Hightech und Holzmasten

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Hightech und Holzmasten / Fotomontage: Thomas Häntsch

USA. (hpd) Obama hat gewonnen, Mitt Romney ist der Verlierer der Wahl zum US-Präsidenten 2012. Das ist die gute Nachricht für die Vereinigten Staaten von Amerika. Die Lösung der Probleme für das Land der unbegrenzten Probleme ist das aber noch lange nicht.

Präsident Barack Obama, erster schwarzer Präsident der USA, erster Friedensnobelpreisträger, der bei der Verleihung einer kriegführenden Nation vorstand, hat am Ende seiner Amtszeit nicht nur den Wind des Wahlkampfes ertragen müssen. Ein Wirbelsturm namens Sandy wirbelte Bodensatz und Dreck auf, der im Land der angeblich unbegrenzten Möglichkeiten jahrzehntelang unter den Teppich gekehrt wurde, und zeigte eine ganz andere Seite der Supermacht. Der Orkan deckte auf, wie es um die USA im Inneren bestellt ist. Zum Vorschein kam, dass es abseits von Hightech Waffen Probleme gibt, mit denen sonst nur Entwicklungsländer zu kämpfen haben. Präsident Barak Obama ist nicht verantwortlich für diese Mängel, doch diese Zustände zu ändern, sollte sich die  Administration unter der Führung eines Friedensnobelpreisträgers zur Aufgabe machen.

Die marode Infrastruktur der Vereinigten Staaten und die Kriegslüsternheit der USA haben eng miteinander zu tun, denn die aktuellen Probleme sind das Resultat der Politik der vergangenen Jahrzehnte, eine Folge von Rüstungswahn und Großmachtstreben.

Was ist schief gelaufen in dem Staat, der sich als Hüter der Freiheit aufspielt, der seit seiner Gründung die Waffen klirren lässt, der gern erklärt, wie die „restliche Welt“ zu sein hat?

Die Geschichte der USA startete im 17. Jahrhundert mit der Gründung von 13 britischen Kolonien an der nordamerikanischen Ostküste. 1775 begann der Unabhängigkeitskrieg, der am 4. Juli 1776 mit der Erklärung der Unabhängigkeit endete, drei Jahre später wurde die Verfassung der Vereinigten Staaten unterzeichnet – der Staat war geboren. Erster Präsident der USA wurde George Washington, ein General im Unabhängigkeitskrieg.

Die Ureinwohner Amerikas – die Indianer - standen den Siedlern von Beginn an im Weg, so wurde gegen dieses Volk einer der nächsten Kriege geführt. Das Militär schützte damals – immer im Namen von Gott und Freiheit -  das neue Amerika vor denen, die schon immer dort lebten. Im 19. Jahrhundert wurde das Land in hohem Tempo erschlossen. Die Eisenbahn, das Telegrafie Netz und all die anderen Neuerungen der Zeit sorgten für enormen Aufschwung und waren an der Schaffung des Mythos vom Land der unbegrenzten Möglichkeiten beteiligt. Den Pionieren der USA war offenbar bewusst, dass eine gut funktionierende Infrastruktur ein wichtiger Schlüssel zum Erfolg ist. Diese Erkenntnis scheint im Laufe der Zeit in Vergessenheit geraten oder anderen Zielen gewichen zu sein.

Erstarkt und gut (auf)gerüstet, gingen die USA dazu über, sich in die Weltpolitik einzumischen. Die Mittel sind bekannt.

Seit Ihrer Gründung führten die USA zahlreiche Angriffskriege in allen Teilen der Welt, ohne dass der Staat selbst von anderen Ländern angegriffen oder überfallen wurde. Stellvertretend für die lange Liste sei der Vietnamkrieg genannt, der von 1964 bis 1975 geführt wurde und auf dessen Höhepunkt rund 550.000 amerikanische Soldaten im Einsatz waren. 58.193 Mann verloren allein in diesem Feldzug ihr Leben, wobei schätzungsweise 45.000 im Alter von 20 – 25 Jahren starben. Der Grund für den Überfall waren Streitigkeiten, die nach dem Indochina Krieg zwischen Nord- und Südvietnam ausbrachen. Diese blutige Auseinandersetzung, die zum ersten Mal mit großer Medienpräsenz geführt wurde, ist bis heute ein Stachel im Fleisch der USA, weil Brutalität einhergehend mit der Zerstörung der Umwelt ein bis dato nie gekanntes Ausmaß annahmen. Allein dieser Krieg kostete nach heutiger Wertung mehr als 700 Mrd. US–Dollar.

