Biologie des Riesen
Der Walhai (Rhincodon typus) ist ein Hai mit typisch gezähnter Haut, fünf Kiemenöffnungen an jeder Seite und einer vertikalen Schwanzflosse, die sich seitlich bewegt. Er ist das größte Mitglied der Haigruppe und somit auch das größte kaltblütige Tier der Erde. Denn Wale wie etwa der Blauwal, sind warmblütige Säugetiere, atmen mit Lungen und haben eine horizontale Schwanzflosse, die sich auf und ab bewegt. Haie werden nach ihren anatomischen Merkmalen, etwa die Abwesenheit einer Analflosse oder die Anzahl der Kiemenschlitze, in acht Ordnungen unterteilt. Der Walhai gehört in die Ordnung Orectolobiformes, also der Ammenhai-Artigen. Alle Arten dieser Ordnung tragen eine ungewöhnlich lange Schwanzflosse, sind aber wie Teppich- und Ammenhai eher Bodenbewohner. Darin unterscheidet sich der Walhai, denn er ist als freischwimmender Hai ein Bewohner der Hochsee. Im Gegensatz zu anderen Haien klafft sein breites Maul nicht an der Unterseite, sondern in der Mitte des Kopfendes. Die Geruchsöffnungen liegen direkt über der Oberlippe und eine kleine Bartel darin erinnert an die Verwandtschaft mit den Ammenhaien.
Wie funktionieren die Augen? Sie sind recht winzig im Vergleich zum riesigen Körper und werden wie bei allen Haien nur im Nahbereich eingesetzt. Der stark dorsoventral abgeplattete Kopf, in Verbindung mit den wulstigen Seitenkanten und deren Ausschnitt für das Auge, führt zu einer größeren Augenhöhlung als die Größe des Augapfels selbst. Damit kann dieser erheblich stärker in alle Richtungen bewegt werden, als wir das von Haien kennen. Zum Schutz kann er das Auge wegdrehen: Diese Beobachtung wurde erst kürzlich dokumentiert. Nickhäute hingegen zum Schutz des Auges – wie bei den räuberischen Haien bekannt – fehlen dem Walhai.
Beim Filtrieren schwimmt er geradlinig ohne das sonst für Haie typische Seitwärtsschwenken des Kopfes, das der sensorischen und optischen Orientierung dient. Der Walhai muss seine Beute nicht sensorisch orten, um sie zu attackieren, sondern sammelt sie einfach ein, wenn er nahe der Oberfläche durch eine dichte Planktonschicht schwimmt. Die Augen dienen aber zur Registrierung der Planktondichte und größerer Objekte und lassen das Tier aktiv auf beispielsweise einen Anchovie-Schwarm zuschwimmen, sobald er ihn erkannt hat. Das unterscheidet ihn vom scheinbar emotionslos dahinfilternden Riesenhai (Cetorhinus maximus).
Direkt hinter den Augen befindet sich ein rundes Loch, das man Spirakel oder Spritzloch nennt. Einige Haie und viele Rochen tragen es, wodurch auch die gemeinsame Herkunft erkennbar ist. Bei bodenlebenden Arten wird es zum Atmen benutzt, wie etwa bei Teppichhaien, aber beim Walhai hat es keine Funktion mehr. Gelegentlich kann man beobachten, wie ein mitreisender Schiffshalter frech aus dem Spirakel herausschaut. Hinter dem Spritzloch befinden sich auf beiden Seiten des Kopfes je fünf Kiemenspalten. Ihre enorme Größe deutet auf deren Nutzung als Filter hin.
Wie funktioniert die Nahrungsaufnahme bei Walhaien? Im Gegensatz zu allen Haien klafft ihr Maul in der Mitte des Kopfendes. Stößt ein Walhai auf Planktonbeute (Larven von Krebsen, Quallen, Tintenfischen und Knochenfischen sowie Jungfische), sperrt er sein Maul garagentorartig auf, wartet, bis es sich gefüllt hat, und klappt es wieder zu. Dabei presst er das Wasser durch die Kiemenschlitze wieder heraus. Alles Freßbare bleibt in den Knorpelsieben der Kiemen hängen und wird geschluckt. Manchmal hat man auch beobachtet, wie ein Walhai gezielt Zooplankton, wie z. B. Schwärme des tropischen Krillkrebses (Pseudeuphasia latifrons) einsaugt. Zähne braucht der Riese dabei nicht, dennoch ist jeder Kiefer mit über 3000 winzigen Beißerchen bestückt. Sie sind etwa 2 mm groß und in elf bis zwölf Reihen auf beiden Kiefern angeordnet. Beim Anblick hat man den Eindruck, dass es sich um eine übergroße Raspel handelt (!).
Learning by doing: In der Cendrawasih-Bucht hat ein junger Walhai erkannt, wie er recht einfach an Sardinenfutter kommt (!).