Kunst, Karikatur und Aufklärung

REUTLINGEN. (hpd) Innerhalb kurzer Zeit legt die edition Spinoza des Verlags freiheitsbaum einen vierten Band vor. Schwerpunkt des vorliegenden neuen Bands sind ästhetische Fragen, d.h. Kunst und Karikatur als sehr effektives aufklärerisches Hilfsmittel, illustriert anhand des Lebens und Werkes des Eduard Fuchs.

Geschichtsbewusstsein wird unmerklich mehr oder weniger stark durch Karikaturen geprägt, oder wie es der porträtierte Eduard Fuchs ausdrücke: „Unser Zeitalter lechzt nach dem Bilde, nach dem mit den Augen kontrollierbaren Dokument. Sein Bildhunger ist unersättlich. Es verlangt gebieterisch, dass überall das Bild dem Wort koordiniert werde.“ (S. 82)

Schwerpunkt des vorliegenden neuen Bands sind ästhetische Fragen, d.h. Kunst und Karikatur als sehr effektives aufklärerisches Hilfsmittel, illustriert anhand des Lebens und Werkes des Eduard Fuchs. Dabei knüpfen die Autoren durchaus an liebgewonnene visuelle Gewohnheiten an. Sozial- und Religionskritik lebte schon immer von der Karikatur, als entlarvendem und bewusstseinserweiterndem pädagogischem Hilfsmittel, das oft mehr als lange Pamphlete zu vermitteln mag. Und mit diesen spart der vorliegende Band nicht, es wird fast schon zu viel des Guten getan. Nahezu alle Texte werden mit Illustrationen ergänzt, die „von Eduard Fuchs publizierten Karikaturen, Kunst- und Literaturprojekte dienen zur Illustration seiner Zeitkritik an der herrschenden Kultur und Politik.“

Dargestellt wird also das Leben und Werk von Eduard Fuchs in einer „politisch-biographischen Skizze“, u.a. anhand seiner Selbstzeugnisse, Reflexionen und Bildauswahl.

Eduard Fuchs, am 31. Januar 1870 in Göppingen geboren und in Stuttgart aufgewachsen, engagierte sich für die Arbeiterbewegung und veröffentlichte zahlreiche Bücher zur Kunst- und Karikaturengeschichte. Weltberühmt wurde er mit seiner mehrbändigen „Illustrierten Sittengeschichte vom Mittelalter bis zur Gegenwart“. Ein Gericht indizierte das Werk noch im Jahr 1928 mit den Worten: „nicht geeignet für Frauen und Kinder“ (S. 74). Fuchs „war Buchhalter, Essayist, Aktivist der illegalen Sozialdemokratie, politischer Gefangener, Redakteur der Satire- und Karikaturzeitschrift Der süddeutsche Postillon, freier Schriftsteller, Historiker, Kunstsammler, Autor […] und Herausgeber zahlreicher Werke zu Geschichte, Kunst und Karikaturen, wie 1848 in der Caricatur, Die Karikatur der europäischen Völker vom Altertum bis zur Neuzeit, Das erotische Element in der Karikatur, Die Frau in der Karikatur, Geschichte der erotischen Kunst, Der Weltkrieg in der Karikatur, Die Juden in der Karikatur u.a. Er entdecke und publizierte für das deutsche Publikum die Werke Honoré Daumiers, war der Nachlassverwalter von Franz Mehring und gab dessen Werke in einer umfangreichen Edition heraus.“ Als Redakteur sozialdemokratischer Zeitschriften prägte er federführend die Ästhetik der Arbeiterbewegung in der Zeit bis 1933.

Das Buch zeichnet ausführlich auch den politischen Werdegang von Eduard Fuchs nach. Er war Gründungsmitglied des Spartakusbundes und reiste im Auftrag von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht nach Moskau zu Verhandlungen mit Lenin. Später trat er als Kritiker des Stalinismus aus der Partei aus und beteiligte sich an der Errichtung des Frankfurter Instituts für Sozialforschung. Erstmals ausgewertet wird in dem Buch der Briefwechsel zwischen Fuchs und dem sowjetischen Forscher David Rjasanow, der 1938 zum Opfer der sowjetischen „Säuberungen“ werden sollte und einem Justizmord zum Opfer fiel. Dargestellt werden die politischen Richtungskämpfe in der Weimarer Republik zwischen stalinistischen Kadern einerseits und deren Kritikern, Eduard Fuchs, Heinrich Vogeler, Jacob Walcher, August Thalheimer u.a.

