Dresden - Aufarbeitung der Geschichte

DRESDEN. (hpd) 10. Mai 1933 – so wie in vielen Universitätsstädten Deutschlands, brannten auch in Dresden die aus Büchern aufgetürmten Scheiterhaufen „wider den undeutschen Geist”. Am späten Abend des 10. Mai 2012 fand hier wieder eine ungewöhnliche Aktion statt.

Der Bismarckturm e.V. hatte zu einer Führung rund um den Turm und einer Live-Performence eingeladen. Zu später Stunde fanden sich leider nur etwa 20 Personen ein, um diesem Ereignis beizuwohnen. Neben der Vorstellung der Projektes „Wider den undeutschen Geist” - Bücherverbrennung in Dresden und ihre Rezeptionsgeschichte, las der Performence-Künstler Mischa Badaysan ab 23.00 Uhr unter freiem Himmel auf dem Podest der Bismarcksäule Lenins Werk „Staat und Revolution” nacheinander auf Russisch, Deutsch und Englisch (Dauer insgesamt voraussichtlich 10 Stunden). Diese Aktion wurde im Internet live übertragen.

Die Auswahl genau dieses Werkes beruht auf der Besonderheit, dass es neben „Der Radikalismus, die Kinderkrankheit des Kommunismus” das einzige Werk von Lenin ist, welches nicht auf der schwarzen Liste der Nazis stand. Es war schon etwas Besonderes, die Klänge der russischen Sprache durch die Stille der Nacht an dieser geschichtlich bedeutenden Stelle Dresdens zu hören. Damit wurde Erinnerungskultur mal auf eine etwas andere, unkonventionelle Art dargeboten und ins Licht der Öffentlichkeit gerückt.

In Dresden gab es 1933 zwei unterschiedliche Aktionen dazu. Während einerseits die SS und SA bereits am 8. März am Wettiner Platz eine eher spontane Aktion der Bücherverbrennung veranstalteten, gab es daneben eine gut organisierte und geplante Aktion der nationalsozialistischen Studentenschaft der TH Dresden am 10. Mai 1933. Lange wurde der Teil, der sich um den historischen Platz der Bismarcksäule abspielte, tot geschwiegen. Die vom Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund beherrschte Studentenschaft der TH Dresden hatte zum „Feldzug gegen jüdische, marxistische, liberalistisch-zersetzende Schriften“ aufgerufen, dessen Höhepunkt in der demonstrativen Bücherverbrennung gipfeln sollte. Am Abend dieses Tages sammelten sich die Studenten vor dem Studentenhaus Mommsenstraße, wo bereits vorher alle missliebigen Bücher aus den Bibliotheken, Buchhandlungen und auch privaten Haushalten zusammengetragen wurden.

Nach einer aufhetzenden Rede des Obmanns des NS-Reichsschriftstellerverbandes ging es mit einem Fackelzug hinauf zur Räcknitzhöhe an die bereits geschichtsträchtige Stelle der Bismarcksäule. Anwesend waren damals der Rektor Oskar Reuther, viele Professoren sowie Abgesandte von Behörden und der Presse. Der Vorsitzende der Studentenschaft sprach dabei von „der Notwendigkeit der Reinigung des deutschen Volkskörpers von intellektuellem Schmutz”. Unter dem Jubel von hunderten Teilnehmern und vor laufender Kamera wurden dann die ausgewählten Schriften, besonders auch der Dresdner Schriftsteller und Künstler mit den Feuersprüchen den Flammen übergeben.

Während am Wettiner Platz eine 1948 angebrachte Gedenktafel an dieses Ereignis erinnert und mit dem „Tag des freien Buches” im öffentlichen Bewusstsein der DDR verankert wurde, waren die Ereignisse an der Bismarcksäule und die Verquickung der TU-Dresden darin, in Vergessenheit geraten. Es war einfach aus dem Bewusstsein gestrichen worden, die Säule wurde 1946 in Friedensturm umbenannt und dem Gelände keinerlei Beachtung mehr geschenkt.

Die Bismarcksäule ist eine 23 Meter hohe „Feuersäule“ und entstand aus der Bismarckverehrung der Jahrhundertwende heraus. Der Architekturstudent Wilhelm Kreis (u. a. Architekt des Deutschen Hygienemuseums) schuf 1899 einen Musterentwurf „Götterdämmerung“ in Form einer wuchtigen Feuersäule, der im Rahmen eines Wettbewerbs mit dem 1. Preis prämiert wurde. Diese Säule, eine von 147 gleichartigen, wurde im Jahre 1906 errichtet und war neben der Verehrung des Reichskanzlers Otto von Bismarck wohl auch der Ausdruck für die Sehnsucht nach einer starken Führungspersönlichkeit für Deutschland. Damit war dies auch unter den Nationalsozialisten ein willkommener Ort, der propagandamäßig genutzt wurde.

Ein weiteres geschichtliches Ereignis ist mit dem Ort der Räcknitzhöhe verbunden: 1813 fand hier die Schlacht bei Dresden zwischen den Franzosen unter Napoléon I. und dem Hauptheer der Verbündeten unter Fürst Schwarzenberg statt, bei der Napoleon einen seiner letzten Siege auf deutschem Boden errang. Das Moreau-Denkmal an dieser Stelle erinnert an die tödliche Verwundung des französischen Generals Jean-Victor Moreau in dieser Schlacht. Er stand im Dienste der russischen Zaren Alexander I. und war erbitterter Gegner Napoleons.

2004 fanden sich Architekturstudenten der TU-Dresden zusammen, um das Bauwerk „Bismarckturm” zu retten. In Zusammenarbeit mit dem Amt für Stadtgrün und Abfallwirtschaft gründete sich der Verein Bismarckturm e.V. Im Jahre 2007 nahm sich eine Gruppe von Studenten im Rahmen der Aufarbeitung der Geschichte des Gebietes der Räcknitzhöhe an. In diesem Zuge wurde die aufwändige Sanierung der Bismarcksäule in Angriff genommen. Heute ist dieser Ort zu einem Aussichtspunkt neu gestaltet worden. Neben der Aussicht über die Stadt, kann man auch Einsicht in die Dresdner Geschichte gewinnen. Bis zum Jubiläum im nächsten Jahr sollen die Tafeln im Inneren des Turmes zu den einzelnen geschichtlichen Abschnitten vervollständigt werden.

Elke Schäfer