Wie viel Religion braucht der Staat? Diese Frage wurde am Montag von den Diskussionsteilnehmern in der Münsteraner Petrikirche diskutiert. Thematischer Gegenstand der teils lebendigen Auseinandersetzung war das Verhältnis von Religionen und Staat in der Bundesrepublik Deutschland.
Vom Kreisverband Bündnis 90/Die GRÜNEN/GAL Münster geladene Gäste waren Volker Beck (MdB), Prof. Dr. Thomas Schüller (Katholisch-Theologische Fakultät, WWU), Prof. Dr. Perry Schmidt-Leukel (Evangelisch-Theologische Fakultät, WWU), Prof Dr. Mouhanad Khorchide (Institut für Islamische Theologie, WWU), Prof. Dr. Ulrich Willems (Exzellenzcluster "Religion und Politik", WWU) und Albrecht Haupt (Beiratsmitglied Humanistische Union).
Der zunächst wenig weltanschaulich-neutral anmutende Schauplatz der Podiumsdiskussion in der Petrikirche fungierte als spontane Notlösung, da die Räumlichkeiten im Fürstbischöflichen Schloss, dem Sitz der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, kurzfristig nicht mehr zur Verfügung standen. Möglicherweise ist es gerade der Atmosphäre der lokalen Gegebenheiten geschuldet, dass die Diskussion mit zunehmender Dauer intensiver wurde.
Diskussionspunkte des gestrigen Abends waren dabei klassische Themen, welche immer wieder den öffentlich-politischen Diskurs zum Verhältnis zwischen Religion und Staat prägen. Herr Schüller beispielsweise versuchte das kirchliche Arbeitsrecht der beiden christlichen Großkirchen in Deutschland dadurch zu legitimieren, dass Religionsgemeinschaften laut Verfassung das Recht auf Selbstbestimmung bzw. Selbstverwaltung hätten. Demgegenüber kritisierte Volker Beck die Einmischung in die persönliche Lebensführung der Mitarbeiter durch die kirchlichen Träger in sozialen Institutionen. Ebenfalls Handlungsbedarf sieht der religionspolitische Sprecher der grünen Bundestagsfraktion beim sogenannten "Gotteslästerungsparagraphen" (§ 166 StGB), welcher nicht mehr mit den Werten der Gesellschaft des 21. Jahrhunderts vereinbar sei.
Ferner waren sich alle Diskussionsteilnehmer einig, dass die Religionsfreiheit ein wichtiges und zu schützendes Gut sei, allerdings dürfe es zwecks Gleichbehandlung der Religionen keine gesonderten Vereinbarungen zwischen einzelnen, bestimmten Religionsgemeinschaften und dem Staat geben, so Haupt. Des Weiteren betonte Haupt noch einmal den von der Verfassung definierten Auftrag die Staatsleistungen an die Kirchen nun endlich abzuschaffen.
Obwohl z.B. Herr Khorchide und Herr Schmidt-Leukel im Verlauf des Abends versucht haben zu betonen, welchen Stellenwert Religionen, Glaube und religiöse Werte aus ihrer Sicht in der Gesellschaft haben, wurde die konkrete Frage nach der Bedeutung von Religion für den Staat leider nicht ausreichend befriedigend von den Teilnehmern expliziert.
8 Kommentare
Kommentare
David am Permanenter Link
mir kommt es so vor das die Kirche einfach so tut als würde sie schlafen und dem Humanismus etwas Freiraum gibt... bis zum nächstem krieg, dann werden alle verfolgt
Volkmar H. Weber am Permanenter Link
Ich glaube nicht, dass die Kirchen schlafen. Die Kirchen sind opportunistischer geworden (z. B.
Resnikschek Karin am Permanenter Link
Die Großkirchen beanspruchen einen Raum in unserer teil-säkularen Gesellschaft, der ihnen nicht zusteht. Denn 1/3 der "Kirchenflüchtigen"
weite Strecken in Kauf nehmen, müssen in die Kirchen eintreten. Aber es gibt ein Überwältigungsverbot! Die studentische Jugend tritt ebenfalls aus der Kirche nicht aus - das würde die Karriereleiter und die Jobsuche beeinträchtigen. Was ist aus dem Grundgesetz in praxi geworden (Art. 3, 4, 140) - das kann man als Konfessionsloser gleich den Hasen geben. Denn auch das Menschenrecht auf negative Religionsfreiheit bleibt weitestgehend unbeachtet. Nochmal: was ist das für ein (schwacher) Staat, indem der Kirchenlobbyismus floriert. Also besser wäre es, das Staatskirchen- oder Religionsverfassungsrecht zu ändern, umzuinterpretieren oder sonstwie an die säkularisierte Gesellschaft anzupassen (oder den Hasen zu geben). E i n Recht für alle. Gleiches Recht für gleiche Menschen. Religion ist nichts Höheres. Meinetwegen soll der Staat die Kirchen als Partner behalten. Aber uns Nichtorganisierbare
soll er genauso als Partner nehmen - und auch bei den Muslimen nicht mit den reaktionärsten Gruppen unter Erdogan kumpanieren - bloß weil die organisiert sind, sondern die säkularen Interessen viele Muslime berücksichtigen. Die Sache ist überfällig. Karin Resnikschek
Martin Weidner am Permanenter Link
Die Realität sieht an der Basis anders aus. Ich erlebe bei kirchlichen Kitas, dass natürlich ein Mix aus konfessionellen und anderen Kindern aufgenommen werden muss.
Dieter Bauer am Permanenter Link
Es bedarf der Feststellung, dass Religionen ausschliesslich auf menschengemachten Vorstellungen, auch Fantasien genannt, beruhen und im Laufe der Zeit von willigen Helfern immer differenzierter ausgebaut wurden und we
Hans Trutnau am Permanenter Link
"... nicht ausreichend ... expliziert" - dabei ist die Antwort auf die Eingangsfrage simpel: NULL. Aber welche Krähe hackt der anderen schon ...
David Z am Permanenter Link
"Wie viel Religion braucht der Staat?"
Von welcher Religion sprechen wir hier? Und ūberhaupt, was soll das sein, "Religion"?
Ergo, der Staat braucht genau Null Religion.
Claudia Vogt am Permanenter Link
Ich meine auch, der Staat als Zusammenschluss freier, gleichberechtigter BürgerInnen braucht Null Religion.