Eduard Fuchs wurde 1933 von den Nazis sein Haus und seine bedeutende Kunstsammlung geraubt. Kunstwerke, unwiederbringliche Dokumente und Archivalien wurden dabei zerstört. Er emigrierte nach Paris, wo er nach längerer Krankheit am 26. Januar 1940 starb.

Im Anhang werden die sozialkritischen Gedichte von Eduard Fuchs dokumentiert, die überwiegend in seinen jüngeren Jahren entstanden waren, und exemplarische Texte zu Kunstgeschichte, Einleitungen zu seinen sozial- und sittengeschichtlichen Werken, zu seiner Franz-Mehring-Werkausgabe und fremde Würdigungen.

Dass beim Herausgeber Jestrabek natürlich die Schelte vornehmlich politisch-dogmatischer Positionen nicht ausbleiben kann, zeigt die spitz geschriebene Kommentierung der Fuchs’schen „Nachwirkungen“ (S. 143ff.). Zunächst wird eine Rezeptionsgeschichte des zeitweilig fast vergessenen Eduard Fuchs nachgezeichnet, wobei die Fuchs-Rezeption in der DDR zwischen peinlichem Nichtwissen und Ignoranz wechselte. Aber Jestrabek stellt auch die Frage nach der Berechtigung einer „von Eduard Fuchs postulierte[n] sozialistische[n] Kunst und Literatur“, angesichts des Scheiterns eines „dogmatischen Staatssozialismuskonzeptes gegen Ende des letzten Jahrhunderts.“ Er konstruiert hierzu dann „zwei vollkommen unterschiedliche Konzepte für die Verbindung von Sozialismus und Realismus in Literatur und Kunst … schon zu Zeiten von Eduard Fuchs“ (S. 146ff.): das dogmatische „stalinistische und poststalinistische“ Kunstkonzept, nach dem „Kunst und Literatur dagegen lediglich ein voluntaristisches Hilfsmittel ihrer (macht-)politischen Zielsetzungen [sei]. Dem hatten sich künstlerische Formen und Inhalte unterzuordnen“ - versus einem Konzept formuliert von Rosa Luxemburg, die zwar auch „einen Zusammenhang von künstlerischer Arbeit und sozialer Verantwortung“ herstellte, aber die Aufgabe des Künstlers dialektisch verstand.

Der Autor resümiert: „Der Schwerpunkt liegt für den Künstler in seiner künstlerischen Qualität, d.h. er hat in erster Linie seine Kunst meisterhaft zu gebrauchen - und wirkt dadurch auch indirekt und effektiver für sein aufklärerisch-emanzipatorisches Anliegen. Das Konzept der Dogmatiker führte dagegen bei vielen Künstlern zu einer Vulgarisierung und Verflachung und war somit auch für das gesellschaftliche Anliegen kontraproduktiv. Es beförderte nicht den Emanzipationsgedanken, sondern die Fremdbestimmung.“

Eduard Fuchs wird für das Luxemburg’sche Konzept eingenommen und deshalb schließt der Herausgeber: „Das Gesamtwerk von Eduard Fuchs sollte so als Beitrag zu einer undogmatischen und aufklärerischen Kunsttheorie gesehen werden. Einige Teile seines Werkes, zeitbedingte und subjektive Fehleinschätzungen, sind angesichts des großen Umfangs seines Werks zweitrangig. Seine aufwendig gestalteten illustrierten Kunst- und Geschichtswerke sind auch dem heutigen Leser uneingeschränkt zu empfehlen. Sie vermitteln ein buntes und anschauliches Geschichtsbild, eröffnen uns Einblicke in Realitäten, die unser Geschichts-, Kunst- und Gesellschaftsverständnis vertiefen. Eduard Fuchs gebührt das Verdienst, die Schönheit und Nützlichkeit der Kunst den um Menschlichkeit kämpfenden Zeitgenossen vermittelt zu haben und sie so für den noch lange nicht abgeschlossen Emanzipationskampf der Menschheit gewonnen zu haben.“ (S. 148)

Jestrabek hat übrigens versprochen, die Präsentation dieses neuen Buchs immer in Form einer Bilderpräsentation vorzunehmen, da man Eduard Fuchs’ Anliegen am ehesten durch die Präsentation seiner Kunst- und Karikaturensammlungen gerecht werde.

Ralph Metzger

 

Eduard Fuchs: Kunstsammler und Zeitkritiker. Eine biographisch-politische Skizze von Heiner Jestrabek. freiheitsbaum, Reutlingen, 1. Auflage 2012, ISBN 978-3-922589-53-1, 14 Euro.