Christliche Schnorrer

Kaum Jobchancen für Nicht-Christen

Was in einem nicht geringen Ausmaß auch die treibende Kraft hinter World Vision ist. Die Organisation lässt keine Zweifel aufkommen, dass ihr Engagement „christlich motiviert“ ist, wenn auch „überkonfessionell“, was man als Widerspruch in sich sehen kann. Sei es evangelikal wie bei der Mutterorganisation World Vision International, sei es konservativ-katholisch wie beim Österreich-Ableger. Nicht-Christen jeglicher Schattierung haben so gut wie keine Chance auf einen Job in der Organisation. „Unsere Erwartungen an Sie: - Marketingausbildung, - einige Jahre qualifizierte Berufserfahrung, - christliche Motivation, - gute Englischkenntnisse im Wort und Schrift, - fundierte Kenntnisse im PC-Bereich (MS Programme, Internet), - Flexibilität und Belastbarkeit, - Organisations- und Kommunikationsfähigkeit, - Verlässlichkeit in der Umsetzung“, heißt es in einem Stelleninserat von World Vision Österreich. Eine Umsetzung der Richtlinien von World Vision International.

Auch in Entwicklungshilfegebieten greift man vorwiegend auf getauftes Personal zurück. Einheimische mit dem falschen Glaubensbekenntnis können laut Medienberichten froh sein, wenn sie einen Aushilfsjob kriegen. In den USA ist das legal, hat der Oberste Gerichtshof geurteilt. World Vision ist eine religiöse Organisation.

In Österreich ist das nicht ausjudiziert. Auch hierzulande dürfen Organisationen, die als so genannte Tendenzbetriebe gelten, religiös diskriminieren. Das gilt etwa für Caritas und Diakonie. World Vision ist zwar eine offensiv christliche Organisation, ob sie aber Tendenzschutz beanspruchen darf, müsste im Zweifelsfall gerichtlich geklärt werden. Immerhin gehört die Organisation keiner anerkannten Religionsgemeinschaft an, für die der Tendenzschutz ursprünglich konzipiert wurde.

Arbeit und Bekenntnis laufen ineinander

World Vision ist nicht die einzige christliche Organisation in der Entwicklungshilfe, bei der tägliche Arbeit und religiöses Bekenntnis mitunter ineinander laufen. Die Dreikönigsaktion gab laut Jahresbericht im Vorjahr knapp 29 Prozent ihres Budgets für den Posten „Kirche im Dienst an den Menschen“ aus. Einem Laien mag das wenig vorkommen. „Kirche im Dienst an den Menschen“ bedeutet für Nicht-Insider schlicht Entwicklungshilfe wie neue Schulen, Brunnen und dergleichen mehr. Laut Eigendefinition Hauptaufgabe der Dreikönigsaktion. Die definiert den „Dienst an den Menschen“ weniger als Hilfe in diesem Leben als zur Vorbereitung für das Leben danach, das es laut christlicher Auffassung gibt. „Die befreiende Botschaft des Evangeliums zielt auf ein Leben in Fülle für alle Menschen ab. Deshalb unterstützen wir den Aufbau lebendiger christlicher Gemeinschaften, die ihren Glauben fruchtbar machen - im Einsatz für die Ärmsten und die Bewahrung der Schöpfung.“

World Vision ist vergleichsweise zurückhaltender. Laut Sprecher Spiegelfeld werden keine Spendenmittel aus Österreich für direkte Missionsarbeit verwendet. Auch World Vision International betreibt laut eigenen Angaben keine direkte Evangelisierung. „World Vision (Österreich) versteht sich als Hilfsorganisation, nicht als Missionswerk. Insofern enthalten wir uns einer Missionierung, Evangelisierung oder Aufforderung zum Religionswechsel. Wir lehnen jede Form des Proselytismus ab und halten uns strikt an die nationalen und internationalen Standards der humanitären Hilfe, denen gemäß Hilfe und Schutz gewährt werden müssen ohne Ansehen von Herkunft, Religion, Nationalität, politischer Überzeugung oder sonstigen Unterscheidungsmerkmalen. Einziges Kriterium bei der Abwägung von Prioritäten der Hilfeleistung bleibt die Not der Menschen. Gleichwohl glauben wir, dass der selbstlose Dienst an den Armen und Notleidenden ein beredtes Zeugnis von der umwandelnden Kraft der Liebe Gottes ist.“

Sanfte Missionierung

Formal richtig. Betroffene empfinden das oft anders, wie ein gut recherchierter Bericht der indischen Wochenzeitung Tehelka zeigt. (Die Rechercheergebnisse zu World Vision International finden sich ab Seite 6.) Der beschriebenen Praktiken bedarf es nicht unbedingt, um auch ohne direkten Proselytismus zu missionieren. Dass nahezu alle Mitarbeiter von Hilfsprojekten Christen sind, dürfte helfen. In einer Forumsdiskussion beschreibt ein User namens Matthews seine Erfahrungen, die er mit World Vision in Entwicklungsgebieten gemacht hat. „World Vision does work with the local churches and uses volunteers. If somebody asked for a church recommendation or Christian literature, World Vision staff would certainly provide that. But the recipient must ask or be seeking information. (…) This gives World Vision the freedom to be in countries where Christianity is illegal. They’re goal is to live out the teachings of Christ to whoever is in need.”

Diese „sanfte Missionierung“ stößt auch auf Kritik. „(…)to deny the conversion pressures of money and medical care or education is naive. Consider the plight of Hindu parents who have a choice between a bare local school or a Christian school that provides paper, pencils, and books. All over the world, vast differences in power and resources say to desperate people: Christians have what you need; Jesus is the answer. The World Vision mission, in its own understated way, acknowledges this”, schreibt Valerie Tarico in der Huffington Post. Ähnlich sieht es Susan Jacoby von der Washington Post.

Man fühlt sich an Spiegelfeld erinnert: „Ein beredtes Zeugnis von der umwandelnden Kraft der Liebe Gottes.“ Ein Zeugnis, das neben unbestreitbarer Hilfe für Notleidende offenbar in vielen Fällen deren Religionsbekenntnis umwandelt. Ein erwünschtes Ziel der Arbeit von World Vision. Das werden einem die Spendensammler der Aktion aber vermutlich nicht sagen.

Christoph Baumgarten