Auch im 21. Jahrhundert, unter der Führung eines Friedensnobelpreisträgers, sind die Vereinigten Staaten eine Militärmacht, die der Welt das Fürchten lehren kann. Alles, was auf den Kriegsschauplätzen marschiert, fährt und schwimmt, ist das Neueste und Beste, was Wissenschaft und Industrie erfunden haben.

Auch im Land selbst fürchten sich die Menschen.

Denn abseits der Militärbasen wird der Strom von veralteten Kraftwerken über Leitungen, die an Holzmasten baumeln, zu den Haushalten übertragen. Sandy hatte mit diesem Flickwerk ein leichtes Spiel, die Folgen waren Stromausfälle, die Heizungen blieben kalt und in den Kühlschränken verrotteten die Lebensmittel, die sich die Menschen vor dem Sturm nach Hause geholt hatten. So etwas ist etwa auf dem Flugzeugträger "USS George Washington" undenkbar, dem kann ein Sturm kaum etwas anhaben. Dort funktioniert Amerika wie am Schnürchen, da ist man auf alle Eventualitäten vorbereitet, dort allein sind die Möglichkeiten fast unbegrenzt. Diese Flugzeugträgerflotte wird in den kommenden Jahren schätzungsweise 480 Mrd. Dollar nötig haben und die Mittel auch erhalten. Wie viele Kilometer Stromkabel könnten mit diesen Geldern unterirdisch verlegt werden?

Zu Beginn des letzten Jahrhunderts war die Eisenbahn das Verkehrsmittel Nummer 1 in den USA und das Schienennetz wurde zügig ausgebaut.  Heute ist Bedeutung des Bahnverkehrs in den Staaten stark zurückgegangen. Die großen Entfernungen zwischen den Ballungsräumen des Riesenlandes und bislang niedrigen Treibstoffkosten manövrierten die Bahn auf die Abstellgleise. Der Individualverkehr und das Flugzeug verdrängten die Züge zumindest in Hinblick auf die Personenbeförderung. Auch diese Entwicklung ist der verfehlten Politik früherer Regierungen geschuldet. So wurde der Elektrifizierung der Strecken keine Beachtung geschenkt, in den großen Metropolen rattern Vorortzüge und U–Bahnen über alte Gleise, während auf den Straßen der Individualverkehr die Luft verpestet. Was in den USA heute überhaupt noch über die Gleise fährt, wird mit Diesel betrieben. Die USA setzen immer noch auf Öl und nehmen dafür auch einmal einen Krieg im Iran in Kauf, der ca. 700 Mrd. Dollar verschlang.

Man bedenke, dass zur Erhaltung und Verbesserung der Infrastruktur ca. 255 Mrd. Dollar im Jahr notwendig sind, so schätzen Experten.

Man könnte die Liste beliebig fortsetzen, den Vergleich von Infrastrukturbedarf und Rüstungswahn in den Vereinigten Staaten ausweiten, das Ergebnis ist immer das Gleiche.

Der letzte Wirbelsturm hat diese prekäre Lage aus der Versenkung geblasen, doch neu ist das alles nicht. Seit Jahren warnen Ingenieure und Ökonomen vor dem schleichenden Verfall, der nichts anderes ist als der Terrorismus des Zahnes der Zeit, dem die USA nichts entgegensetzen.

Absichten und Taten von Barak Obama haben bis jetzt den verliehenen Preis eher in ein schlechtes Licht gerückt.

Präsident Obama hat zwar das Ziel, die Prioritäten zu verschieben und die Militärausgaben zu verringern, ob ihm das jedoch gelingen wird, hängt nicht von ihm allein ab. Zweifel sind diesbezüglich berechtigt. Die in den vergangenen Jahrzehnten aufgeblähte Rüstungsindustrie ist eine starke Macht in den USA, die allein mit der Drohung von Entlassungen für Unmut in der kriegsmüde gewordenen Bevölkerung sorgen kann. Die hohe Verschuldung des Staates und die finanzielle Abhängigkeit von China sind weitere Hemmnisse, mit denen der neue - alte Präsident zu kämpfen haben wird.

So wie es aussieht, werden noch einige Stürme über die USA fegen müssen, werden noch viele Menschen an der unterfinanzierten „Heimatfront“ ihr Leben lassen, bis man aufwacht und endlich beginnt im eigenen Land und nicht in der Welt aufzuräumen.

Thomas Häntsch