Spiegel einer verdrängten Vergangenheit

Parallelwelt

Die jüngsten Überlegungen der türkischen Regierung, Schwangerschaftsabbrüche ab der vierten Schwangerschaftswoche zu unterbinden, fallen für ihn in das alte autoritäre Muster. Wobei es auch im Westen immer wieder Anstrengungen in diese Richtung gibt. Dazu passt, dass viele so genannte Ethikfonds nicht in Firmen investieren, die in den Bereichen Schwangerschaftsabbruch oder Verhütung tätig sind. Wenig überraschend sind es vor allem kirchennahe Fonds.

Das sei wie in einer Parallelwelt, findet der Arzt: „Es gibt eine einzige Firma, die das Medikament Mifegyne herstellt. Und die ist nicht an der Börse notiert. Ähnlich ist es bei Kliniken, die Abbrüche durchführen. Dort könnte ein Fonds gar nicht investieren, wenn man wollte. Auf der anderen Seite ist das offensichtlich etwas, was die Fantasien gewisser konservativer Geister beschäftigt. Das zeigt, dass die Menschen, die nicht selbst betroffen sind, eine Parallelwelt erfunden haben und eigene Fantasien projizieren. Sie reden von etwas, das in der Realität so gar nicht stattfindet.“

Auszeichnungen, aber kein Geld

Mehrere internationale Auszeichnungen hat das Museum in den vergangenen Jahren erhalten. Etwa den Kenneth-Hudson-Preis des Europäischen Museumsforums. Auch in der österreichischen Museumslandschaft ist das MUVS, so die offizielle Abkürzung, anerkannt und mit Preisen bedacht worden. Subventionen, etwa von der Stadt Wien, gibt es bis heute nicht. „Als ich 2007 angesucht habe, konnte sich unter dem Museum niemand etwas vorstellen. Sie wussten nicht, was das Museum machen soll“, sagt Fiala. Was vielleicht nicht sehr überrascht. Bis heute ist das MUVS das einzige Museum seiner Art. Vereinzelte Sammlungen in US-amerikanischen oder französischen Museen decken nur Teilbereiche ab. Heute würde es wahrscheinlich besser aussehen, sagt Fiala. Gut 20.000 Besucher haben das MUVS in den vergangenen Jahren besucht. „Ich sollte wahrscheinlich wieder ansuchen, ob es Unterstützung gibt.“ Wobei er vor allem von religiöser Seite und manchen staatlichen Strukturen offenen Widerstand erfahren habe. „Die stecken noch in einem mittelalterlichen Denken fest, dass der Staat in die Sexualität der Menschen eingreifen darf. Die kümmern sich darum, wie viele Kinder geboren werden und nicht, wie es den Kindern geht. Eigentlich sollte es umgekehrt sein.“

Schüler bezahlen selbst

Wichtig wäre das vor allem für die Jugendlichen, schildert Mitarbeiterin Pichler. „Die bezahlen die Führungen aus eigener Tasche. Es wäre toll, wenn das für Schulklassen gratis wäre, wie das in vielen öffentlichen Museen ja auch der Fall ist.“ Auch Fiala würde sich das wünschen. Je besser und je mehr Menschen aufgeklärt sind, desto besser werden sie sich beim Geschlechtsverkehr schützen, sagt er.

Ein wichtiger Schritt wäre auch, Jugendlichen und sozial Schwachen einen kostenlosen Zugang zu Verhütungsmitteln zu bieten, sagt Fiala. „Im Straßenverkehr investieren wir doch auch in die Prävention und das mit Erfolg.“ Pichler sieht einen enormen Bedarf: „Jugendliche würden sich gerne für das effektivste Verhütungsmittel entscheiden. Aber viele davon sind für sie einfach zu teuer.“ Im Museum liegt eine Unterschriftenliste auf, mit der die Besucher diese Forderung unterstützen können. 3.000 Unterschriften hat man schon. Tendenz: steigend.

Christoph Baumgarten