etwas seltsam:

  • Warum gibt es Männer?
  • Warum sind Frauen schön?
  • Kann man Selbstmordattentate biologisch erklären?

Eine besondere Überraschung bot für die mehr als 60 Gäste des Abends Junkers Richtigstellung der Missverständnisse zum „Kampf ums Dasein“ oder seine Aufklärung der manipulativen Hintergründe der Lemming-Szene in dem mit einem Oscar prämierten Film „White Wilderness“.

Aus dem Publikum wurden unter anderem die Texte zu „Ist Homosexualität widernatürlich?“ und  „Warum macht Sex Spaß?“ gewünscht. Vor der Lesung des  letzteren Textes vergewisserte sich der Autor, ob auch keine minderjährigen Kinder im Saal seien. Die Antwort zu „Stammen wir vom Affen ab?“ war für viele verblüffend, denn diejenigen, die wussten, dass der Mensch nicht von heutigen Arten abstammen kann, waren sich oft nicht bewusst, dass auch unser unmittelbarer nichtmenschlicher  Vorfahr - der heute ausgestorbene Australopithecus - zu den Affen gehört.

Das Publikum zeigte reges Interesse, wie es auch nicht anders zu erwarten ist, wenn letztlich die Fragen im Sinne von: „Wer sind wir?“ und „Woher kommen wir?“ behandelt werden.

Bei der anschließenden Diskussion wollte ein Chemiker wissen, warum die Biologie die Menschen so viel mehr fesselt als die Chemie. Er selbst würde nie auf die Idee kommen, Vorträge über das Periodensystem anzubieten. Nun, da kann ich nur sagen: Vielleicht sollte der Verlag C.H. Beck auch mal ein vergleichbares Buch zum Periodensystem herausbringen, mit Fragen wie: Welche Vorstellungen von Atomen gab es in der Antike? Wie entstanden die Elemente? Warum gibt es so viel Wasserstoff? Was sind „seltene Erden“? Warum kann man nicht Blei in Gold verwandeln? Die Biologen werden vielleicht durch die Bemühungen religiöser Fundamentalisten (Kreationisten, Anhänger des Intelligent Design) auf Trab gehalten. Wenn die Chemiker mit hartnäckigen Versuchen die Alchemie wieder hoffähig zu machen konfrontiert wären, würde es wohl ähnliche Publikationen geben.

Alles in allem hat sich gezeigt, dass die Menschen ein reges Bedürfnis haben, mehr über die Evolution zu erfahren. Die oben erwähnte kreationistische Vorprägung führt meines Erachtens dazu, dass viele Menschen glauben, die Welt wäre „gut gemacht“ und „gut gemeint“, die Probleme dieser Welt wären nur durch menschliche Bosheit bedingt und die Kirchenoberen würden etwas Nützliches tun, wenn sie uns mit ein paar Gemeinplätzen die „Leviten“ lesen.

Die Kenntnis des naturwissenschaftlichen Weltbildes - respektive der Evolutionstheorie - zeigt uns, dass die Welt alles andere als „gut und wohlmeinend geschaffen“ ist und humane Lösungen der Probleme dieser Welt mühsam erarbeitet werden müssen. Wer sich aber in die Prozesse der Problemlösung und ihre demokratische Absegnung verantwortungsvoll einbringen soll, benötigt ein realistisches Weltbild. Die Lehrpläne an den Schulen behandeln diese Thematik eher stiefmütterlich. Die 101 wichtigsten Fragen zur Evolution bieten hier eine sogar unterhaltsame Abhilfe.

Nächstes Monatstreffen der Säkularen Humanisten Rhein-Main:
12.04.2012 - 19.00 Uhr -  im Restaurant des Saalbau Bornheim (Pilsstube), Arnsburger Straße 24, 60385 Frankfurt/Main. Interessierte sind jederzeit willkommen.

Weiteres unter www.gbs-rheinmain.de